Vor(ur)teile Zeitarbeit – Eine Branche wehrt sich! Zeitarbeit
polarisiert. Kaum eine andere Branche ist derart dem Zeitgeist unterworfen
und steht so häufig in der Kritik. Egal wie stark sie sich weiter
entwickelt, wie viele Arbeitsplätze sie schafft und erhält - es wird
diffamiert und die Wahrheit verbogen. Gleichzeitig agiert der größte
Teil der Branche ruhig und fair, in der Verantwortung für den Menschen.
Jenen eine Stimme zu geben, ist unser Ziel. Die sich nicht rechtfertigt,
sondern der Verankerung eines Bildes von Zeitarbeit als seriöse Beschäftigungsalternative
Vorschub leistet. Vorurteil: Zeitarbeit verdrängt Stammarbeitsplätze! Einer
Studie
des IAB zufolge halten sich zusätzliche und verdrängte Beschäftigungsverhältnisse
die Waage: „Betrachtet man beispielsweise einen Anstieg der
Leiharbeiterzahl um 200.000 (wie in den Boomjahren 2006 oder 2010), so wären
dabei in etwa 100.000 Jobs außerhalb des Zeitarbeitssektors verdrängt,
aber insgesamt 100.000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse
geschaffen worden.“. Das
ist für sich genommen schon ein positives Fazit der Studie, aber ohne die
missbräuchliche Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)
durch so genannte „konzerninterne Zeitarbeit“ würde das Ergebnis noch
wesentlich deutlicher zu Gunsten der Zeitarbeit ausfallen. Gemeint ist
damit folgendes: Das
Wesen der Zeitarbeit ist das Dreiecksverhältnis (Zeitarbeitsunternehmen
– ZeitarbeitnehmerInnen – Einsatzbetrieb/Kunde) und die
Einsatzwechseltätigkeit. Diese beiden Punkte unterscheiden die Zeitarbeit
im Wesentlichen von anderen Beschäftigungsverhältnissen. Bei
konzerninterner Zeitarbeit sind aber Zeitarbeitsunternehmen und
Einsatzbetrieb identisch; das Dreiecksverhältnis ist gesprengt. Alleine
deshalb handelt es sich bei der konzerninternen Zeitarbeit schon nicht um
Zeitarbeit im eigentlichen Sinn. Hinzu
kommt, dass die Einsätze auf Dauer ausgelegt sind und dieser eine
„Einsatz“ bei nur einem Einsatzbetrieb stattfindet. Die klassischen
Merkmale der Zeitarbeit sind hier also gar nicht gegeben, es handelt sich
vielmehr um Auslagerungsgesellschaften mit dem offenkundig einzigen Ziel,
Kosten auf dem Rücken der (Zeit-)ArbeitnehmerInnen zu sparen. Beispiele für
diese Schein-Zeitarbeit gibt es zur Genüge: Kirchliche Arbeitgeber wie AWO,
Caritas,
Konzerne wie Lufthansa,
Globus,
Deutsche
Bahn, kommunale „Servicegesellschaften“ wie in Duisburg
(Octeo), Hamburg
und Fulda
und anderen Städten. ZeitarbeitnehmerInnen schützen sogar –
anders als konzerninterne Zeitarbeit - die Stammbeschäftigten. Bevor ein
Stammbeschäftigter betriebsbedingt entlassen wird, trennen sich die
Betriebe vom Flexibilitätspuffer „ZeitarbeitnehmerInnen“. Diese
werden deshalb aber nicht arbeitslos, sondern von ihrem Arbeitgeber, dem
Zeitarbeitsunternehmen, in den nächsten Einsatzbetrieb vermittelt. Zusätzlichen
Schutz erhalten die Stammbeschäftigten durch die
Flexibilisierungsfunktion der Zeitarbeit, weil sie die Einsatzbetriebe
wettbewerbsfähig hält. Kritiker der Zeitarbeit, allen voran die
Gewerkschaften, beklagen, dass die Anzahl der ZeitarbeitnehmerInnen in den
letzten Jahren sprunghaft angewachsen ist. Aber 10% (!) aller
ZeitarbeitnehmerInnen sind bei Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt, die
dem DGB oder Ver.di
gehören! Mit dazu gehört das schwärzeste aller Schafe: die Firma
Weitblick - ein Zeitarbeitsunternehmen des DGB! Weitblick gruppiert
falsch ein, hält sich nicht an den Mindestlohn und hat sich an einem
Streikbruch beteiligt. Schlimmer geht nimmer! Vorurteil: Zeitarbeiter verdienen nur die Hälfte des
Stammpersonals! Es
hat in der Vergangenheit tatsächlich Beispiele gegeben, wo
ZeitarbeitnehmerInnen bis zu 50% weniger Lohn bekamen als vergleichbare
Stammbeschäftigte. Dort, wo die Tarife des Einsatzbetriebes besonders
hoch waren, wie zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie oder in
der Chemie-Industrie. Diese signifikanten Lohn-Scheren sind aber über die
Branchenzuschlags-Tarifverträge mittlerweile geschlossen worden. Berücksichtigt
man diese Branchenzuschläge in der untersten Lohngruppe der Zeitarbeit,
verdienen die ZeitarbeitnehmerInnen schon nach kurzer Anlernzeit über €
8,50 und nach neun Monaten Einsatzzeit bis zu € 12,29. Doch der Vergleich hinkt generell: Verglichen
wurden nur die Tariflöhne der Zeitarbeit, ohne die in der Zeitarbeit fast
schon obligatorischen übertariflichen Zulagen mit den Tariflöhnen von
zum Beispiel Metall/Elektro und Chemie, nicht aber tatsächlich gezahlte Löhne. Tariflöhne der Zeitarbeit sind deshalb
vermeintlich „niedrig“, weil diese Tarife für alle Branchen angewandt
werden müssen. So verdient ein erfahrener Facharbeiter € 10,81 (Stand:
bis 10/2013). Verglichen mit der Metall/Elektro-Industrie (ca. € 18,-)
ist das also „niedrig“. Aber verglichen mit dem Sanitär- und
Heizungshandwerk (€ 6,18 Tariflohn), dem Gartenbauhandwerk (€ 7,50
Tariflohn), der Landwirtschaft (€ 6,70 Tariflohn), dem Fleischerhandwerk
(€ 6,31 Tariflohn), dem Hotel- und Gaststättengewerbe (€ 6,90
Tariflohn) oder dem Gebäudereinigerhandwerk (€ 7,56 Tariflohn) ist es
hoch. So hoch, dass Branchenzuschlags-Tarifverträge in zumindest diesen
Branchen obsolet sind. Vom Friseur- oder Floristenhandwerk reden wir erst
gar nicht! In der Zeitarbeit werden fast immer übertarifliche Zulagen
bezahlt, weil man Schlosser, Elektriker, Maler, Schreiner, gelernte Bürokräfte
et cetera einfach nicht für den Zeitarbeits-Tariflohn bekommt. Hier
herrscht in Zeiten des Facharbeitermangels ein „Werben um die Köpfe“
und das regelt Angebot und Nachfrage des Marktes. Bedenkt man, dass cirka 50% aller deutschen
Betriebe nicht mehr an Tarifverträge gebunden sind und nimmt die übertariflichen
Zulagen der Zeitarbeit hinzu, so verliert die Lohn-Schere noch weiter an
Schärfe. Aber auch im Bereich der ungelernten Hilfskräfte ist der
Unterschied nicht hoch. Im Gegenteil! Fast sechs der 42 Millionen
deutschen Arbeitnehmer verdienen weniger als € 8,- Stundenlohn. In der
Zeitarbeit liegt der Mindestlohn bei aktuell € 8,19 (und wird
voraussichtlich ab Oktober diesen Jahres durch Auslaufen der aktuell gültigen
Zeitarbeits-Tarifverträge auch formal die von Gewerkschaften und SPD
geforderten € 8,50 Mindestlohn erreichen oder gar übertreffen).
Verdienten ZeitarbeitnehmerInnen wirklich nur die Hälfte vom
vergleichbaren Stammpersonal, würde das ja bedeuten, dass ungelernte
Hilfskräfte außerhalb der Zeitarbeit durchschnittlich € 16,- und mehr,
gelernte Facharbeiter / Handwerksgesellen / Büroangestellte et cetera €
25,- und mehr verdienen. Und dem ist nicht so. Auch das Zeitarbeitsunternehmen ungefähr das
Doppelte des Stundenlohnes dem Einsatzbetrieb als Stundenverrechnungssatz
berechnen, dient dem Lohndumpingargument. Es wird die Frage aufgeworfen,
warum der Arbeitnehmer nicht zum gleichen Kurs vom Einsatzbetrieb
eingestellt wird. Dabei muss man sich den Verrechnungssatz etwas genauer
ansehen: Der Lohn des Arbeitnehmers macht dabei den größten Teil aus,
doch beziffert der Restbetrag keineswegs den Gewinn; den zweitgrößten
Anteil neben den Lohnkosten bilden die Lohnnebenkosten und
Sonderleistungen (inklusive Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Urlaub und
Feiertag, Einmalzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Mutterschutz,
Fahrtkostenerstattung...), sowie die Gemeinkosten (Verwaltung, Recruiting,
Marketing...). Ein vernünftiger Kostenplan bezieht das Risiko eines
Nichteinsatzes, bei dem die Zeitarbeiter ihren Lohn selbstverständlich
fortgezahlt bekommen, mit ein. Und erst dann lässt sich die Gewinnmarge
mit einem einstelligen Prozentsatz beziffern. Lohndumping wird heute allerdings betrieben,
indem man auf die kostenintensive Zeitarbeit verzichtet und die Arbeiten
durch Umgehung von Tarifverträgen über Schein-Werkverträge und/oder mit
Schein-Selbstständigen abwickelt. Um echtes Lohndumping zu verhindern,
braucht es einen Mindestlohn. Hier liegt die Verantwortung bei der
Politik. Vorurteil: Equal Pay geht doch auch in
Frankreich und den Niederlanden – offenbar will man das in
Deutschland nicht! Natürlich
könnte man Equal Pay grundsätzlich auch in Deutschland einführen. Aber
es stellt sich tatsächlich die Frage: Will man das? Denn wenn man A zu
Equal Pay sagt, muss man auch bereit sein B zu sagen. Das meint: In
Frankreich und den Niederlanden gilt in der Zeitarbeit das sogenannte Agenturmodell.
Hier werden ZeitarbeitnehmerInnen für einen einzigen Auftrag eingestellt.
Dabei beträgt die durchschnittliche Dauer eines Zeitarbeitseinsatzes in
Frankreich gerade einmal zwei
Wochen. Endet dieser, ohnehin schon sehr kurzfristige Auftrag,
ist das Beschäftigungsverhältnis – ohne dass es einer Kündigung
bedarf – sofort wieder beendet. Überdies erhalten die
ZeitarbeitnehmerInnen keine Lohnfortzahlung bei Krankheit, Feiertag oder
Urlaub, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, kein VWL, kein nichts!
Dieses Agenturmodell hat also etwas von „Hire and Fire“ und modernem
Tagelöhnertum und mit der deutschen Zeitarbeit zum Glück nichts zu tun. Denn
in Deutschland gilt das Arbeitgebermodell:
Hier sind die ZeitarbeitnehmerInnen in aller Regel unbefristet und voll
sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Inklusive Entgeltfortzahlung
bei Krankheit, Urlaub und Feiertag, Einmalzahlungen wie Urlaubs- und
Weihnachtsgeld, Mutterschutz. Also im Rahmen aller Arbeitsschutzgesetze,
wie sie auch für alle anderen Arbeitnehmer gelten. Das ist ein enormer
Unterschied. Fielen die Kosten für Entgeltfortzahlung und Einmalzahlungen
et cetera weg, wäre auch hier ein Equal Pay möglich. Aber wer kann das
sozialpolitisch ernsthaft wollen? Zudem kommen ZeitarbeitnehmerInnen zu zwei
Dritteln aus der Arbeitslosigkeit und verfügen nicht selten über
Hemmnisse, die ihnen den Eintritt in den „normalen“ Arbeitsmarkt
verwehren. Gebrochene Lebensläufe, Alter, Mangel an sozialen Kompetenzen,
Qualifikationsdefizite oder zum Beispiel im Handwerksbereich das simple
Fehlen eines Führerscheines, sind hier oft Kriterien, die es den
Betrieben schwer macht, solche Mitarbeiter zu beschäftigen. Denn dadurch
fehlt es Ihnen oft an Leistungsfähigkeit; sie erzielen nicht die gleiche
Produktivität. Der im ersten Moment so fair und gerecht
klingende Spruch „gleiche Arbeit, gleiches Geld“ sollte also besser
„gleiche Leistung/Produktivität/Wertschöpfung, gleiches Geld“
lauten. Es stellt sich außerdem die Frage: Was ist
gleiche Arbeit? Gerne wird das Beispiel vom Schlosser bei Mercedes
herangezogen, welcher die linke Autotür einbaut und vom Zeitarbeiter, der
die rechte Türe einbaut. Aber schauen wir uns mal den Markt ein wenig
weitblickender an: Der Mercedes-Schlosser erhält für seine Tätigkeit um
die € 19,- Stundenlohn. Für die gleiche Arbeit (Einbauen der rechten
Autotür) erhält ein Schlosser aber zum Beispiel bei ATU gerade einmal
noch die Hälfte. Mercedes verkauft Autos in die ganze Welt; ihre Produkte
sind gefragt und sie verdienen sehr viel Geld mit ihren Produkten. Anders
gesagt: Das Verhältnis zwischen dem Output und dem Input eines von
Mercedes hergestellten PKWs ist hoch. Daraus resultiert eine hohe Wertschöpfung.
ATU kalkuliert mit niedrigen Preisen, die Wertschöpfung ist am Ende längst
nicht so hoch wie bei Mercedes. Mercedes kann deshalb hohe Löhne vergüten,
ATU dagegen nicht. Löhne können deshalb nie „gerecht“ sein, wohl
aber angemessen. Hieran erkennt man: Es kann nicht um „gleiche Arbeit“
gehen, sondern nur um „gleiche Leistung/Produktivität/Wertschöpfung“! Folgt man diesen Gedanken nicht, braucht man
nur nach Frankreich, Spanien oder Italien zu schauen um die Konsequenzen
zu erkennen: 50% Arbeitslosigkeit bei jungen und alten Facharbeitern. Vorurteil: Die Übernahmequote liegt nur bei marginalen 7%! Zeitarbeit
ist nicht nur, aber auch ein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Sie nimmt
neben der Funktion als Flexibilitätspuffer weitere Aufgaben wahr, zum
Beispiel das Wiedereingliedern von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Dabei
ist alleine die Tatsache, dass ehemalige Arbeitslose in der Zeitarbeit
eine Beschäftigung finden, schon ein Erfolg. Doch für viele geht der Weg
weiter in die Stammbetriebe. Gewerkschaften und linke Parteien monieren,
dass dies mit nur 7% zu selten funktioniere. Die Erhebung
(11. AÜG-Bericht, S. 54), die diese 7% markierte, stammt aus dem Jahre
2008. Der Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise, in deren Folge auch
die deutsche Wirtschaft abschmierte. In einer schlechten konjunkturellen
Lage stellen Betriebe kaum ein; sie entlassen eher. Die „Klebequote“,
also die Zahl der ZeitarbeitnehmerInnen, die zum Einsatzbetrieb
wechselten, mag deshalb tatsächlich bei 7% gelegen haben. In
Zeiten guter Konjunktur stellen Betriebe jedoch deutlich mehr ein.
Infolgedessen steigt auch die Klebequote. Gemäß Mittelstandsbarometer
des Zeit-Arbeitgeberverbandes iGZ liegt die Klebequote
(gemessen in sechs Befragungen; vom III. Quartal 2011 bis aktuell) bei über
30%. Diese Zahl sinkt in Zeiten normaler Konjunktur kaum. Eine Klebequote
von 25% scheint deshalb über die Jahre und verschiedenen Konjunkturzyklen
realistisch. Vorurteil: Zeitarbeit schafft Armut! Armut
ist relativ und zunächst einmal nur eine statistische Rechengröße. Grob
gesagt: Als arm gilt, wer weniger als 50% des Durchschnittseinkommens
verdient. Gäbe es weniger Reiche, würden diejenigen, die heute als arm
gelten, rein statistisch gesehen nicht mehr als arm gelten, obwohl sich
deren Einkommen nicht verändert. Gäbe es mehr Reiche, würden Menschen,
die heute zum Mittelstand zählen, statistisch als arm gelten. Das soll
nicht bedeuten, dass die Vermögensverteilung in Deutschland oder der EU
in Ordnung ist. Es soll aber zeigen, dass mit dem Begriff Armut in der
politischen Diskussion etwas anderes gemeint ist als das, was sich die
Allgemeinheit unter Armut vorstellt. So (rechnerisch, statistisch)
gesehen, könnte man tatsächlich argumentieren, dass Zeitarbeit Armut
schafft, weil sie zu einem Drittel – und damit mehr, als in jeder
anderen Branche - Arbeit in Bereichen anbietet, die den
Geringqualifizierten den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Dies
ist jedoch zu kurz gesprungen und lässt die andere Seite der Medaille außen
vor, die den Arbeitslosen wenigstens wieder in die Spur gesellschaftlicher
Integration bringt und ihm vielleicht sogar Chancen auf einen
weiteren Schritt eröffnet. Vorurteil: Die Zahl der Aufstocker ist in der Zeitarbeit überdurchschnittlich
hoch! Das
ist kein Vorurteil, das stimmt sogar, impliziert aber einen falschen
Gesamtzusammenhang. Aufstocken ist das Mittel des Sozialstaates, seinen
Bürgern einen Mindestlebensstandard zu garantieren, der sich an der
persönlichen Lebenssituation eines Jeden orientiert - und eben nicht am
Lohn. Ein Mindestlohn wird das Phänomen nicht auflösen, denn je nach
Lebenssituation schwankt der sogenannte „Äquivalenzlohn“: in 2010
betrug er für Alleinstehende (in Bezug auf das Hartz IV Niveau) € 4,50
Stundenlohn, bei einem Alleinstehenden mit Kind unter sieben knapp € 6,-
Stundenlohn. Bei einer Familie mit zwei Kindern lag das Hartz IV Niveau
2010 bei cirka € 1.600,- - also einem Äquivalenzlohn von ca. € 10,-
Stundenlohn (alle Beträge netto). Im
Übrigen ist die Höhe des Aufstockungsbetrages bei einem Mindestlohn von
€ 8,19 Stundenlohn (brutto) in der Zeitarbeit in der Regel recht gering.
Die hohe Zahl an Aufstockern (nicht nur in der
Zeitarbeit) weist jedoch oft auf ein immanentes gesellschaftspolitisches
Problem hin: ein schlechtes Bildungs- und Weiterbildungssystem. Die
Politik sollte das Grundübel an der Wurzel packen und das Bildungssystem
in den Fokus nehmen, statt Zeitarbeit weiter zu reglementieren, deren
„Abschaffung“ die betroffenen Menschen nicht weiter brächte als zur nächsten
Arbeitsagentur. Vorurteil: Zeitarbeit ist prekäre Beschäftigung! Unter
prekärer Arbeit versteht man untypische, weitgehend ungeschützte und
unsichere Beschäftigungsverhältnisse. Dazu zählt man befristete Beschäftigungsverhältnisse,
weil man als ArbeitnehmerIn nicht weiß, wie es nach Befristungsende
weiter geht und Schein-Selbstständigkeit, weil die soziale Absicherung
fehlt. Geringfügige
Beschäftigungsverhältnisse können dazu zählen, wenn die Geringfügigkeit
nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt, sondern der Job nur so vom
Arbeitgeber angeboten wird und man diesen annimmt, weil man keine
Vollzeitstelle findet. Niedriglohnjobs
sind der Klassiker, weil man von zum Beispiel € 6,- Stundenlohn seinen
Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Da in der Zeitarbeit in der
untersten Lohngruppe „nur“ € 8,19 vergütet werden, können auch
Teile der Zeitarbeit prekär sein; keinesfalls aber die Zeitarbeit in Gänze. Zeitarbeit
gilt zwar qua Definition als atypisch, aber als untypisch ist
Zeitarbeit mit fast 800.000 ArbeitnehmerInnen in einer globalisierten und
auf Flexibilität ausgerichteten Arbeitswelt wohl nicht mehr zu
bezeichnen. Die Zahlen aus dem 11.
AÜG-Bericht (aus 2008; Erhebungszeitraum: 2004-2008), wonach
die Hälfte aller ZeitarbeitnehmerInnen weniger als drei Monate und 75%
weniger als sechs Monate zum Zeitpunkt des Ausscheidens beschäftigt
waren, sind aber mit Vorsicht zu genießen: Zu bedenken ist nämlich, dass
bei der Zählung der Beschäftigungsdauern nur beendete Beschäftigungsverhältnisse
mitgezählt wurden; die durchschnittliche Beschäftigungsdauer ist somit höher
als im 11. AÜG-Bericht angegeben, denn langanhaltende, eben noch nicht
beendete Beschäftigungsverhältnisse, werden ausgeklammert. Allerdings kann man zumindest dann nicht
ernsthaft von sicheren Beschäftigungsverhältnissen sprechen, wenn
ZeitarbeitnehmerInnen nach nur einem Einsatz wieder gekündigt werden.
Diese synchronen Beschäftigungsverhältnisse entsprechen nicht dem
Arbeitgebermodell. Das ist zu kritisieren, denn der Tarifvorbehalt hat
gerechter- und vor allem sinnvollerweise für echte Zeitarbeit mit
Einsatzwechseltätigkeit zu gelten und nicht für Schein-Zeitarbeit. Zeitarbeit ist in seiner Ausgestaltung aber
vielschichtiger. Einerseits ist sie ein Sprungbrett in feste Beschäftigung.
Man kann ihr die geringe Beschäftigungsdauer nicht redlich vorwerfen,
wenn die Beschäftigten im Rahmen des Klebeeffektes in „feste“
Betriebe wechseln. Andererseits gibt es viele
Zeitarbeitsunternehmen, die ihre Mitarbeiter über Jahre beschäftigen.
Dabei gelten selbstverständlich sämtliche Arbeitsgesetze auch für
ZeitarbeitnehmerInnen. Der deutlich überwiegende Teil der Beschäftigungen
arbeitet zudem in Vollzeit, unbefristet und voll
sozialversicherungspflichtig. Vorurteil: Zeitarbeit macht krank! Die
Krankenquote in der Zeitarbeit ist tatsächlich höher als in der übrigen
Wirtschaft (Zahlen
aus 2010: Zeitarbeiter 15 Tage AU; andere Beschäftigte 11,5 Tage).
Hier werden aber Äpfel mit Birnen verglichen: In der Zeitarbeit sind zum
überwiegenden Teil Mitarbeiter aus der Industrie oder dem Handwerk beschäftigt.
Dass ein Schreiner oder ein Schlosser ein im Vergleich zu Bürobeschäftigten
höheres Krankheits- beziehungsweise Unfallrisiko hat, leuchtet wohl jedem
ein. Wie verlogen die Kritik an
der Zeitarbeit ist, zeigt aber auch die Beobachtung, dass sich
Gewerkschaften wie Arbeitgeber auf die Schulter klopfen, weil sie hohe Löhne
für die untersten Lohngruppen verhandelt haben. Das lässt sich als
sozial verkaufen. Fakt ist aber, dass die unteren Lohngruppen des
Einsatzbetriebes in erster Linie über Zeitarbeit rekrutiert werden, der
hohe Lohn also vielfach gar nicht erst zur Auszahlung kommt. Heißt: In
Betrieben mit einer hohen Rate an Arbeitsplätzen für ungelernte Hilfskräfte,
ist der Anteil an Zeitarbeitskräften hoch. Und gerade hier sind
ArbeitnehmerInnen besonders
häufig körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt.
Anders gesagt: Einsatzbetriebe setzen ZeitarbeitnehmerInnen häufig in
besonders krankheits- und unfallgefährdeten Bereichen ein. Damit schieben
sie das Problem der hohen Krankenraten und Unfallhäufigkeit den
Zeitarbeitsunternehmen geschickt unter, die in der Folge nicht nur diesem
Vorwurf ausgesetzt sind, sondern natürlich auch das Risiko der
Entgeltfortzahlungen zu tragen haben. Vorteil Zeitarbeit: Zeitarbeit
ist eine normale Beschäftigungsform. Der Unterschied liegt lediglich im
Dreiecksverhältnis und in der Einsatzwechseltätigkeit. Die
Volkswirtschaft braucht Flexibilitätspuffer um in einer globalisierten
Welt bestehen zu können. Das ihr zugewiesene Feindbild hilft vielleicht
Gewerkschaften, neue Mitglieder zu rekrutieren, schadet aber dem
Arbeitsmarkt insgesamt. Am AÜG vorbei agierende Unternehmen entsprechen
in ihrem Handeln jedoch kriminellen Machenschaften und gehören spürbar
sanktioniert. BA-Chef Weise dazu: „Wenn
das Gefühl für Anstand, Ethik und Moral verloren geht, dann braucht man
unglaublich viele Regeln. Genau auf diesem Weg sind wir. Aber so lösen
wir die Probleme nicht, denn die nächste Regelung wird dann wieder
unterlaufen." Auch
wenn viele Vorurteile nicht stimmen, ist längst noch nicht alles Gold in
der Zeitarbeit, was glänzt. Viele Verbesserungen wurden bereits auf den
Weg gebracht. Die ehemalige Wild-West-Branche Zeitarbeit, in der
Goldkettchenträger ein Sklavenhalterimage aufbauten, ist in der
Vergangenheit durch Einführung der Tarifverträge, der Ausbildung zum/zur
Personaldienstleistungskaufmann/-frau, der Einführung des Mindestlohnes
und der Branchenzuschläge sowie dem Wegfall der Schein-Gewerkschaften und
deren unsäglichen Haus-Tarifverträgen bereits hinreichend domestiziert
worden. Nahezu 100% aller Zeitarbeitsunternehmen sind tarifgebunden; der
Markt regelt nicht alles, aber da, wo Tarife funktionieren, sollte sich
der Staat zurückhalten. Noch
bestehende Missstände könnten wie folgt beseitigt werden: ü
Die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes ist zumindest
diskutabel. Zwar ist eine weitere Reglementierung kaum wünschenswert,
aber wenn sich die Branche mit Verweis auf das Arbeitgebermodell vom französischen
Equal-Pay distanzieren möchte, dann muss die Einsatzwechseltätigkeit
auch gelebt werden. ü
Genauer definierte Entgeltgruppenbeschreibungen in den
Zeitarbeits-Tarifverträgen würden helfen, Falscheingruppierungen zu
verhindern. ü
Scheinwerkverträge dürfen nicht mehr den Schutz des AÜG genießen. ü
Konzerninterne Zeitarbeit ist auf Dauer ausgelegt und nicht
„vorübergehend“. Sie ist daher nach dem geltenden AÜG so ohnehin
nicht mehr erlaubt; zumindest aber sollte hier der Tarifvorbehalt
gestrichen werden. ü
Kurzarbeit in der Zeitarbeit ist notwendig. Es gibt keinen Grund
eine normale Branche auszunehmen - davor schützt das Grundgesetz. ü
Das mittlerweile grundlose und längst überholte Verbot der Überlassung
ins Bauhauptgewerbe ist aus dem selben Grund aufzuheben. ü
Last
but not least: Der Begriff „Leiharbeit“ ist durchgängig durch einen
wertneutralen Begriff wie „Zeitarbeit“ oder besser noch
„Arbeitnehmerüberlassung“ zu ersetzen. Leihe ist dem BGB nach
kostenlos, Zeitarbeit betreibt aber gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung.
Zudem können nur Dinge und Sachen ent- und verliehen werden, nicht aber
Menschen. Vor allem aber: Der Begriff Leiharbeit diskriminiert die
ZeitarbeitnehmerInnen, denn er ist abwertend besetzt. Ob die Umsetzung dessen die Kritiker endgültig verstummen lassen wird, bleibt fraglich und unser Ansatz zeigt, dass das Thema Zeitarbeit zu komplex ist für einfache Lösungen. Doch scheuen wir uns nicht, immer weiter nach Verbesserungen zu streben.
|
|
Zu den Autoren: | |
|
Thomas Altmann ist Mitglied der Geschäftsleitung der in Oberhausen ansässigen Hoffmann Personaldienstleistungsgruppe. Er ist seit knapp 25 Jahren in verschiedenen Positionen in der Zeitarbeit tätig und engagiert sich ehrenamtlich im Zeitarbeitgeberverband iGZ als Regionalkreisleiter für das westliche Ruhrgebiet und in der Tarifkommission. |
|
|
Thorsten Rensing, Co-Autor, ist Management Partner bei Loh + Team Consulting und Inhaber eines regionalen Zeitarbeitsunternehmens in Köln. Er studierte Lehramt an der Universität zu Köln und in einem Zweitstudium Wirtschaftsjura an der EURO FH und Boston Law School. Seit 2000 ist er der Zeitarbeit in verschiedenen leitenden Funktionen mit kaufmännischen und organisatorischen Fragen verbunden. Seit 2012 ist er Dozent beim iGZ und der ZP1 Akademie für Zeitarbeit in den Bereichen Branchenzuschlagtarifen, Kalkulation und Strategieentwicklung. | |
|
|
Stefanie Klief, Co-Autorin und Lektorat, ist Juristin und Wissenschafts-redakteurin. Insgesamt 20 Jahre Erfahrung mit und in (inhabergeführter) Zeitarbeit schärften ihren Fokus auf Personaldienstleistungen. Als freiberufliche Lektorin und Texterin bündelt sie ihre Sachkenntnis in ihrem Angebot für Zeitarbeitsunternehmen: www.lektoratexten.de |