Experten
bewerten Konsequenzen der Arbeitnehmerfreizügigkeit
unterschiedlich
Die möglichen Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarkt aus
der zum 1. Mai in Kraft tretenden Arbeitnehmerfreizügigkeit in
der Europäischen Union bewerten Experten unterschiedlich. Dies
wurde bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
am 4. April deutlich. Gegenstand der Anhörung waren Anträge
der SPD-Fraktion ”Faire Mobilität und soziale Sicherung –
Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai
2011 schaffen“ (17/4530) und der Fraktion Die Linke ”Arbeitnehmerfreizügigkeit
sozial gestalten“ (17/5177).
Die
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände rechnet in
ihrer Stellungnahme nicht damit, dass es nach dem 1. Mai 2011 zu
Nachteilen auf dem deutschen Arbeitsmarkt kommt. Ӏngste vor
der Freizügigkeit sind dementsprechend ebenso unbegründet wie
die Forderung nach pauschalen Einschränkungen wie
beispielsweise durch die Einführung eines flächendeckenden
Mindestlohns“, heißt es. Mit einem großen Ansturm auf den
deutschen Arbeitsmarkt sei nicht zu rechnen, da ”der
wirtschaftliche Aufholprozess in den EU-8-Staaten so dynamisch
fortschreitet.“
Der
Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt hingegen vor Lohndumping
durch die Öffnung des Arbeitsmarktes, ”insbesondere in
Branchen mit niedriger Tarifbindung“ und fordert die
Einführung ”eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in
Höhe von 8,50 Euro“ sowie eine ”flächendeckende Kontrolle
der Einhaltung von Mindestlöhnen und weiterer
Arbeitsbedingungen.“ Hierfür sei eine erweiterte
Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber notwendig. Zur
Verhinderung ”eines weiteren Missbrauchs der Leiharbeit“
fordert der DGB die Durchsetzung des Grundsatzes ”Equal Pay“.
Der Deutsche Rentenversicherung Bund schreibt in der
Stellungnahme, die Scheinselbstständigkeit sei vor allem ”als
Reaktion auf die Freizügigkeitsbeschränkung für Arbeitnehmer
aus den zum 1. Mai 2004 beigetretenen osteuropäischen Ländern
aufgetreten“. Da diese Beschränkungen mit dem 1. Mai 2011
entfielen, ”dürfte sich das Problem der
Scheinselbstständigkeit ab diesem Zeitpunkt zumindest
reduzieren“. Das Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte
betont in seinem Papier, insbesondere in Branchen wie Bau oder
Pflege zeige sich in der Beratungspraxis, dass trotz der Geltung
des allgemein verbindlichen Mindestlohns rechtliche Lücken
bestünden, die durch Unternehmen ”häufig und gerne“
genutzt würden, um die Mindestlohngrenze zu unterschreiten.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bezeichnet
Forderungen, die Löhne von Leiharbeitnehmern nach einer
gewissen Frist an die Bezahlung der Kollegen in den
Entleihbetrieben anzupassen, zwar als ”nachvollziehbar“.
Eine vollständige Anpassung nach einer festgelegten Frist berge
jedoch den gravierenden Nachteil, dass diese ein
Umgehungsverhalten seitens der Zeitarbeits- und Entleihbetriebe
fördere. Daher schlägt das IAB eine sukzessive Anpassung der
Löhne vor. ”Möchte man Lohnangleichungen nach einer
kürzeren Frist zulassen und gleichzeitig die genannten
Ausweichreaktionen der Betriebe möglichst gering halten, so
wäre eine stufenweise Anpassung der Löhne möglicherweise
zweckmäßiger“, heißt es in der Stellungnahme. (hib)
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