Rechtsanwälte
Heiko Greulich und Christian Andorfer
Nationale
Genehmigungspflicht bei Leiharbeitsunternehmen: Auswirkungen des
EuGH-Urteils C-441/23
Die
Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 19. November 2008 verfolgt das Ziel, den Schutz von
Leiharbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union auf
einheitliche Weise sicherzustellen. Ein zentraler Aspekt dieser
Regelung ist die Definition des Begriffs
"Leiharbeitsunternehmen". Die entscheidende
Fragestellung im vorliegenden Fall war, ob ein Unternehmen, das
Arbeitskräfte an Dritte überlässt, auch dann als
Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie gilt, wenn es keine
nationale behördliche Genehmigung besitzt.
I.
Sachverhalt
Die
Klägerin absolvierte zunächst ein Berufspraktikum bei Microsoft.
Im Anschluss daran war sie zwischen 2011 und 2017 in
aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen bei verschiedenen
Unternehmen tätig, die jeweils im Rahmen von
Dienstleistungsverträgen mit Microsoft kooperierten. Während sie
im Jahr 2017 auf Grundlage eines Arbeitsvertrags als
Unternehmensberaterin Marketingdienstleistungen für Microsoft
erbrachte, wurde sie im Zuge einer Budgetkürzung nach ihrem
Mutterschaftsurlaub gekündigt.
Sie
klagte gegen die Kündigung und argumentierte, diese sei aufgrund
ihrer Schwangerschaft diskriminierend und verstoße gegen die
Richtlinie 2008/104/EG sowie gegen die Richtlinie 2006/54/EG zur
Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Die zentrale Rechtsfrage
im Prozess bestand darin, ob ihr Arbeitgeber als
Leiharbeitsunternehmen zu betrachten sei, obwohl er nicht über
die erforderliche nationale Genehmigung verfügte.
II.
Definition des Begriffs "Leiharbeitsunternehmen"
Der
Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte klar, dass die Richtlinie
2008/104/EG jede natürliche oder juristische Person erfasst, die
mit Arbeitnehmern Arbeitsverträge schließt, um diese einem
entleihenden Unternehmen für einen befristeten Einsatz unter
dessen Leitung und Aufsicht zur Verfügung zu stellen. Dabei ist
unerheblich, ob das Unternehmen nach nationalem Recht formal als
Leiharbeitsunternehmen eingestuft ist oder über eine
entsprechende behördliche Genehmigung verfügt.
Der
Gerichtshof unterstrich, dass die Richtlinie weder ausdrücklich
noch im Kontext verlangt, dass eine nationale Genehmigung zur
Einstufung als Leiharbeitsunternehmen vorliegen muss. Die
nationale Regulierung bezieht sich primär auf die Formalitäten
beim Abschluss von Arbeitsverträgen und nicht auf die
grundsätzliche Definition des Leiharbeitsunternehmens.
Die
EuGH-Richter betonten, dass die Richtlinie 2008/104/EG darauf
abzielt, Leiharbeitnehmer in allen Mitgliedstaaten vor
Benachteiligungen zu schützen. Würde man die Anwendung dieser
Regelung von einer behördlichen Genehmigung abhängig machen,
bestünde die Gefahr eines fragmentierten Schutzniveaus innerhalb
der Union. Die Arbeitnehmerrechte stünden jedoch im Mittelpunkt
des Regelwerks, nicht die formale Anerkennung eines Unternehmens.
Im
Urteil wurde zudem auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 5
Abs. 1 der Richtlinie verwiesen. Dieser verlangt, dass die
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