Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
BEG
IV: Die Schriftform geht, die Textform für
Arbeitnehmerüberlassungsverträge kommt!
Der
Weg war steinig, der politische Prozess dürfte als eher zäh zu
bezeichnen sein, wenn man über das "Vierte Gesetz zur
Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der
Verwaltung von Bürokratie", das sog. BEG IV,
nachdenkt.
Seitdem
die Bundesregierung auf deren Kabinettsklausur in Meseberg im
August 2023 beschlossen hat, den Bürokratieaufwand insbesondere
für Unternehmen zu verringern, ist inzwischen über ein Jahr
vergangen – doch der Weg ist das Ziel.
Und
für die Zeitarbeitsbranche hat sich das Warten durchaus gelohnt.
§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG, der seit 1972 nicht "angepackt"
worden ist, wird inhaltlich geändert – nach über 50 Jahren.
Nachdem der Bundestag in zweiter und dritter Lesung am 26.09.2024
zugestimmt hat, passierte das Gesetz am 18.10.2024 den Bundesrat.
Zukünftig lautet die Vorschrift wie folgt (Art. 55 BEG IV):
"Der
Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der
Textform."
1.
Bisherige Rechtslage
Bislang
erforderte der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag grundsätzlich
eine Originalunterschrift beider Parteien, also "wet ink"
(Schriftform gem. § 126 BGB). Gerade bei kurzfristigen
Personalabfragen stellte das Formerfordernis eine Herausforderung
für die Praxis dar. Es wurden Boten geschickt, um vor dem
Einsatzbeginn noch rechtzeitig die Unterschrift des Kunden unter
den Vertrag zu bekommen – viel Zeit und Aufwand. Wichtig ist
dabei: die bloße Unterzeichnung des
Arbeitnehmerüberlassungsvertrages durch beide Parteien ist nicht
ausreichend. Die jeweilige Willenserklärung der einen Partei
(Angebot bzw. Annahme) muss der jeweils anderen Partei auch
zugegangen sein, d.h. diese muss so in deren Herrschaftsbereich
gelangt sein, dass sie zumindest die Möglichkeit der
Kenntnisnahme von dem Inhalt hatte.
Zwar
kann die Originalunterschrift durch eine qualifizierte
elektronische Signatur (§ 126a BGB) ersetzt werden; über dieses
Vorgehen kann zumindest der Faktor "Zeit" in den Griff
bekommen werden. Arbeitnehmerüberlassungsverträge können mit
der qualifizierten elektronischen Signatur recht spontan
geschlossen werden. Indes: eine flächendeckende Verbreitung hat
dieses Vehikel nicht erfahren. (Vorgeblich) zu kompliziert, zu
teuer – oftmals war die IT-Infrastruktur des Kunden auf einen
solchen Prozess schlicht nicht ausgelegt.
Darüber
hinaus wurden in der Praxis Vertragsmodelle entwickelt, die einen
kurzfristigen Personalbedarf abbilden konnten, nämlich sog.
Vollmachtmodelle (der Personaldienstleister zeichnet den
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag für sich und in Vollmacht für
den Kunden als sog. Insichgeschäft) oder ein Rahmenvertrag mit
einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kunden. Beide
Vertragsstrukturen haben sich bewährt, zumindest wenn diese
"vernünftig" aufgesetzt worden sind. Auch die
Prüfbehörden akzeptieren selbige, jedoch haben diese ihre
Tücken:
Kunden
ist das Vollmachtmodell – aus vertrieblicher Sicht – oftmals
nur schwer vermittelbar gewesen. Gerade in Konzernstrukturen gibt
es regelmäßig ausführliche Unterschriftenregelungen. Da fällt
es schwer, einen externen Dritten mit einer Vollmacht zu einem
Vertragsschluss auszustatten, der zu dessen Gunsten wirkt. Man
wird doch den Bock nicht zum Gärtner machen wollen, so hieß es
vielfach. Freilich ist die Erwägung unbegründet, da das
Vollmachtmodell in der Regel limitierende Bestimmungen enthält,
durch die festgelegt wird, wann der Dienstleister überhaupt
bevollmächtigt ist oder wann er von der Vollmacht Gebrauch machen
darf.
Der
Rahmenvertrag mit Leistungsbestimmungsrecht kann aus Sicht des
Personaldienstleisters nachteilig sein, kann doch der Kunde
einseitig eine verbindliche Liefer- bzw. Leistungspflicht zu
Lasten des Zeitarbeitsunternehmens auslösen, bei deren Verletzung
sich dieses gegenüber dem Kunden schadensersatzpflichtig machen
kann, z.B. bei einer Nichtlieferung der rechtsverbindlich
angefragten Anzahl an Zeitarbeitnehmern. Auch dieses Modell wird
in der Praxis aber nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird,
da das Risiko des Personaldienstleisters durch vertraglich
festgelegte Maximalkontingente, Vorlauffristen etc. regelmäßig
eingehegt werden kann.
Letztlich
hat die Zeitarbeit als dynamische, flexible, kreative und
erfindungsreiche Branche damit Mittel und Wege gefunden, mit dem
strengen Schriftformerfordernis umzugehen – und sie tat gut
daran, da ein Verstoß dagegen durchaus als erheblich und
eingriffsintensiv zu bezeichnen ist. Neben erlaubnisrechtlichen
Maßnahmen, u.a. der Widerruf der Erlaubnis, können
Bußgeldtatbestände verwirklicht und ungewollt
Arbeitsverhältnisse zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer
fingiert werden. Letztgenannte Rechtsfolge hat das BAG jüngst
ausdrücklich bestätigt, indem es festgestellt hat, dass die
Erfüllung der Offenlegungs- und der Konkretisierungspflicht nach
§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG das Bestehen eines formwirksamen
Arbeitnehmerüberlassungsvertrags im Zeitpunkt des
Überlassungsbeginns voraussetzt. Ist dies nicht der Fall, kommt
es zur Fiktionswirkung (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 Abs. 1 AÜG) –
(Urt. v. 05.03.2024 – 9 AZR 204/23) – damit hat in erster
Linie der Kunde und in zweiter Linie der Personaldienstleister den
Salat.
Gerade
mit Blick auf erlaubnisrechtliche Konsequenzen, die der Verstoß
gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht bei dem
Abschluss von formunwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen
mit sich bringen kann, muss aber ebenfalls der
Personaldienstleister ein eigenes Interesse daran haben, diesen
"sauber" und formgerecht unter Wahrung der Schriftform
abzuschließen.
2.
Zukünftige Rechtslage
Dies
wird in Zukunft erheblich erleichtert. Die Textform kommt und gilt
für den Abschluss, aber auch für die Anpassung eines
Arbeitnehmerüberlassungsvertrages.
Künftig
sollen laut Gesetzesbegründung für solche Vertragsschlüsse
durch die Mindestanforderung Textform für den
Personaldienstleister und den Kunden Aufwand und Kosten weiter
reduziert werden können. Mit der Änderung können
Überlassungsverträge zukünftig z.B. per EMail abgeschlossen
werden. Dies stellt insbesondere für kleine und mittlere
Unternehmen eine deutliche Erleichterung dar. Das
Arbeitsvertragsverhältnis des Zeitarbeitnehmers ist von der
Änderung nicht berührt (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).
Damit
kommt der Gesetzgeber – so heißt es in der Gesetzesbegründung
weiter – Wünschen der Praxis nach. Unangemessene negative
Folgen, insbesondere für den Schutz der Kunden, sind durch den
Wegfall des Schriftformerfordernisses und dessen Warn- und
Beweisfunktion nicht zu erwarten. § 126b BGB bestimmt, dass –
wenn die Textform durch Gesetz vorgeschrieben ist – eine lesbare
Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf
einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Dadurch,
dass der Inhalt des Überlassungsvertrags bei der Abfassung in
Textform dauerhaft in Schriftzeichen wiedergegeben werden kann,
wird dem Schutzbedürfnis der Kunden vor unseriösen
Personaldienstleistern sowie dem Arbeitsschutz ausreichend
Rechnung getragen. Darüber hinaus soll der Übergang von der
Schrift- zur Textform für den Überlassungsvertrag erhebliche
Entlastungseffekte für die Wirtschaft von rund 30 Millionen EUR
jährlich realisieren (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).
Aber
was heißt "Textform" konkret? Gemeint ist dabei § 126b
BGB, der – etwas kryptisch – wie folgt lautet:
"Ist
durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare
Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf
einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.
Ein
dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger
ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn
persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu
speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck
angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die
Erklärung unverändert wiederzugeben."
Übersetzt
bedeutet dies Folgendes (nachfolgend nach: Jauernig/Mansel, §
126b BGB Rn. 2):
Die
Erklärung muss lesbar sein; eine mündliche Erklärung, z.B. auf
einem Anrufbeantworter, ist mangels Lesbarkeit ungenügend. Seit
dem 13.06.2014 besteht ein ausdrückliches gesetzliches
Erfordernis der Speicherung auf einem dauerhaften Datenträger.
Der Begriff wird in § 126 b S. 2 BGB legaldefiniert. Datenträger
können dabei insbesondere sein: Papier, elektronische
Speichermedien wie CD-ROM, (externe) Festplatte, USB-Stick,
Computerfax, E-Mail, SMS, Speicherkarten oder ein Fax.
Die
Person des Erklärenden muss bezeichnet (durch den Namen oder eine
andere individualisierte Bezeichnung, wie Spitzname oder
Funktionsbezeichnung, z.B. "Entleiher") und der
Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden. Kein
erforderlicher Abschluss liegt vor, wenn die Erklärung in Form
einer Datei als Anhang einer E-Mail versendet wird, aber die
Erklärung selbst keinen Abschluss hat. (...)
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