Heft 10/2024

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Das aktuelle Heft

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 10/24 - Inhalt

  • Deutsche Wirtschaft überraschend gewachsen

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven BEG IV: Die Schriftform geht, die Textform für Arbeitnehmerüberlassungsverträge kommt!

  • Gerechte Personalpolitik als Antwort auf den Fachkräftemangel

  • „Es besteht keine Gefahr des Lohndumpings, da die Zeitarbeit eine zu fast 100% tarifgebundene Branche ist“

  • IAB-Arbeitsmarktbarometer weiter ohne klare Richtung

  • Hays-Studie Green Business – Grüne Transformation: Personal- und Know-how-Lücke als größte Barriere

  • Arbeitsmarkt: Fast 20 Millionen Erwerbstätige erreichen bis 2036 das Renteneintrittsalter

  • ARWA Personaldienstleistungen GmbH übernimmt die arcus.plan AG

  • Destatis: 13 % der Rentnerinnen und Rentner im Alter von 65 bis 74 Jahren sind erwerbstätig

  • Thomas Schenk wird CEO bei SYNERGIE Deutschland....................11 ifo Geschäftsklimaindex gestiegen

  • Das Beschäftigungswachstum in der Pflege wird inzwischen ausschließlich von ausländischen Beschäftigten getragen

  • IAB-Prognose für 2024/2025: Zähe Wirtschaftsschwäche beeinträchtigt zunehmend den Arbeitsmarkt

  • Trotz Anstieg der Teilzeitbeschäftigung: Führung bleibt Vollzeitaufgabe

  • Konjunktur im Herbst: Deutsche Wirtschaft verliert den Anschluss – DIHK stellt aktuelle Umfrageergebnisse vor

  • Bundesarbeitsgericht: Überlassungshöchstdauer – Betriebsübergang auf Entleiherseite

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

BEG IV: Die Schriftform geht, die Textform für Arbeitnehmerüberlassungsverträge kommt!

Der Weg war steinig, der politische Prozess dürfte als eher zäh zu bezeichnen sein, wenn man über das "Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie", das sog. BEG IV, nachdenkt. 

Seitdem die Bundesregierung auf deren Kabinettsklausur in Meseberg im August 2023 beschlossen hat, den Bürokratieaufwand insbesondere für Unternehmen zu verringern, ist inzwischen über ein Jahr vergangen – doch der Weg ist das Ziel. 

Und für die Zeitarbeitsbranche hat sich das Warten durchaus gelohnt. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG, der seit 1972 nicht "angepackt" worden ist, wird inhaltlich geändert – nach über 50 Jahren. Nachdem der Bundestag in zweiter und dritter Lesung am 26.09.2024 zugestimmt hat, passierte das Gesetz am 18.10.2024 den Bundesrat. Zukünftig lautet die Vorschrift wie folgt (Art. 55 BEG IV):

"Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Textform."

1. Bisherige Rechtslage

Bislang erforderte der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag grundsätzlich eine Originalunterschrift beider Parteien, also "wet ink" (Schriftform gem. § 126 BGB). Gerade bei kurzfristigen Personalabfragen stellte das Formerfordernis eine Herausforderung für die Praxis dar. Es wurden Boten geschickt, um vor dem Einsatzbeginn noch rechtzeitig die Unterschrift des Kunden unter den Vertrag zu bekommen – viel Zeit und Aufwand. Wichtig ist dabei: die bloße Unterzeichnung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages durch beide Parteien ist nicht ausreichend. Die jeweilige Willenserklärung der einen Partei (Angebot bzw. Annahme) muss der jeweils anderen Partei auch zugegangen sein, d.h. diese muss so in deren Herrschaftsbereich gelangt sein, dass sie zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Inhalt hatte.

Zwar kann die Originalunterschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 126a BGB) ersetzt werden; über dieses Vorgehen kann zumindest der Faktor "Zeit" in den Griff bekommen werden. Arbeitnehmerüberlassungsverträge können mit der qualifizierten elektronischen Signatur recht spontan geschlossen werden. Indes: eine flächendeckende Verbreitung hat dieses Vehikel nicht erfahren. (Vorgeblich) zu kompliziert, zu teuer – oftmals war die IT-Infrastruktur des Kunden auf einen solchen Prozess schlicht nicht ausgelegt.

Darüber hinaus wurden in der Praxis Vertragsmodelle entwickelt, die einen kurzfristigen Personalbedarf abbilden konnten, nämlich sog. Vollmachtmodelle (der Personaldienstleister zeichnet den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag für sich und in Vollmacht für den Kunden als sog. Insichgeschäft) oder ein Rahmenvertrag mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kunden. Beide Vertragsstrukturen haben sich bewährt, zumindest wenn diese "vernünftig" aufgesetzt worden sind. Auch die Prüfbehörden akzeptieren selbige, jedoch haben diese ihre Tücken:

Kunden ist das Vollmachtmodell – aus vertrieblicher Sicht – oftmals nur schwer vermittelbar gewesen. Gerade in Konzernstrukturen gibt es regelmäßig ausführliche Unterschriftenregelungen. Da fällt es schwer, einen externen Dritten mit einer Vollmacht zu einem Vertragsschluss auszustatten, der zu dessen Gunsten wirkt. Man wird doch den Bock nicht zum Gärtner machen wollen, so hieß es vielfach. Freilich ist die Erwägung unbegründet, da das Vollmachtmodell in der Regel limitierende Bestimmungen enthält, durch die festgelegt wird, wann der Dienstleister überhaupt bevollmächtigt ist oder wann er von der Vollmacht Gebrauch machen darf.

Der Rahmenvertrag mit Leistungsbestimmungsrecht kann aus Sicht des Personaldienstleisters nachteilig sein, kann doch der Kunde einseitig eine verbindliche Liefer- bzw. Leistungspflicht zu Lasten des Zeitarbeitsunternehmens auslösen, bei deren Verletzung sich dieses gegenüber dem Kunden schadensersatzpflichtig machen kann, z.B. bei einer Nichtlieferung der rechtsverbindlich angefragten Anzahl an Zeitarbeitnehmern. Auch dieses Modell wird in der Praxis aber nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird, da das Risiko des Personaldienstleisters durch vertraglich festgelegte Maximalkontingente, Vorlauffristen etc. regelmäßig eingehegt werden kann.

Letztlich hat die Zeitarbeit als dynamische, flexible, kreative und erfindungsreiche Branche damit Mittel und Wege gefunden, mit dem strengen Schriftformerfordernis umzugehen – und sie tat gut daran, da ein Verstoß dagegen durchaus als erheblich und eingriffsintensiv zu bezeichnen ist. Neben erlaubnisrechtlichen Maßnahmen, u.a. der Widerruf der Erlaubnis, können Bußgeldtatbestände verwirklicht und ungewollt Arbeitsverhältnisse zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer fingiert werden. Letztgenannte Rechtsfolge hat das BAG jüngst ausdrücklich bestätigt, indem es festgestellt hat, dass die Erfüllung der Offenlegungs- und der Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG das Bestehen eines formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns voraussetzt. Ist dies nicht der Fall, kommt es zur Fiktionswirkung (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 Abs. 1 AÜG) – (Urt. v. 05.03.2024 – 9 AZR 204/23) – damit hat in erster Linie der Kunde und in zweiter Linie der Personaldienstleister den Salat.

Gerade mit Blick auf erlaubnisrechtliche Konsequenzen, die der Verstoß gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht bei dem Abschluss von formunwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen mit sich bringen kann, muss aber ebenfalls der Personaldienstleister ein eigenes Interesse daran haben, diesen "sauber" und formgerecht unter Wahrung der Schriftform abzuschließen.

2. Zukünftige Rechtslage

Dies wird in Zukunft erheblich erleichtert. Die Textform kommt und gilt für den Abschluss, aber auch für die Anpassung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages.

Künftig sollen laut Gesetzesbegründung für solche Vertragsschlüsse durch die Mindestanforderung Textform für den Personaldienstleister und den Kunden Aufwand und Kosten weiter reduziert werden können. Mit der Änderung können Überlassungsverträge zukünftig z.B. per EMail abgeschlossen werden. Dies stellt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine deutliche Erleichterung dar. Das Arbeitsvertragsverhältnis des Zeitarbeitnehmers ist von der Änderung nicht berührt (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).

Damit kommt der Gesetzgeber – so heißt es in der Gesetzesbegründung weiter – Wünschen der Praxis nach. Unangemessene negative Folgen, insbesondere für den Schutz der Kunden, sind durch den Wegfall des Schriftformerfordernisses und dessen Warn- und Beweisfunktion nicht zu erwarten. § 126b BGB bestimmt, dass – wenn die Textform durch Gesetz vorgeschrieben ist – eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Dadurch, dass der Inhalt des Überlassungsvertrags bei der Abfassung in Textform dauerhaft in Schriftzeichen wiedergegeben werden kann, wird dem Schutzbedürfnis der Kunden vor unseriösen Personaldienstleistern sowie dem Arbeitsschutz ausreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus soll der Übergang von der Schrift- zur Textform für den Überlassungsvertrag erhebliche Entlastungseffekte für die Wirtschaft von rund 30 Millionen EUR jährlich realisieren (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).

Aber was heißt "Textform" konkret? Gemeint ist dabei § 126b BGB, der – etwas kryptisch – wie folgt lautet:

"Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.

Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben."

Übersetzt bedeutet dies Folgendes (nachfolgend nach: Jauernig/Mansel, § 126b BGB Rn. 2):

Die Erklärung muss lesbar sein; eine mündliche Erklärung, z.B. auf einem Anrufbeantworter, ist mangels Lesbarkeit ungenügend. Seit dem 13.06.2014 besteht ein ausdrückliches gesetzliches Erfordernis der Speicherung auf einem dauerhaften Datenträger. Der Begriff wird in § 126 b S. 2 BGB legaldefiniert. Datenträger können dabei insbesondere sein: Papier, elektronische Speichermedien wie CD-ROM, (externe) Festplatte, USB-Stick, Computerfax, E-Mail, SMS, Speicherkarten oder ein Fax.

Die Person des Erklärenden muss bezeichnet (durch den Namen oder eine andere individualisierte Bezeichnung, wie Spitzname oder Funktionsbezeichnung, z.B. "Entleiher") und der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden. Kein erforderlicher Abschluss liegt vor, wenn die Erklärung in Form einer Datei als Anhang einer E-Mail versendet wird, aber die Erklärung selbst keinen Abschluss hat.    (...)



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