Dr.
Robert Bauer
Nulldeckelung
von Branchenzuschlägen
Branchenzuschläge
und die als „Deckelung“ bekannte Möglichkeit, die Höhe des
Zuschlags auf das Vergütungsniveau der vergleichbaren
Stammmitarbeiter zu begrenzen, gibt es bereits seit 2012. Dabei
war das „Vergütungsniveau der vergleichbaren
Stammmitarbeiter“ als deren Grundstundenlohn abzüglich 10%
definiert. Lag das so ermittelte Vergleichsentgelt unterhalb der
tarifvertraglichen Grundvergütung der Zeitarbeitnehmer, wurde im
Ergebnis kein Branchenzuschlag gezahlt.
Die AÜG-Reform aus 2017 brachte hinsichtlich dieser Handhabung
nunmehr einige Unsicherheiten mit sich. Denn nunmehr sah das
Gesetz ausdrücklich vor, dass ein Anspruch der Zeitarbeitnehmer
auf „Equal Pay“ nur dann abgewendet werden kann, wenn der zur
Anwendung kommende Branchenzuschlagstarifvertrag sicherstelle,
dass a) nach spätestens 15 Monaten ein Entgelt erreicht wird,
dass dem Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer des Kunden entspricht
und b) nach spätestens sechs Wochen eine stufenweise
Heranführung an dieses Entgelt erfolgt. Die erste Voraussetzung
wurde dadurch erfüllt, dass die Branchenzuschlagstarifverträge
die Deckelungssystematik nach 15 Monaten anpassen und eine
Deckelung nicht mehr schon bei 90% des Grundstundenlohns zulassen,
sondern erst bei 100% des tatsächlichen Gesamtlohns. Vorliegend
geht es jedoch um den Umgang mit der zweiten Voraussetzung. Die
Pflicht zur stufenweisen Heranführung an das Kundenentgelt nach
spätestens sechs Wochen wird von der herrschenden Meinung so
verstanden, dass nach eben diesen sechs Wochen eine Erhöhung des
Entgelts erfolgen muss. Im oben geschilderten Fall, in dem das
Kundenentgelt unterhalb des tariflichen Entgelts des
Zeitarbeitnehmers liegt, würde die Deckelung jedoch dazu führen,
dass nach sechs Wochen keine Erhöhung des Entgelts stattfindet
und somit die Voraussetzungen des AÜG nicht erfüllt sind. Der
„Equal Pay“-Anspruch des Zeitarbeitnehmers wäre somit nicht
abgewendet.
Um den Vorgaben des AÜG gerecht zu werden, wurde in die
Branchenzuschlagstarifverträge die Regelung aufgenommen, dass die
Deckelung nicht dazu führen dürfe, dass nach sechs Wochen (bzw.
vier Wochen bei den Tarifverträgen von ver.di) kein Zuschlag
gezahlt werde. Aussagen dazu, wie dieses Ziel zu erreichen ist,
finden sich in den Tarifverträgen jedoch nicht. Lediglich die von
der IG BCE verhandelten Tarifverträge enthalten eine
Protokollnotiz, wonach nach sechs Wochen trotz Deckelung
mindestens ein Zuschlag in Höhe von 1,5% zu zahlen ist.
In der Folge herrschte Uneinigkeit darüber, welche Zahlungen zu
leisten sind, wenn das Entgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer
unterhalb des tariflichen Entgelts der Zeitarbeitnehmer liegt.
Vertreten wurde die Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 0,01 Euro
als Mindestbetrag um die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen,
die Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 1,5% in der Hoffnung,
dass die anderen Gewerkschaften dem Beispiel der IG BCE folgen
werden und gleichlautende Protokollnotizen erlassen oder einem
Zuschlag in Höhe der ungekürzten ersten Zuschlagsstufe des
jeweiligen Branchenzuschlagstarifvertrages.
Das Arbeitsgericht Herford hat in seinem kürzlich
veröffentlichten Urteil vom 26. Februar 2019 zu dieser Frage
nunmehr Farbe bekannt. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts ergäben
sich aus dem Tarifvertrag keinerlei Vorgaben zur Höhe eines
mindestens zu zahlenden Zuschlags, so dass prinzipiell jede
Zahlung geeignet sei, die unzulässige „Nulldeckelung“ zu
vermeiden. Begründet wird dieses Ergebnis weiterhin mit dem
Wortlautargument, wonach der Tarifvertag nur vorgibt, dass nach
sechs Wochen ein „Zuschlag“ gezahlt werden müsse. Da gerade
nicht die Zahlung eines „Branchenzuschlags“ gefordert werde,
gäbe es keinen Anhaltspunkt dafür, mindestens die Zahlung der
ungekürzten ersten Zuschlagsstufe zu verlangen.
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