Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Inkrafttreten
des sog. Arbeitsschutzkontrollgesetzes: Einsatzverbot für
Fremdpersonal – BVerfG lehnt Eilanträge gegen das Inkrafttreten
ab!
Ende
2020 ging es mit Blick auf das von der Großen Koalition geplante
Einsatzverbot von Fremdpersonal in der Fleischwirtschaft –
insbesondere als Reaktion auf zahlreiche Corona-Infektionen in
Schlachthöfen im Sommer – nochmals hoch her. Das sog.
Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 22.12.2020 wurde im
"Schnellverfahren" durch den Bundestag und den Bundesrat
gepeitscht und im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I, S. 3334).
Am
Ende der Beratungen und des parlamentarischen
Gesetzgebungsverfahrens stand insbesondere Folgendes fest (vgl.
BTDrucksache 19/25141 v. 10.12.2020): Werkverträge in der
Fleischindustrie werden ab dem 01.01.2021 verboten. Gleiches gilt
grundsätzlich für den Einsatz von Zeitarbeitnehmern –
allerdings erst ab dem 01.04.2021. Ausgenommen vom Verbot,
Fremdkräfte im Rahmen von Werkverträgen oder im Wege der
Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen, ist das Fleischerhandwerk
mit Unternehmen, die in der Regel nicht mehr als 49 Personen
tätig werden lassen.
Im
Bereich der Fleischverarbeitung soll bis zum 31.03.2024 der
Einsatz von Zeitarbeitnehmern gem. § 6a Abs. 3 GSA Fleisch
übergangsweise noch (eingeschränkt) ermöglicht werden, wenn
dies in einem Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien der
Einsatzbranche für den tarifgebundenen Kunden gestattet wird. Das
kalenderjährliche Arbeitsvolumen der Zeitarbeitnehmer darf dabei
8% des von den eigenen Mitarbeitern des Kunden kalenderjährig
erbrachten Arbeitsvolumens sowie das regelmäßige vertragliche
kalenderjährliche Arbeitsvolumen von 100 in Vollzeit
beschäftigten eigenen Mitarbeitern des Kunden in diesem Bereich
nicht überschreiten. Ergänzend gilt, dass die
Überlassungshöchstdauer in Abweichung zu § 1 Abs. 1b AÜG auf
maximal vier aufeinander folgende Monate begrenzt wird. Die
Anwendung der § 1 Abs. 1b S. 3 bis 8 AÜG wird ausdrücklich
ausgeschlossen, so dass die genannte Überlassungshöchstdauer
durch einen Tarifvertrag oder aufgrund einer Betriebsvereinbarung
nicht verlängert werden kann. Auf diese (verkürzte)
Überlassungshöchstdauer werden Voreinsatzzeiten des
Zeitarbeitnehmers bei dem Kunden – in Abweichung von § 1 Abs.
1b S. 2 AÜG – angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen nicht
mehr als sechs Monate liegen. Der Gleichstellungsgrundsatz gilt
bereits zwingend ab dem ersten Tag der Überlassung; die Anwendung
von § 8 Abs. 2 bis 4 AÜG wird ausgeschlossen. Der Einsatz von
Zeitarbeitnehmern ist dem Zoll in Textform anzuzeigen; gleiches
gilt für dessen Ende.
Gegen
die gesetzliche Regelung regte sich – insoweit wenig
überraschend – Widerstand. Vor allem, aber nicht nur mit Blick
auf die Arbeitnehmerüberlassung sind die o.g. gesetzlichen
Einschränkungen weder verfassungs- noch europarechtskonform und
damit rechtswidrig (vgl. Boemke/Düwell/Greiner/Hamann/ Kalb/Kock/Mengel/Motz/Schüren/
Thüsing/Wank, NZA 2020, 1166). Vor diesem Hintergrund verwundert
es nicht, dass versucht wurde, das Inkrafttreten des
Arbeitsschutzkontrollgesetzes auf gerichtlichem Wege zu verhindern
– das BVerfG wurde im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
angerufen. Das Gericht hat in der Sache am 29.12.2020 und damit
kurz vor dem vorgesehenen Inkrafttreten der gesetzlichen
Bestimmungen entschieden.
Das
BVerfG hat die entsprechenden Anträge auf einstweilige
Anordnungen abgelehnt (Az. 1 BvQ 152/20 u.a.). In der zunächst
veröffentlichten Pressemitteilung wurde für die Beschlüsse
keine Begründung veröffentlicht; diese sollte vielmehr nach §
32 Abs. 5 BVerfGG gesondert erfolgen und liegt inzwischen vor. I.
Zusammenfassung der Entscheidungen
Die
Antragstellenden sind Einzelpersonen und Unternehmen, die in
Kernbereichen der Fleischwirtschaft tätig sind, auf die das
Fremdpersonalverbot Anwendung findet. Die Antragstellerin im
Verfahren 1 BvQ 152/20 ist Arbeitnehmerin bei einem
Werkvertragsunternehmen und bislang in einem Betrieb der
Fleischwirtschaft eingesetzt worden. Sie verliere aufgrund der
neuen Regeln zum 01.01.2021 ihre Arbeit und müsse in ihr
Heimatland zurückkehren. Im Verfahren 1 BvQ 154/20 und 1 BvQ
157/20 wenden sich Unternehmen der Fleischwirtschaft gegen das
Fremdpersonal- sowie das Kooperationsverbot. Diese seien massiv
gefährdet, da sie kein Fremdpersonal mehr für Kernbereiche
einsetzen und so ihre Aufträge nicht mehr erfüllen könnten. Das
wäre langfristig existenzgefährdend; sie verlören Marktanteile,
wären von Insolvenz bedroht und riskierten die Übernahme durch
Konzerne. Die Antragstellenden in den Verfahren 1 BvQ 153/20, 1
BvQ 155/20 und 1 BvQ 156/20 sind Inhaber von
Werkvertragsunternehmen und diese Unternehmen selbst sowie ein
Zeitarbeitsunternehmen, die bisher Aufträge im Kernbereich der
Fleischwirtschaft erbracht haben. Sie machen geltend, dass die
neuen Regeln einem Berufsverbot gleichkämen. Es bestehe keine
Möglichkeit, ihre Unternehmen unter den Bedingungen des
zukünftigen Rechts weiterzuführen.
Diesen
Erwägungen folgte das BVerfG jedoch nicht. Gemessen an den
strengen Voraussetzungen, die das Gericht in ständiger
Rechtsprechung verlangt, hatten die Eilanträge keinen Erfolg.
Die
Anträge in den Verfahren 1 BvQ 152/20, 1 BvQ 154/20 und 1 BvQ
157/20 seien bereits unzulässig. Die Antragstellenden hätten
nicht hinreichend dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum
Abschluss der Verfahren über die noch zu erhebenden
Verfassungsbeschwerden die in einem verfassungsgerichtlichen
Eilverfahren geforderten schweren Nachteile entstünden.
Entscheidend sei insofern, dass sie nicht in nachvollziehbarer,
individualisierter und konkreter Weise dargelegt hätten, was
daraus folge, wenn die angegriffenen Regelungen – wie
verabschiedet – in Kraft träten. Auf eine Folgenabwägung komme
es daher nicht (mehr) an.
Im
Verfahren 1 BvQ 152/20 ließen die Darlegungen nicht erkennen,
dass der Antragstellerin derart gravierende und irreversible
Folgen drohten, die es rechtfertigen würden, ein Gesetz nicht in
Kraft treten zu lassen. Die angegriffene Regelung, die es der
Fleischwirtschaft untersage, im Kernbereich Fremdpersonal
einzusetzen, bewirke für sie gerade kein „praktisches Verbot“
einer Berufstätigkeit, sondern verändere lediglich die
arbeitsvertraglichen Bedingungen, zu denen sie diese ausüben
könne. Es sei weder konkret dargelegt noch sonst ersichtlich,
warum sie ihre Arbeitskraft nicht zukünftig unter den mit dem
angegriffenen Gesetz geänderten Voraussetzungen erfolgreich
anbieten könne. Gerade wenn die betroffenen Betriebe nicht mehr
auf Fremdpersonal zugreifen könnten, erscheine es naheliegend,
dass sie sich um die Einstellung der bereits eingearbeiteten
Personen bemühen würden. Aus den bei Gericht eingereichten
Stellungnahmen ergebe sich, dass viele Unternehmen bereits
begonnen hätten, anstelle des bisher eingesetzten Fremdpersonals
nun selbst Arbeitsverträge zu schließen. Insoweit sei auch nicht
erkennbar, dass damit für die Antragstellerin Nachteile verbunden
wären. Vielmehr wäre dann die arbeitsschutzrechtliche
Verantwortung vor Ort ebenso klar wie die Lohnzahlung direkt an
sie gesichert.
Die
Antragsstellenden in den Verfahren 1 BvQ 154/20 und 1 BvQ 157/20
hätten ebenfalls nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass
ihnen als Unternehmer und als Unternehmen der Fleischwirtschaft,
die im Kernbereich der Produktion bislang in großem Umfang
Fremdpersonal eingesetzt hätten, jedenfalls bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache gravierende, schwere oder nicht
reversible Nachteile entstehen würden. Zwar seien sie in ihrer
beruflichen Tätigkeit eingeschränkt, wenn sie für das Personal
im Kernbereich andere Vertragsgestaltungen wählen müssten. Doch
könnten sie bislang werkvertraglich oder in Zeitarbeit
eingesetztes Personal selbst einstellen. Dabei stünden ihnen auch
arbeitsrechtliche Instrumente, wie z.B. Arbeitszeitkonten,
befristete Anstellungen oder Arbeit auf Abruf zur Verfügung, die
eine gewisse Flexibilität ermöglichten. Bis zum 01.04.2021
könnten sie zudem noch Zeitarbeitnehmer uneingeschränkt und
danach bis zum 31.03.2024 unter bestimmten Bedingungen einsetzen.
Die
vorgetragenen Belastungen, die daraus entstünden, das bisherige
Geschäftsmodell umstellen zu müssen, genügten für sich
genommen nicht, um die Dringlichkeit einer Eilentscheidung gegen
ein Gesetz zu begründen. Das gelte für den bloß allgemeinen
Verweis auf praktische Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und
einem Einsatz vor Ort dann selbst angestellter Kräfte.
|