Heft 01/2023

Heft Januar 2023

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 01/23 - Inhalt

  • Positiver IWF-Konjunkturausblick

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven Risiko des Annahmeverzugslohns und dessen Begrenzung durch das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs aus Arbeitgebersicht

  • BAP Job-Navigator 1/2023: "Jahresrückblick" Deutscher Arbeitsmarkt hielt globalen Krisen statt

  • Der EuGH setzt Maßstäbe (EuGH vom 15.12.2022, C-311/21) Halten die Tarifverträge der Zeitarbeit dem Equal-Pay-Gebot stand?

  • Trendwende: Das IAB-Arbeitsmarktbarometer steigt im Dezember leicht an

  • Dr. Robert Bauer Arbeitszeiterfassung - kann oder muss?

  • Neuer Tarifabschluss in der Zeitarbeit: Stundenentgelte für Fachkräfte steigen

  • Personaldienstleister ManpowerGroup legt Arbeitsmarktbarometer für Q1/2023 vor Einstellungsabsicht deutscher Unternehmen bleibt positiv

  • Österreich: Zeitarbeit trotzt allen Krisen und befindet sich auf Rekordkurs

  • Jahresrückblick 2022 - Stabiler Arbeitsmarkt trotz der Belastungen durch den russischen Angriffskrieg

  • Schweiz: Jahresbilanz 2022 - Sattes Plus, klare Bremsspur, unerwarteter Endspurt

  • Stolz begrüßt Trendwende: Zeitarbeitsverbot im Bauhauptgewerbe endlich aufheben

  • Mit diesen Maßnahmen begegnen Arbeitnehmer der aktuellen Unsicherheit

  • Stille Reserve am Arbeitsmarkt im Jahr 2021 bei gut 3,1 Millionen Menschen

  • Jahreswirtschaftsbericht: Leichte Entspannung in Sicht

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

Risiko des Annahmeverzugslohns und dessen Begrenzung durch das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs aus Arbeitgebersicht

Das LAG Berlin-Brandenburg hat aufgezeigt, dass Arbeitgeber deren Risiken auf Zahlung von Annahmeverzugslohn nach einem Kündigungsschutzrechtsstreit wirksam begrenzen können.

I. Ausgangslage

Jeder Arbeitgeber (und damit auch jeder Personaldienstleister) kennt die Situation nur allzu gut: nach dem Ausspruch eine Kündigung wird diese von dem betroffenen Arbeitnehmer einer arbeitsgerichtlichen Prüfung zugeführt, indem eine Kündigungsschutzklage erhoben wird. Aufgrund der hohen Anforderungen an die (soziale) Rechtfertigung einer solchen Kündigung ist der Arbeitgeber in der Regel bestrebt, die Angelegenheit kurzfristig zu beenden, nämlich durch den Abschluss eines Vergleichs, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Besitzstandes des Arbeitnehmers vorsieht. Die Vergleichsbereitschaft des Arbeitgebers ist dabei auch maßgeblich geprägt von (erheblichen) Annahmeverzugslohnrisiken, die durch einen mehrjährigen Rechtsstreit mit zwei und ggf. sogar drei Instanzen entstehen können.

Mit Blick auf diese Ausgangslage steigt oftmals die Bereitschaft des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer die im Laufe des Verfahrens zu Lasten des Unternehmens steigenden wirtschaftlichen Risiken durch ein ggf. sehr großzügiges und oftmals überproportional gut dotiertes Angebot auf die Zahlung einer Abfindung "abzukaufen", wenn dafür der Kündigungsschutzrechtsstreit durch einen Vergleich, der im Gegenzug dann das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht, beendet wird. Die Alternative, nämlich die Fortführung des Rechtsstreits im Falle der Nichteinigung, ist für den Arbeitgeber oftmals – zumindest aus einer wirtschaftlichen Perspektive – wenig attraktiv, konnte der Arbeitnehmer doch den Ausgang des Rechtsstreits abwarten und sodann grundsätzlich den gesamten Annahmeverzugslohn (für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens) fordern. Dies gilt insbesondere, wenn es um "teure", oftmals langjährige Mitarbeiter (gerade aus dem internen Bereich) geht. 

II. Das BAG zeigt den Weg auf …

häufig auf Arbeitnehmerseite anzutreffenden Muster des schlichten "Aussitzens" schon im Jahr 2020 Grenzen aufgezeigt (BAG, Urt. v. 27.05.2020 – 5 AZR 387/19). Nach der genannten Entscheidung kann der Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf die Zahlung des Annahmeverzugslohns geltend macht, Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge – unter konkreter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung – verlangen. Das BAG argumentiert, dass es dem Arbeitgeber nur bei Kenntnis dieser Umstände überhaupt möglich ist, Indizien vorzutragen, die auf eine Zumutbarkeit von Arbeit und die Möglichkeit der böswilligen Unterlassung eines anderweitigen Erwerbs nach § 615 S. 2 BGB hindeuten. Nach den Grundsätzen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast wäre es sodann am Arbeitnehmer, seinerseits die maßgeblichen Indizien dafür zu entkräften und dazu vorzutragen, aus (...)

Der EuGH setzt Maßstäbe (EuGH vom 15.12.2022, C-311/21)

Halten die Tarifverträge der Zeitarbeit dem Equal-Pay-Gebot stand?

Das EU-Recht stellt Zeitarbeiter unter einen besonderen Schutz, maßgeblich durch die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG. Dazu gehört, dass sie grundsätzlich einen Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen haben wie Stammkräfte des Entleihers (Gebot des Equal Pay und Equal Treatment). Allerdings sieht Art. 5 der Richtlinie auch Ausnahmen von diesem Gebot vor. Für das deutsche Recht stellte sich damit die Frage, ob diese nach deutschen Regelungen geltenden Ausnahmen mit der Richtlinie vereinbar sind. Diese Fragen legte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH vor. 

Sachverhalt

In der Sache ging es um den Einsatz einer Zeitarbeiterin. Diese war bei einem Verleiher mit einem befristeten Arbeitsvertrag beschäftigt. Sie wurde einem Unternehmen des Einzelhandels als Kommissioniererin überlassen. Die Zeitarbeiterin wurde gemäß dem Tarifvertrag mit einem Bruttostundenlohn von 9,23 Euro vergütet. Dieser Tarifvertrag wich vom Equal-Pay-Grundsatz ab. Er sah für Zeitarbeiter ein geringeres Arbeitsentgelt als für Stammarbeiter vor. Die vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers erhielten einen Bruttostundenlohn von 13,63 Euro.

Die Zeitarbeiterin erhob deswegen beim Arbeitsgericht Würzburg Klage auf den Differenzlohn, den sie erhalten hätte, wenn sie nach dem Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vergütet worden wäre. Sie berief sich darauf, dass die einschlägigen Bestimmungen des AÜG und des Tarifvertrags für Zeitarbeiter nicht mit Art. 5 der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar seien.

Die Klage wurde in der ersten Instanz zunächst abgewiesen. Im Anschluss daran legte die Zeitarbeiterin Berufung beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein. Auch diese wurde zurückgewiesen. Daraufhin ging die Zeitarbeiterin mit der Revision zum BAG. 

Nach Ansicht des BAG hing der Ausgang der Revision jedoch von der Auslegung des Art. 5 der Richtlinie 2008/104/EG ab. Aus diesem Grund setzte es das Verfahren aus und legte dem EuGH einige Fragen zur Auslegung vor.

Entscheidung des EuGH: Wird vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen, muss dies durch andere Vorteile ausgeglichen werden

Im Wesentlichen befasste sich der EuGH in seinem Urteil mit dem Equal-Pay-Grundsatz aus Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG. Dabei spielte der Begriff des „Gesamtschutzes von Zeitarbeitern“ eine wichtige Rolle.

Nach Ansicht des EuGH dürfen die Mitgliedstaaten den Tarifparteien gestatten, Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen. Mittels dieser Tarifverträge kann vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden. Allerdings besteht nach der Richtlinie auch die Pflicht, auf den Gesamtschutz der Zeitarbeiter zu achten. Eine inhaltliche Definition, was darunter zu verstehen ist, fehlt jedoch in der Richtlinie, weshalb eine Auslegung durch den EuGH zu erfolgen hat.

Nach Ansicht des EuGH ist der „Gesamtschutz“ von Zeitarbeitern bei Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz durch Tarifvertrag nur dann gewährleistet, wenn ihnen im Gegenzug Vorteile gewährt werden, die die Auswirkungen dieser Abweichung ausgleichen sollen.

Dabei genügt nicht jede Art von Vorteil. Ein Vorteil gleicht nur dann einen Nachteil aus, wenn er sich auf die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104 definierten wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bezieht. Dies sind die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage und das Arbeitsentgelt. Dabei unterscheidet der EuGH zwischen unbefristet beschäftigten und befristet beschäftigten Zeitarbeitern. Soweit sie unbefristet beschäftigt sind, lässt sich nach dem EuGH nicht ausschließen, dass die Entgeltfortzahlung in verleihfreien Zeiten bei der Beurteilung dieses Gesamtschutzes berücksichtigt werden kann. Für befristet beschäftigte Zeitarbeiter gilt dies hingegen nicht.

Wenn die Tarifparteien also durch einen Tarifvertrag Abweichungen vom Equal-Pay-Grundsatz zum Nachteil von Zeitarbeitern zulassen, müssen ihnen zugleich Vorteile in Bezug auf wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährt werden. Diese müssen geeignet sein, ihre Ungleichbehandlung (...)

Dr. Robert Bauer

Arbeitszeiterfassung – kann oder muss?

Ein unbekanntes Thema ist es nicht gerade, die Erfassung von Arbeitszeit. Schon lange findet sich im Arbeitszeitgesetz die Pflicht zur Aufzeichnung von Überstunden und gerade bei den Zeitarbeitnehmern wird die Arbeitszeit schon aus Gründen der nachvollziehbaren Rechnungsstellung gegenüber den Kunden aufgezeichnet. Dass der EuGH 2019 in einer Entscheidung zu verstehen gegeben hat, dass die bisherigen nationalen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung wohl nicht ausreichen dürften, hat hingegen vermutlich nur Juristen interessiert. Immerhin betraf die Kritik im Ergebnis eher den Gesetzgeber und nicht den einzelnen Rechtsanwender. Die allgemeine Erwartungshaltung war, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH das Thema der Arbeitszeiterfassung zeitnah in einem Gesetz regeln werde. Bis dahin könne man abwarten.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah das offenbar anders und hat mit seiner Entscheidung von Ende letzten Jahres zu einem unangenehmen Erwachen geführt. Das BAG ist der Ansicht, dass es bereits heute (und im Ergebnis sogar seit 1996) eine allgemeine Pflicht zur Aufzeichnung der (gesamten) Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers gäbe. Damit ist es nicht nur nicht länger möglich, auf eine gesetzliche Regulierung dieses Themas zu warten, sondern alle Arbeitgeber ohne vollständige Arbeitszeiterfassung ihrer gesamten Belegschaft verstoßen faktisch seit über 25 Jahren gegen bestehende Vorgaben.

Die Begründung, die das BAG für seine Entscheidung wählt, wird dabei durchaus stark kritisiert. So leitet das BAG die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht aus dem Arbeitszeitgesetz her, sondern aus einer Generalklausel des Arbeitsschutzgesetzes. Diese Generalklausel setzt jedoch üblicherweise eine individuelle Gefährdungsbeurteilung durch jeden einzelnen Arbeitgeber voraus, aus der sich sodann im Einzelfall Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergeben können. Auch wenn es im Ergebnis unbestritten ist, dass das Thema Arbeitszeit den Bereich des Arbeitsschutzes betrifft, so lässt sich die vom BAG ausdrücklich gewollte umfassende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die für jeden Arbeitgeber gelten soll, nicht ohne Systembruch mit der vom BAG bemühten Generalklausel begründen. Denn Unternehmen, in denen die Gefahr eines Arbeitszeitverstoßes nahezu ausgeschlossen ist (beispielsweise ein Café, welches nur von 14:00 bis 18:00 geöffnet hat), würden üblicherweise im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu dem Ergebnis kommen, dass keine Erforderlichkeit besteht, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zur Vermeidung von Verstößen gegen die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten aufzuzeichnen. Dieses Ergebnis lässt das BAG jedoch nicht zu.

Ob man die Begründung des BAG nun überzeugend findet oder nicht, ist für den Praktiker kaum von Bedeutung. Solange das BAG als oberstes deutsches Arbeitsgericht an seiner Rechtsprechung festhält, wird man sich faktisch an die Vorgaben halten müssen. Eine Schonfrist gibt es nicht. Das BAG legt jedoch nur die groben Anforderungen an das einzuführende Zeiterfassungssystem fest: Einerseits muss der Arbeitgeber ein solches bereitstellen, andererseits ist eine elektronische Zeiterfassung nicht zwingend erforderlich.

Wenn bereits ein System verwendet wird, muss sichergestellt werden, dass dieses objektiv, verlässlich und zugänglich eine manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung ermöglicht. Nachbesserungsbedarf ergibt sich zum Beispiel, wenn einzelne Arbeitnehmergruppen von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen sind oder wenn das System nicht manipulationsfrei wäre. Gibt es noch kein System, so muss in einem ersten Schritt geprüft werden, welches System geeignet ist. Eine elektronische Zeiterfassung mag praktisch sein, ist aber nicht immer die beste Lösung. Eine Excel-Tabelle oder gar eine klassische Karteikarte kann (...)



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