Heft 02/2022

Heft Februar 2022

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 02/22 - Inhalt

  • Blüten des Fachkräftemangels

  • Dr. Alexander Bissels und Kira Falter Master-Vendor-Projekte: Kein Anspruch auf Vergütung des Co-Lieferanten gegen den Master

  • Hays Fachkräfte-Index Q4/2021 Boom-Jobs: Nachfrage nach Data Scientists wächst rasant

  • Bundesarbeitsgericht: Aufhebungsvertrag – Gebot fairen Verhandelns

  • Zahl der Erwerbstätigen erneut gestiegen

  • Rechtsanwalt Christian Andorfer und Rechtsanwältin Tseja Tsankova-Herrtwich EuGH spricht Zeitarbeitern Anspruch auf Zuschläge beim Urlaubsentgelt zu, EuGH Urteil vom 13.01.2022 - C-514/20

  • Knapp 40 Prozent der Betriebe sind von Corona-bedingten Arbeitsausfällen betroffen

  • Fast 1000 Geflüchtete im letzten Jahr beschäftigt

  • Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro - 44 % der Unternehmen müssen ihre Gehälter anpassen

  • BAP Job-Navigator 2/2022: "Führungskräfte" Aktuelle Analyse - Personaldienstleistungsunternehmen schreiben fast jede dritte Stelle für Führungskräfte aus

  • Swiss Staffingindex: Temporärbranche erholt sich 2021 von Corona-Schock

  • Zenjob sammelt 45 Million Euro Wachstumskapital ein

  • Harsche Kritik am KuG-Ausschluss von Zeitarbeit - Degradierung der Zeitarbeitnehmer "wirklich schäbig"

  • Ergebnisse der IAB-Stellenerhebung für das vierte Quartal 2021: Offene Stellen mit 1,69 Millionen auf einem Allzeithoch

  • Page Personnel Zeitarbeitsstudie - Langweilig und fremdbestimmt? Von wegen! Zeitarbeit heute ist Arbeiten am Puls der Zeit

  • Bundesarbeitsgericht: Kein gesetzlicher Mindestlohn für Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Kira Falter

Master-Vendor-Projekte: Kein Anspruch auf Vergütung des Co-Lieferanten gegen den Master

Master-Vendor-Konstruktionen sind in der Praxis weit verbreitet. Der Master ist gegenüber dem Kunden für die Organisation und Steuerung des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern im Betrieb verantwortlich. Regelmäßig werden derartige Projekte "Onsite", d.h. bei dem Kunden vor Ort durchgeführt, indem der Master einen (internen) Mitarbeiter zur Koordination des Fremdpersonaleinsatzes bei dem Kunden abstellt. Dieser dient als Ansprechpartner zur Abwicklung des zwischen dem Kunden und dem Master abgeschlossenen Master-Vendor-Vertrages. In diesem Zusammenhang überlässt der Master regelmäßig auf Grundlage von mit dem Kunden abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen selbst seine eigenen Mitarbeiter an diesen; kann der Master die von dem Kunden angefragte Menge an Zeitarbeitnehmern oder gewisse Profile nicht bedienen, werden sog. Co-Lieferanten, d.h. weitere Zeitarbeitsunternehmen, eingebunden, die ihrerseits Personal – auf Grundlage entsprechender Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit dem Kunden – an diesen überlassen. Für seine Tätigkeiten und Dienstleistungen erhält der Master – neben dem vereinbarten Entgelt für eine konkret durchgeführte Überlassung – in der Regel eine gesonderte Vergütung (von dem Kunden und/oder den Co- Lieferanten). Bekanntermaßen ist eine Kettenüberlassung unzulässig und damit rechtswidrig (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG). Vor diesem Hintergrund ist bei Master-Vendor- Konzepten und deren Umsetzung in der Praxis darauf zu achten, dass die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich zwischen dem Kunden und dem Master bzw. dem Kunden und dem jeweiligen Co-Lieferanten (und nicht über den Master an den Kunden) erfolgt. Dies wird durch entsprechend zwischen den jeweils am konkreten Überlassungsvorgang beteiligten Parteien abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsverträge dokumentiert, die im Verhältnis vom Kunden zum Co- Lieferanten vom Master angebahnt und vorbereitet werden. 

In dem vertraglichen Dreiecksverhältnis zwischen Kunden, Master und Co-Lieferant musste sich das LG Dortmund mit (vorgeblichen) Ansprüchen eines Co-Lieferanten gegen den Master befassen (Urt. v. 06.10.2021 – 6 O 16/19).

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der X-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) gegen die Beklagte (als Master) einen Zahlungsanspruch wegen der Überlassung von Pflegekräften geltend. Die Schuldnerin war und die Beklagte ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Unter dem 28.05.2015 schloss die Schuldnerin mit der Beklagten einen sog. Co-Partner-Rahmenvertrag für das "Projekt Master Vendor A".

In der Präambel des Vertrags (§ 1) heißt es:

"[...] Sofern der Master [die hiesige Beklagte] das angeforderte Personal nicht selbst überlassen kann, koordiniert und verwaltet er die Arbeitnehmerüberlassungen durch weitere Personaldienstleister (Co-Partner) [die hiesige Schuldnerin]. [...] Die Überlassung von Arbeitnehmern geschieht auf Vermittlung des Masters. Die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Co-Partner an den Master ist weder Ziel noch Gegenstand dieser Vereinbarung und wird daher ausdrücklich ausgeschlossen".

In § 2 des Vertrags "Vertragsgegenstand" heißt es: 

"[...] Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Koordination der Zusammenarbeit [...] sowie die weiteren in § 7 aufgeführten Dienstleistungen des Masters". 

In § 5 des Vertrags heißt es: 

"[...] Die Parteien sind sich darüber einig, dass eine Verbindlichkeit gegenüber dem Auftraggeber [hier: A] nur durch die zwischen dem Co-Partner und dem Auftraggeber abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge (Einzelverträge) hergestellt wird".

In § 7 "Dienstleistungen" heißt es: 

"Der Master übernimmt folgende Dienstleistungen, die sich auf die eingesetzten Arbeitnehmer des Co-Partners erstrecken: [...] Übergabe der Rechnungen ausschließlich durch den Master".

In § 11 Abs. 3, 6 "Abwicklung der Einzelverträge; Inkassovollmacht" heißt es: 

"Der Co-Lieferant übersendet seine Rechnungen ausschließlich an den Master. Der Co-Lieferant ist Rechnungssteller, der Master ist Adressat der Rechnung. […]

Die Ansprüche des Co-Partners werden nicht an den Master abgetreten (keine Inkassozession). Der Master tritt keiner Schuld bei, die zwischen Co- Partner und Auftraggeber bestehen. Sofern der Auftraggeber nur einen Teil der vom Co-Partner in Rechnung gestellten Vergütung zahlt, tritt Befreiung von der Schuld in dem Teil ein, als im Verhältnis zum Gesamtbetrag geleistet wurde. [...]

Ansprüche des Co-Partners auf Erfüllung bestehen nur gegenüber dem Auftraggeber."

In § 12 Abs. 1, 2 "Vergütung/Rechnungsstellung" heißt es: 

"Der Master erwirbt für die in diesem Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen (Vermittlung und Koordination der Einzelüberlassungen zwischen dem Co-Partner und dem Auftraggeber, sonstige Betreuungsleistungen) einen Vergütungsanspruch (Servicegebühr). […]

Der Master ist berechtigt, den sich nach Absatz 1 ergebenden Betrag von dem im Rahmen der Inkassovollmacht erhaltenden Rechnungsbetrag über die Arbeitnehmerüberlassungen des Co-Partners abzuziehen und einzubehalten".

Mit Beschluss des AG Essen vom 07.11.2018 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

Der Kläger (als Insolvenzverwalter) ist der Ansicht, der Schuldnerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von ca. 7.000,00 EUR wegen der Überlassung ihrer Pflegekräfte zu. Hierzu behauptet er, die Schuldnerin habe der Beklagten im Zeitraum von Dezember 2015 bis Januar 2016 solche zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden Rechnungen seien nebst Tätigkeitsnachweisen an die Beklagte übergeben worden. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei auch Schuldnerin der Vergütung, da sie laut § 11 des Co- Partner-Rahmenvertrags Rechnungsadressatin sei.

Das AG Dortmund wies die Klage als unbegründet ab.

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus dem Co-Partner- Rahmenvertrag nicht zu. Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Nach der Auslegung des Co-Partner- Rahmenvertrags ergebe sich, dass Zahlungsansprüche für die Arbeitnehmerüberlassung gegenüber der Beklagten nicht bestünden. Im Zusammenhang mit AGB gelte der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach seien diese – ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden – einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden würden.

Die Beklagte fungiere zwischen der Schuldnerin und A lediglich als Vermittlerin. Aus dem Wort "Vermittler" ergebe sich, dass hierdurch lediglich über die Beklagte als zwischengeschaltete Dritte ein Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der A zustande kommen solle. Die Vermittlungstätigkeit der Beklagten ergebe sich zweifelsfrei aus der Auslegung der vertraglichen Regelungen. Bereits in der Präambel des Vertrags werde festgehalten, dass Aufgabe der Beklagten die Koordination und Verwaltung der Arbeitnehmerüberlassungen gegenüber dem Auftraggeber (hier: A) sei. Sie nehme hiernach lediglich die Vermittlung der Arbeitnehmerüberlassung wahr. Die Arbeitnehmer sollten gerade nicht an die Beklagte überlassen werden, was insoweit ausdrücklich geregelt worden sei. Dies spiegele sich insbesondere in § 2 des Vertrags wider, nach dem der Vertragsgegenstand die "Koordination der Zusammenarbeit" sei. Dann könne die Beklagte aber auch nicht Schuldnerin für die Vergütung für die überlassenen Arbeitnehmer sein.

In § 5 des Vertrags sei ferner eindeutig festgelegt worden, dass eine Verbindlichkeit nur zwischen A und der Schuldnerin durch die zwischen diesen geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge zustande komme. Aus § 7 des Vertrags ergebe sich ebenfalls, dass die Beklagte lediglich eine vermittelnde Tätigkeit übernommen habe. So sei von ihren Dienstleistungen u.a. die Übergabe der Rechnungen an A umfasst. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass sie die Rechnungen gerade nicht selbst begleichen solle. Besonders deutlich werde dies in § 11 Abs. 6, nach dem die Beklagte keiner Schuld beitrete, die zwischen der Schuldnerin und A bestehe. Es werde explizit bestimmt, dass Ansprüche der Schuldnerin auf Erfüllung nur gegenüber A bestünden. Insofern werde auch vereinbart, was bei nur teilweiser Erfüllung durch A (...)



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