Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Master-Vendor-Projekte:
Kein Anspruch auf Vergütung des Co-Lieferanten gegen den Master
Master-Vendor-Konstruktionen
sind in der Praxis weit verbreitet. Der Master ist gegenüber dem
Kunden für die Organisation und Steuerung des Einsatzes von
Zeitarbeitnehmern im Betrieb verantwortlich. Regelmäßig werden
derartige Projekte "Onsite", d.h. bei dem Kunden vor Ort
durchgeführt, indem der Master einen (internen) Mitarbeiter zur
Koordination des Fremdpersonaleinsatzes bei dem Kunden abstellt.
Dieser dient als Ansprechpartner zur Abwicklung des zwischen dem
Kunden und dem Master abgeschlossenen Master-Vendor-Vertrages. In
diesem Zusammenhang überlässt der Master regelmäßig auf
Grundlage von mit dem Kunden abgeschlossenen
Arbeitnehmerüberlassungsverträgen selbst seine eigenen
Mitarbeiter an diesen; kann der Master die von dem Kunden
angefragte Menge an Zeitarbeitnehmern oder gewisse Profile nicht
bedienen, werden sog. Co-Lieferanten, d.h. weitere
Zeitarbeitsunternehmen, eingebunden, die ihrerseits Personal –
auf Grundlage entsprechender Arbeitnehmerüberlassungsverträge
mit dem Kunden – an diesen überlassen. Für seine Tätigkeiten
und Dienstleistungen erhält der Master – neben dem vereinbarten
Entgelt für eine konkret durchgeführte Überlassung – in der
Regel eine gesonderte Vergütung (von dem Kunden und/oder den Co-
Lieferanten). Bekanntermaßen ist eine Kettenüberlassung
unzulässig und damit rechtswidrig (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG). Vor
diesem Hintergrund ist bei Master-Vendor- Konzepten und deren
Umsetzung in der Praxis darauf zu achten, dass die
Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich zwischen dem Kunden und
dem Master bzw. dem Kunden und dem jeweiligen Co-Lieferanten (und
nicht über den Master an den Kunden) erfolgt. Dies wird durch
entsprechend zwischen den jeweils am konkreten
Überlassungsvorgang beteiligten Parteien abgeschlossene
Arbeitnehmerüberlassungsverträge dokumentiert, die im
Verhältnis vom Kunden zum Co- Lieferanten vom Master angebahnt
und vorbereitet werden.
In dem vertraglichen Dreiecksverhältnis zwischen Kunden, Master
und Co-Lieferant musste sich das LG Dortmund mit (vorgeblichen)
Ansprüchen eines Co-Lieferanten gegen den Master befassen (Urt.
v. 06.10.2021 – 6 O 16/19).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Der
Kläger macht als Insolvenzverwalter der X-GmbH (im Folgenden:
Schuldnerin) gegen die Beklagte (als Master) einen
Zahlungsanspruch wegen der Überlassung von Pflegekräften
geltend. Die Schuldnerin war und die Beklagte ist im Bereich der
Arbeitnehmerüberlassung tätig. Unter dem 28.05.2015 schloss die
Schuldnerin mit der Beklagten einen sog. Co-Partner-Rahmenvertrag
für das "Projekt Master Vendor A".
In
der Präambel des Vertrags (§ 1) heißt es:
"[...]
Sofern der Master [die hiesige Beklagte] das angeforderte Personal
nicht selbst überlassen kann, koordiniert und verwaltet er die
Arbeitnehmerüberlassungen durch weitere Personaldienstleister
(Co-Partner) [die hiesige Schuldnerin]. [...] Die Überlassung von
Arbeitnehmern geschieht auf Vermittlung des Masters. Die
Überlassung von Arbeitnehmern durch den Co-Partner an den Master
ist weder Ziel noch Gegenstand dieser Vereinbarung und wird daher
ausdrücklich ausgeschlossen".
In
§ 2 des Vertrags "Vertragsgegenstand" heißt es:
"[...]
Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Koordination der
Zusammenarbeit [...] sowie die weiteren in § 7 aufgeführten
Dienstleistungen des Masters".
In
§ 5 des Vertrags heißt es:
"[...]
Die Parteien sind sich darüber einig, dass eine Verbindlichkeit
gegenüber dem Auftraggeber [hier: A] nur durch die zwischen dem
Co-Partner und dem Auftraggeber abgeschlossenen
Arbeitnehmerüberlassungsverträge (Einzelverträge) hergestellt
wird".
In
§ 7 "Dienstleistungen" heißt es:
"Der
Master übernimmt folgende Dienstleistungen, die sich auf die
eingesetzten Arbeitnehmer des Co-Partners erstrecken: [...]
Übergabe der Rechnungen ausschließlich durch den Master".
In
§ 11 Abs. 3, 6 "Abwicklung der Einzelverträge;
Inkassovollmacht" heißt es:
"Der
Co-Lieferant übersendet seine Rechnungen ausschließlich an den
Master. Der Co-Lieferant ist Rechnungssteller, der Master ist
Adressat der Rechnung. […]
Die
Ansprüche des Co-Partners werden nicht an den Master abgetreten
(keine Inkassozession). Der Master tritt keiner Schuld bei, die
zwischen Co- Partner und Auftraggeber bestehen. Sofern der
Auftraggeber nur einen Teil der vom Co-Partner in Rechnung
gestellten Vergütung zahlt, tritt Befreiung von der Schuld in dem
Teil ein, als im Verhältnis zum Gesamtbetrag geleistet wurde.
[...]
Ansprüche
des Co-Partners auf Erfüllung bestehen nur gegenüber dem
Auftraggeber."
In
§ 12 Abs. 1, 2 "Vergütung/Rechnungsstellung" heißt
es:
"Der
Master erwirbt für die in diesem Vertrag vorgesehenen
Dienstleistungen (Vermittlung und Koordination der
Einzelüberlassungen zwischen dem Co-Partner und dem Auftraggeber,
sonstige Betreuungsleistungen) einen Vergütungsanspruch
(Servicegebühr). […]
Der
Master ist berechtigt, den sich nach Absatz 1 ergebenden Betrag
von dem im Rahmen der Inkassovollmacht erhaltenden Rechnungsbetrag
über die Arbeitnehmerüberlassungen des Co-Partners abzuziehen
und einzubehalten".
Mit
Beschluss des AG Essen vom 07.11.2018 wurde das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Der
Kläger (als Insolvenzverwalter) ist der Ansicht, der Schuldnerin
stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von ca. 7.000,00
EUR wegen der Überlassung ihrer Pflegekräfte zu. Hierzu
behauptet er, die Schuldnerin habe der Beklagten im Zeitraum von
Dezember 2015 bis Januar 2016 solche zur Verfügung gestellt. Die
entsprechenden Rechnungen seien nebst Tätigkeitsnachweisen an die
Beklagte übergeben worden. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei
auch Schuldnerin der Vergütung, da sie laut § 11 des Co-
Partner-Rahmenvertrags Rechnungsadressatin sei.
Das
AG Dortmund wies die Klage als unbegründet ab.
Dem
Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus dem Co-Partner-
Rahmenvertrag nicht zu. Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert.
Nach der Auslegung des Co-Partner- Rahmenvertrags ergebe sich,
dass Zahlungsansprüche für die Arbeitnehmerüberlassung
gegenüber der Beklagten nicht bestünden. Im Zusammenhang mit AGB
gelte der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach seien diese
– ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und
Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten
Durchschnittskunden – einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der
Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden
würden.
Die
Beklagte fungiere zwischen der Schuldnerin und A lediglich als
Vermittlerin. Aus dem Wort "Vermittler" ergebe sich,
dass hierdurch lediglich über die Beklagte als
zwischengeschaltete Dritte ein Vertragsverhältnis zwischen der
Schuldnerin und der A zustande kommen solle. Die
Vermittlungstätigkeit der Beklagten ergebe sich zweifelsfrei aus
der Auslegung der vertraglichen Regelungen. Bereits in der
Präambel des Vertrags werde festgehalten, dass Aufgabe der
Beklagten die Koordination und Verwaltung der
Arbeitnehmerüberlassungen gegenüber dem Auftraggeber (hier: A)
sei. Sie nehme hiernach lediglich die Vermittlung der
Arbeitnehmerüberlassung wahr. Die Arbeitnehmer sollten gerade
nicht an die Beklagte überlassen werden, was insoweit
ausdrücklich geregelt worden sei. Dies spiegele sich insbesondere
in § 2 des Vertrags wider, nach dem der Vertragsgegenstand die
"Koordination der Zusammenarbeit" sei. Dann könne die
Beklagte aber auch nicht Schuldnerin für die Vergütung für die
überlassenen Arbeitnehmer sein.
In
§ 5 des Vertrags sei ferner eindeutig festgelegt worden, dass
eine Verbindlichkeit nur zwischen A und der Schuldnerin durch die
zwischen diesen geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge
zustande komme. Aus § 7 des Vertrags ergebe sich ebenfalls, dass
die Beklagte lediglich eine vermittelnde Tätigkeit übernommen
habe. So sei von ihren Dienstleistungen u.a. die Übergabe der
Rechnungen an A umfasst. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass sie
die Rechnungen gerade nicht selbst begleichen solle. Besonders
deutlich werde dies in § 11 Abs. 6, nach dem die Beklagte keiner
Schuld beitrete, die zwischen der Schuldnerin und A bestehe. Es
werde explizit bestimmt, dass Ansprüche der Schuldnerin auf
Erfüllung nur gegenüber A bestünden. Insofern werde auch
vereinbart, was bei nur teilweiser Erfüllung durch A (...)
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