Dr.
Alexander Bissels
AÜG-Reform passiert den
Bundestag – mit einigen Änderungen auf der Zielgeraden!
Der Bundestag hat in der Sitzung vom 21.10.2016 über die
Reform des AÜG in zweiter und dritter Lesung beraten und das
Gesetz beschlossen. Die grundsätzliche Struktur ist dabei nicht
mehr verändert worden: es bleibt bei einer arbeitnehmerbezogen zu
bestimmenden Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, von der
durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche oder eine darauf
aufsetzende Betriebsvereinbarung nach oben oder nach unten
abgewichen werden kann. Es wird die zwingende Anwendung des equal
pay-Grundsatzes ab dem 9. Monat festgeschrieben, ohne dass in das
Gesetz eine genaue Definition oder Formel aufgenommen wird, was
equal pay eigentlich darstellt oder wie dieses in der Praxis zu
bestimmen ist. Durch sog. Branchenzuschlagstarifverträge kann
weiterhin vom equal pay abgewichen werden. Die Fallschirmlösung
wird durch die Einführung einer Offenlegungs- und
Konkretisierungspflicht zukünftig ausgeschlossen sein. Auch das
grundsätzliche Streikverbot von Zeitarbeitnehmern bleibt
unverändert. Diese zählen – wie schon im Entwurf vorgesehen
– weiterhin bei den Schwellenwerten der Betriebsverfassung und
der Unternehmensmitbestimmung mit.
Auf der Zielgeraden wurden aufgrund der Empfehlung des
federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales vom
19.10.2016 (BTDrucksache 18/10064) noch einige überraschende
Änderungen an dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung
(BT-Drucksache 18/9232) vorgenommen, die sich wie folgt
darstellen:
I. Festhaltenserklärung
1. Einbindung der Agentur für Arbeit
Erheblichen Anpassungen ist die sog. Festhaltenserklärung des
Zeitarbeitnehmers unterworfen worden, durch die dieser die Fiktion
eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kunden bei einer illegalen
Arbeitnehmerüberlassung, einer Überschreitung der
Höchstüberlassungsdauer und einer Verletzung der Offenlegungs-
und Konkretisierungspflicht verhindern konnte. Diese Erklärung
soll nach § 9 Abs. 2 AÜG n.F. nur wirksam sein, wenn:
- der Zeitarbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer
Agentur für Arbeit vorlegt,
- die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum
des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die
Identität des Zeitarbeitnehmers festgestellt hat, und
- die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in
der Agentur für Arbeit dem Personaldienstleister oder dem Kunden
zugeht.
Laut Gesetzesbegründung beschränkt sich die Tätigkeit der
Agentur für Arbeit auf die Entgegennahme der schriftlichen
Festhaltenserklärung, auf der sie das Datum der Vorlage und die
Feststellung der Identität der vor Ort anwesenden
Zeitarbeitskraft vermerkt. Dadurch soll ausgeschlossen werden,
dass der Zeitarbeitnehmer eine Widerspruchserklärung
unterschreibt, in die nachträglich etwa durch den
Personaldienstleister oder den Kunden ein Datum eingetragen wird,
das nicht dem tatsächlichen Tag der Erklärung entspricht. Damit
diese nicht auf „Vorrat“ zu Beginn der Überlassung der
Agentur für Arbeit vorgelegt wird, ist die Erklärung nur
wirksam, wenn sie spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in
der Agentur für Arbeit dem Personaldienstleister oder dem Kunden
zugeht. Erfolgt der Zugang erst ab dem vierten Tag, ist diese
Erklärung unwirksam. Unbeschadet des neuen § 9 Abs. 2 AÜG n.F.
bleibt die Zeitarbeitskraft weiterhin für die Übermittlung der
Erklärung an den Personaldienstleister oder den Kunden
verantwortlich. Es obliegt damit dieser, die nach § 9 Abs. 1 Nr.
1 bis 1b AÜG n.F. einzuhaltende Monatsfrist zu wahren, indem die
Erklärung innerhalb dieser Frist dem Personaldienstleister oder
den Kunden übermittelt wird. Der notwendige fristgerechte Zugang
wird nicht durch die Datumsangabe der Agentur für Arbeit ersetzt.
Die neue Fassung von § 9 Abs. 2 AÜG n.F. führt zu einer
weiteren, erheblichen Bürokratisierung der Ausübung des
Widerspruchsrechtes, indem nunmehr die Agentur für Arbeit
eingeschaltet werden muss. Die Regelung ist dabei beseelt von dem
Gedanken, dass die (...)
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