Heft 12/2016

Heft Dezember 2016

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 12/16 - Inhalt

  • Die Beiträge von:

  • Volker Enkerts

  • Thomas Hetz

  • Sven Kramer

  • Werner Stolz

  • Dr. Alexander Bissels

  • Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal

  • Dr. jur. Adrian Hurst

  • Arnd Schumacher

  • Louis Coenen

  • Marc Linkert

  • Thomas Bäumer

  • Benedicte Autem

  • Hartmut Lüerßen

  • Ingrid Hofmann

  • Dr. Dieter Traub

  • Mark Brenner

  • Horst Thurau

  • Tina Voß

  • Herwarth Brune
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  • Rund 26.000 Betriebe nutzen On-Site-Werkverträge

  • Bundesarbeitsgericht: Teilnahme an einem Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit

  • Erste repräsentative Befragung von seit 2013 eingereisten Geflüchteten
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Leseprobe

Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP)

Thomas Hetz

Ein optimistischer Blick nach vorn

Ein turbulentes Jahr. Anders lässt sich das Jahr 2016 für die Zeitarbeitsbranche kaum betiteln. Was die Branche umtrieb, dürfte wohl nicht nur Vertreter der Arbeitnehmerüberlassung in Atem gehalten haben: die von der Bundesregierung verabschiedete „Novellierung“ des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).

Im November des vergangenen Jahres legte das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den ersten Diskussionsoder Referentenentwurf zur Änderung des AÜG vor, der es – gelinde gesagt – in sich hatte und weit über die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen hinausschoss. Dieser Entwurf begegnete schwerwiegenden rechtlichen Bedenken. Im Februar dieses Jahres hat das BMAS dann eine überarbeitete Fassung vorgelegt, die diverse Nachjustierungen enthielt. Diese wurde schließlich vom Deutschen Bundestag am 21. Oktober nach zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Viele rechtliche Bedenken konnte jedoch auch die überarbeitete Version nicht ausräumen.

Ich will hier gar nicht alle Punkte des neuen Gesetzes aufführen, diese dürften mittlerweile bekannt sein. Unstrittig ist aber: Mit der Einführung von Equal Pay werden Personaldienstleister und Kundenunternehmen massiver Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Und dies ganz unnötig, denn die Branche hatte schon längst vorgesorgt: Mit dem Abschluss von Tarifverträgen und mit den ab 2012 zusammen mit den Sozialpartnern eingeführten elf Branchenzuschlagstarifverträgen in den wichtigsten Einsatzbranchen der Zeitarbeit wurde ein Entlohnungssystem entwickelt, das Zeitarbeitnehmer stufenweise an Equal Pay heranführt. Beides sind eindeutige Signale einer funktionierenden Tarifautonomie, die im Übrigen durch den Tarifabschluss mit den DGB-Gewerkschaften erst kürzlich bestätigt wurde.

Nun jedoch bekommt es die Branche mit einer Neuerung zu tun, die zur Herausforderung wird. Denn der Gesetzgeber hat es versäumt, eine rechtssichere Definition vorzulegen, was Equal Pay eigentlich genau umfassen soll. Im Begründungsteil des Gesetzes findet sich folgende Passage: „Sämtliche auf den Lohnabrechnungen vergleichbarer Stammarbeitnehmerinnen und Stammarbeitnehmer des Entleihers ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile“ sollen zu Equal Pay gehören. Damit müssten jedoch auch Sonderzahlungen wie Boni, vermögenswirksame Leistungen und sogar Sachbezüge, die allerdings in Geld ausgeglichen werden können, berücksichtigt werden. Nicht immer wird es möglich sein, Equal Pay genau zu bestimmen, denn dafür muss das Kundenunternehmen zunächst einmal den vergleichbaren Stammmitarbeiter und den Umfang des Arbeitsentgelts ermitteln. Geschieht dies nicht gerichtsfest, sind Klagen von Zeitarbeitnehmern vorprogrammiert, die sich um die Frage drehen werden, ob tatsächlich Equal Pay gezahlt wurde. Eine praktikable und rechtssichere Handhabung sieht anders aus.

Was bedeutet das nun aber genau für die Branche? Grundsätzlich muss dem Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten ununterbrochener Tätigkeit im Kundenunternehmen Equal Pay gezahlt werden. Abgewichen werden kann nur durch Branchenzuschlagstarifverträge, die damit gesetzlich grundsätzlich anerkannt und gestärkt werden. Unverhältnismäßig sind für mich jedoch die horrenden Sanktionen, die bei bereits kleinsten Verstößen den Entzug der zwingend benötigten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und Geldbußen bis zu 500.000 Euro vorsehen. Diese sind aber weder an Vorsatz oder Wiederholung gebunden und können im schlimmsten Fall ein Berufsverbot nach sich ziehen. Mich würde es daher nicht wundern, wenn diese Unsicherheiten zu verkürzten Einsätzen führten.

Der zweite wichtige Eckpunkt der Gesetzesänderungen ist die Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate ununterbrochener Überlassung im selben Einsatzunternehmen. Abweichungsmöglichkeiten bestehen nur durch Tarifvereinbarungen, die allerdings lediglich die jeweilige Einsatzbranche treffen darf, während dies den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit verwehrt bleibt. Sanktionen wie Geldbußen und der Entzug der AÜ-Erlaubnis kommen beim Überschreiten der 18 Monate auf die Personaldienstleister zu, aber auch für Kundenunternehmen hat das Gesetzespaket Folgen. Dem Einsatzunternehmen droht mit der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses die „Zwangsübernahme“ des Zeitarbeitnehmers. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, dürfen dieser Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nur die Zeitarbeitnehmer widersprechen.

So bleibt nur zu sagen, dass mit einer Höchstüberlassungsdauer keiner Seite geholfen ist: Die Flexibilität der gesamten deutschen Wirtschaft wird beschränkt. Es wird kaum mehr möglich sein, Zeitarbeitnehmer für klassische Vertretungen wie die volle Eltern- oder Pflegezeit einzusetzen, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konterkariert. Und im höherqualifizierten Bereich, wo Projekte oft länger als zwei Jahre dauern, wird es mehr als eng. Angesichts der zumeist übertariflichen Entlohnung haben sich diese hoch qualifizierten Zeitarbeitnehmer bewusst für eine Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung entschieden. Außerdem profitieren alle Zeitarbeitnehmer von längerfristigen Einsätzen – vor allem finanziell durch die geplante Equal Pay-Regelung und die bereits bestehenden Branchenzuschläge.

Gleichzeitig werden auch längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen, vor allem die, die auf einen anerkannten Berufsabschluss abzielen, nahezu unmöglich gemacht. Unwirtschaftlichen Investitionen bei nur kurzen Kundeneinsätzen wird sich kaum ein Personaldienstleister aussetzen. Außerdem setzen IHKn und Handwerkskammern entsprechende langjährige Berufserfahrungen voraus, um Berufsabschlussprüfungen ohne klassische duale Ausbildung abzunehmen. Mit den Gesetzesänderungen werden Ansätze wie unser 3-Stufen-Modell, mit dem Zeitarbeitskräfte ohne abgeschlossene Ausbildung an einen anerkannten Berufsabschluss herangeführt werden, zunichte gemacht. Es dürfte jedoch auch der Bundesregierung bekannt sein, dass Geringqualifizierte das höchste Arbeitslosigkeitsrisiko haben und deswegen Weiterbildungsmaßnahmen so immens wichtig sind. Dem Schutz der Zeitarbeitskräfte dient eine Höchstüberlassungsdauer jedenfalls nicht.

Was nun aber wird das kommende Jahr der Branche bringen? Ein Zurück gibt es nicht, die Gesetzesänderungen greifen zum 1. April 2017. Gehen wir mit optimistischem Blick ins neue Jahr, dass die Branche auch diese Herausforderung meistern wird. So sollten Kundenunternehmen künftig sehr genau darauf achten, welchen Personaldienstleister sie aussuchen. Entscheidend ist vor allem, dass dieser sich mit den gesetzlichen Regelungen bestens auskennt. Zeitarbeitsunternehmen, die bislang in keinem Verband der Personaldienstleister Mitglied sind, bleibt nur zu raten, sich das dringend benötigte Know-how einzuholen, das nur die Verbände der Zeitarbeit sicher gewährleisten können. Der BAP wird einen Großteil seiner Kraft darauf verwenden, seinen Mitgliedern durch eine Vielzahl an Veranstaltungen, schriftlichen Informationen und vor allem seiner umfangreichen Telefonberatung, das notwendige Werkzeug an die Hand zu geben, um für die operative Umsetzung gerüstet zu sein. Für Zeitarbeitnehmer dagegen dürfte die Branche an Attraktivität gewinnen, und zwar nicht zuletzt durch die kürzlich vereinbarten Entgelte, die dank des neuen Tarifabschlusses ab 2017 steigen werden. Und Personaldienstleister und Kundenunternehmen müssen bald noch enger zusammenarbeiten als ohnehin bereits.

Wirft man einen Blick auf die kommenden Herausforderungen in Deutschland im nächsten Jahr, so rechnen führende Ökonomen mit einem merklichen Dämpfer für die wirtschaftliche Entwicklung. Was den Arbeitsmarkt betrifft, so blieb der Anteil der Zeitarbeit von 2,2 Prozent an allen Erwerbstätigen seit einigen Jahren nahezu konstant. Wie sich die in den Arbeitsmarkt einsteigenden Geflüchteten auf diesen auswirken werden, wird die Zukunft zeigen. Deshalb hat der BAP eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema ins Leben gerufen, die sich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit intensiv über Eingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen auseinandersetzen wird.

Festzuhalten bleibt mir daher nur: Zeitarbeit ist unverzichtbar für die Flexibilität der deutschen Wirtschaft – gerade in Zeiten von demografischem Wandel, Digitalisierung und der Integration der Geflüchteten. Daher kann ich nur eindrücklich an die Gesetzgeber appellieren, die Branche endlich einmal zur Ruhe kommen zu lassen und die Zeitarbeit nicht erneut dem Wahlkampf mit unkalkulierbaren Ergebnissen im Zuge der Bundestagswahl 2017 auszusetzen.

Thomas Hetz

iGZ-Hauptgeschäftsführer und Mitglied des iGZ-Bundesvorstandes

Werner Stolz

Hat das Jahr 2016 Ihre Erwartungen erfüllt? Was wird das Jahr 2017 für die Zeitarbeit bringen?

In einem Jahr, in dem eine überflüssige Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beschlossen wurde, kann man kaum davon sprechen, dass sich die eigenen Erwartungen erfüllt haben. Dennoch können wir auf zahlreiche Einzelerfolge zurückblicken, hinter denen wir uns nicht zu verstecken brauchen.

Erinnert man sich an den ersten Referentenentwurf, den das Bundesarbeitsministerium im November 2015 vorlegte, können wir sicherlich selbstbewusst sagen: Einige „Giftzähne“ für die Zeitarbeitsbranche konnten gezogen werden. So ist glücklicherweise etwa bei der Höchstüberlassungsdauer die Unterbrechungszeit zwischen zwei Einsätzen von sechs auf drei Monate reduziert worden. Beim Equal Pay wurden unsere vorhandenen Branchenzuschlags- Tarifverträge durch eine Öffnungsklausel in ihrer Bedeutung gestärkt: Wenn solche tariflichen Vereinbarungen angewandt werden, muss die Entgeltgleichstellung erst nach 15 Monaten statt bereits nach zwölf Monaten erfolgen. Und letztlich ist zu begrüßen, dass das neue AÜG erst zum 1. April 2017 in Kraft treten wird und nicht schon zum Jahreswechsel. Das bringt uns mehr Zeit zur Umstellung auf die neue Situation und zur sachgerechten Anpassung der Geschäftsabläufe in den Unternehmen. Insgesamt hat sich somit glücklicherweise wieder einmal das alte Sprichwort bestätigt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist.

Doch trotz all dieser Teilerfolge können wir uns nicht zurücklehnen und entspannt auf das Jahr 2017 warten. Noch gibt es einige Unklarheiten beziehungsweise Auslegungsprobleme im neuen AÜG, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes geklärt werden müssen. Für uns als Verband besteht die Hauptherausforderung nun darin, unsere fast 3.500 Mitgliedsunternehmen umfassend und rechtssicher über die Einzelheiten der AÜG-Novelle zu informieren. Derzeit reisen die Mitarbeiter unseres iGZ-Referates Arbeitsund Tarifrecht durch ganz Deutschland, um unsere Mitglieder vor Ort aufzuklären. Die Teilnahmezahlen zu diesen Treffen brechen alle Rekorde, sodass wir uns mit dem lokalen Angebot auf dem richtigen Weg sehen. Zusätzlich erarbeiten wir ein umfangreiches Informationspaket, das im internen Bereich unserer iGZ-Homepage exklusiv eingestellt wird.

Insgesamt wird man nach Abschuss des Gesetzgebungsverfahrens sagen müssen: Ein echter Nutzen ist durch diese „Reform“ für keinen der beteiligten Akteure im Dreiecksverhältnis wirklich ersichtlich. Andererseits hätten die Regeln auch noch restriktiver ausfallen können. Bleibt zu hoffen, dass die Personaldienstleister in der nächsten Legislaturperiode von erneuten Zumutungen durch den Bundestag verschont bleiben und nicht schon wieder zum Spielball von politischen Interessenlagen missbraucht werden. Denn mangelnde Planungssicherheit ist Gift für jedes unternehmerische Handeln mit dem erforderlichen Weitblick.

Für das Jahr 2017 erhoffen wir uns nun wieder ruhigere politische Fahrwasser, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen: den Strukturwandel durch die fortschreitende Digitalisierung aktiv begleiten, Erwerbsbiografien verstetigen, Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gewährleisten, Qualifizierungsmaßnahmen organisieren und vieles mehr.

Denn: Zeitarbeit hilft Wirtschaft und Arbeitsmarkt – allerdings nur, wenn uns als Branche nicht zu große Steine in den Weg gelegt werden!

Werner Stolz



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