Heft 04/2021

Heft April 2021

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 04/21 - Inhalt

  • Auf dem Weg aus der Krise

  • Dr. Alexander Bissels und Kira Falter Abweichung von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer durch den TV LeiZ - Klappe, die Zweite!

  • Eva Quadbeck wird neue CFO bei Tempo-TeamPersonaldienstleistungen

  • BAP Job-Navigator 4/2021: "Digitales Arbeiten" Aktuelle Analyse: Setzen Unternehmen die Möglichkeit zum Homeoffice als Wettbewerbsvorteil ein?

  • Die Zahl der Betriebe, die vom Lockdown betroffen sind, geht leicht zurück

  • iGZ-Mitgliedsunternehmen zeigen wie's geht - Innovation statt Regulation bei der Testung

  • Personaldienstleister startet wieder durch - Franz & Wach Personalservice mit drei neuen Standorten

  • Michael Raum ist neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Trenkwalder Group

  • ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer für Q2/2021: Einstellungsbereitschaft deutscher Unternehmen im zweiten Quartal weiterhin zurückhaltend

  • Corona: Impfpflicht für Mitarbeitende?

  • Diese 5 Trends beeinflussen die Arbeitswelt nachhaltig

  • GeAT startet Einstieg in Elektromobilität

  • Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung VBG für 2020 bleibt stabil

  • Zwei Drittel der Betriebe bieten ihren Beschäftigten Corona-Tests an oder planen, dies zu tun

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Kira Falter

Abweichung von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer durch den TV LeiZ – Klappe, die Zweite!

Wir haben erst jüngst über eine Entscheidung der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg berichtet, nach der die im TV LeiZ für die M+E-Branche verlängerte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten nur einschlägig sein soll, wenn neben dem Kunden auch der dort eingesetzte Zeitarbeitnehmer tarifgebunden, sprich Mitglied in der tarifvertragschließenden IG Metall ist (vgl. Bissels/Falter, BD 3/2021, 3 ff.). Zudem haben wir darauf hingewiesen, dass die 21. Kammer des LAG Baden-Württemberg insoweit eine abweichende Ansicht vertritt (Urt. v. 18.11.2020 – 21 Sa 12/20; vorgehend: ArbG Stuttgart v. 21.11.2019 – 28 Ca 3686/19). Die Klage des Mitarbeiters, der gegenüber dem Kunden wegen der (vermeintlichen) Überschreitung der maßgeblichen, nämlich gesetzlichen Überlassungshöchstdauer ein fingiertes Arbeitsverhältnis geltend machte, wurde erstinstanzlich abgewiesen. Die hiergegen von dem Zeitarbeitnehmer gerichtete Berufung blieb vor der 21. Kammer des LAG Baden-Württemberg erfolglos.

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Der Kläger steht seit dem 15.03.2017 in einem Arbeitsverhältnis mit der X-GmbH (im Folgenden auch "Vertragsarbeitgeberin" genannt). Ab dem 11.05.2017 war der Kläger bis zum 30.04.2019 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten als Zeitarbeitnehmer eingesetzt. Der Kläger ist kein Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist im Verband der Metallund Elektroindustrie Baden-Württemberg (SÜDWESTMETALL) organisiert. 

Zwischen dem Verband der Metallund Elektroindustrie Baden-Württemberg und der IG Metall, Bezirk Baden-Württemberg, Bezirksleitung Baden-Württemberg wurde am 16.11.2018 der TV LeiZ abgeschlossen. Dort ist in Ziff. 2.3 Folgendes geregelt:

„Die Parteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (Ziffer 3 und 4.1) 48 Monate nicht überschreiten darf.“

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dieser geltend und bot dessen Arbeitskraft an. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, dass aus ihrer Sicht kein Arbeitsverhältnis bestehe. 

Die 21. Kammer des LAG Baden- Württemberg bestätigte die klageabweisende Entscheidung des ArbG Stuttgart mit einer überzeugenden Begründung:

Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG sei der Arbeitsvertrag zwischen einem Personaldienstleister und einem Zeitarbeitnehmer mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG grundsätzlich unwirksam. Gem. § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG dürfe der Personaldienstleister denselben Zeitarbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Kunden überlassen; dieser wiederum dürfe denselben Zeitarbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG bestimme, dass in einem Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden könne.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG beträfen Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG Gegenstände, die nur einheitlich gelten könnten. Deren Regelung in einem Individualarbeitsvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit“ ausscheiden, weil eine einheitliche Festlegung auf betrieblicher Ebene unerlässlich sei. Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps sei von dem in § 3 Abs. 2 TVG verwendeten Begriff der „betrieblichen Fragen“ auszugehen. Dies seien nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebs und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen könnten. Gemeint seien vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebs, also der Betriebsmittel und der Belegschaft, beträfen. Diese Umschreibung markiere zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutliche aber die Funktion und die Eigenart der Betriebsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG. Diese regelten normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen seien.

Zunächst sei festzustellen, dass der Kläger von seiner Vertragsarbeitgeberin ununterbrochen länger als 18 Monate in einen Betrieb der Beklagten eingesetzt worden sei. Darin liege eine Verletzung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten, aber keine Verletzung der Überlassungshöchstdauer gem. § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG i.V.m. Ziff. 2.3 TV LeiZ. Diese Bestimmung finde für die Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten Anwendung, da diese als eine Betriebsnorm zu qualifizieren sei.

§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG differenziere bei der Regelung, wer mit welchen Mitteln eine von § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG abweichende Überlassungsdauer festlegen könne, nicht danach, ob dies Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und seinem Vertragsarbeitgeber oder zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kunden, bei dem er tätig werde, habe oder ob die Abänderungsmöglichkeit für beide Vertragsverhältnisse oder nur für eines der beiden gelte. Auszugehen sei jedoch davon, dass eine Verlängerung der Überlassungshöchstdauer auf beide Vertragsverhältnisse Auswirkungen habe, da nur eine derartige Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Dieser habe mit der Einführung des § 1 Abs. 1b AÜG (mit Wirkung ab dem 01.04.2017) gestatten wollen, dass der Mitarbeiter im Rahmen der Dreiecksbeziehung mehr als die im Gesetz geregelten 18 Monate überlassen werden könne und dürfe. Mit der Einfügung des § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG habe der Gesetzgeber ermöglichen wollen, das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung weiterhin flexibel und bedarfsgerecht im Betrieb eines Arbeitgebers einzusetzen. Zu diesem Zweck solle durch Tarifverträge der Einsatzbranche ermöglicht werden, die Überlassungsdauer von 18 Monaten zu verkürzen oder auszudehnen (BT-Drucksache 18/9232, S. 20). Die dadurch beabsichtigte Flexibilisierung des Einsatzes von Arbeitnehmern, etwa bei Produktionsspitzen, könne nur erreicht werden, wenn in beiden Vertragsverhältnissen erlaubt sei, den Arbeitnehmer im Betrieb des Kunden einzusetzen. Nur damit könne die Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG i.V.m. § 10 Abs. 1 AÜG vermieden werden. Lediglich wenn es dem Personaldienstleister und dem Kunden gestattet sei, den Mitarbeiter länger oder kürzer im Betrieb des Kunden einzusetzen, bleibe die Ausgewogenheit der Schicksale der einzelnen Vertragsverhältnisse erhalten und führe zu keinen unterschiedlichen Rechtsfolgen.

Im Vertragsverhältnis zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden (Einsatzverhältnis) gem. § 1 Abs. 1b, HS. 2 AÜG stelle die tarifliche Bestimmung eine Betriebsnorm nach Ziff. 3 Abs. 2 TVG dar. Unabhängig davon, ob die eingesetzten Zeitarbeitnehmer Mitglieder der den TV LeiZ schließenden Gewerkschaft seien, sollten diese länger als die gesetzlichen 18 Monate im Einsatzbetrieb beschäftigt werden können. Bei der in Ziff. 2.3 TV LeiZ geregelten Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten gehe es um das Verhältnis zwischen dem Einsatzarbeitgeber und der in dessen Betrieb für ihn arbeitenden Belegschaft als Kollektiv, nämlich um die vertraglich mit dem Einsatzarbeitgeber verbundenen Stammbeschäftigten und die von ihm eingesetzten Zeitarbeitnehmern. Diese Tarifnorm regele lediglich, dass der Kunde nicht gegen das Gesetz verstoße, wenn er denselben Arbeitnehmer länger als 18 Monate in seinem Betrieb einsetze. Dadurch werde das Vertragsverhältnis zwischen dem jeweiligen Zeitarbeitnehmer und dessen Arbeitgeber inhaltlich zunächst nicht betroffen (vgl. Ulrici, § 1 AÜG Rn. 39; Schüren/ Hamann, § AÜG 1 Rn. 355; Ulber, RdA 2018, 52).

Die gesetzlich vorgesehene Verlängerung der Überlassungsdauer für den Vertragsarbeitgeber gem. § 1 Abs. 1b S. 1, HS. 1 AÜG führe im Vertragsverhältnis zwischen diesem und seinem Arbeitnehmer aber nicht zu einer inhaltlichen oder den Abschluss oder die Begründung von Arbeitsverhältnissen bestimmenden Rechtsnorm. § 1 Abs. 1b S. 1, HS. 2 AÜG werde nicht dadurch (auch) zur Inhaltsnorm, weil diese den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Personaldienstleister und dem Arbeitnehmer i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG unmittelbar ordne. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ändere sich durch diese Norm nicht. Diesem werde durch § 1 Abs. 1b S. (...)



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