BAP-Präsident
- Volker Enkerts
2014 – Ein Jahr des Stillstands?
Es gab schon Jahre für unsere Branche, in denen deutlich mehr
passiert ist. 2014 war – ruhig. Das betrifft sowohl die
wirtschaftliche Entwicklung der Zeitarbeit als auch die durch die
Politik gesetzten Rahmenbedingungen für die Branche. Mit Blick
auf eine der wichtigsten Kennzahlen der Zeitarbeit wird deutlich,
dass wir wirtschaftlich eine Phase der Stagnation durchlaufen:
Laut IW-Zeitarbeitsindex, den der Bundesarbeitgeberverband der
Personaldienstleister (BAP) zusammen mit dem Institut der
deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) erhebt, liegen die Zahlen
der Zeitarbeitnehmer in diesem Jahr mit Ausnahme eines Monats
unter denen von 2013, wenn auch nur leicht. Statistiker sprechen
angesichts solcher Zahlen von einer Seitwärtsbewegung, also weder
einem Aufwärts- noch einem Abwärtstrend.
Die Gründe für diese Stagnation unserer Branche sind vielfältig
und unterscheiden sich auch durchaus regional: Während die
Personaldienstleister im Süden der Republik inzwischen schon
Aufträge ablehnen müssen, weil sie schlichtweg keine passenden
Mitarbeiter mehr finden können, droht in einigen westdeutschen
Gebieten schon wieder Kurzarbeit. Im Osten dagegen machen sich
stärker als in anderen Teilen der Republik die Russlandsanktionen
bemerkbar. Das insgesamt labile konjunkturelle Umfeld tut
bundesweit sein Übriges, sodass das Jahr 2014 wirtschaftlich
nicht zu den Highlights für unsere Branche zählen kann.
Es gibt allerdings noch einen anderen Erklärungsansatz für die
Stagnation in der Zeitarbeit, der uns alle hellhörig werden
lassen muss. Dr. Oliver Stettes, Leiter Kompetenzfeld
Arbeitsmarkt- und Personalökonomik des IW Köln, spricht von der
„Decke“ des deutschen Zeitarbeitsmarktes und meint damit, dass
der Bedarf der deutschen Wirtschaft an Zeitarbeitnehmern bei einem
Wert von rund 900.000 gesättigt sein könnte. Ob das tatsächlich
so stimmt, wird sich erweisen. Dass sich die Zahl der
Zeitarbeitskräfte seit der Wirtschaftskrise 2009/2010 stabil
zwischen 800.000 und etwas mehr als 900.000 eingependelt hat,
scheint jedoch dafür zu sprechen. Sollte Dr. Stettes Recht haben,
müssten sich Personaldienstleister ihr Geschäftsmodell sehr
genau ansehen – und sich dezidiert mit den Anforderungen,
Problemen und Wünschen der Kundenunternehmen auseinandersetzen.
Der BAP hat deswegen in diesem Jahr mit seiner bundesweiten
Veranstaltungsreihe „Dialog vor Ort“ einen Blick über den
Tellerrand geworfen und das Thema Personalarbeit im
Kundenunternehmen in den Mittelpunkt gestellt. Denn wenn die
Personaldienstleister nicht wissen, vor welchen Schwierigkeiten
ihre Kunden bei der Personalarbeit stehen, können sie auch keine
passenden Angebote entwickeln.
Der BAP hat dazu mit Thomas Sattelberger einen der renommiertesten
Personaler Deutschlands als Referenten gewonnen, der in seiner
markanten Art erhellende Einblicke in die Personalarbeit bei
Unternehmen gegeben hat. Für viele Teilnehmer war der „Dialog
vor Ort“ nach eigenem Bekunden denn auch eine Bereicherung, weil
die anwesenden Personaldienstleister durch Sattelbergers
Ausführungen und die anschließende Diskussionsrunde ein besseres
Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Kunden gewonnen
haben.
Nicht nur wirtschaftlich, auch politisch war 2014 letztlich ein
Jahr des Stillstands. Die ganze Branche hatte darauf gewartet, was
die große Koalition in Sachen Zeitarbeit unternehmen bzw. –
genauer – anrichten würde. Nur zur Erinnerung: In ihrem
Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD Ende 2013 darauf
verständigt, die Zeitarbeit „weiterzuentwickeln“, wie es
euphemistisch bezeichnet wurde. Diese „Weiterentwicklungen“
sehen unter anderem Equal Pay nach neun Monaten und eine
Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten vor. Geschehen ist bisher
– nichts. Darüber können wir alle nur froh sein, weil die
geplanten Eingriffe der schwarz-roten Regierung unsere Branche
verändern werden. Jedes weitere Jahr, in dem nichts geschieht,
ist deshalb für uns ein gutes Jahr. Allerdings pochen die
Vertreter von Union und SPD darauf, dass die Vorhaben aus dem
Koalitionsvertrag „natürlich“ abgearbeitet werden. Dass sich
die Zeiten inzwischen geändert haben – Stichwort weltweite
konjunkturelle Unsicherheiten – ficht die große Koalition dabei
offensichtlich nicht an. Wir sollten uns also keiner Illusion
hingeben, denn die einschränkenden Änderungen im AÜG werden
kommen; unklar ist eigentlich nur noch, wann genau.
2015 – ein Übergangsjahr?
Prognosen sind immer eine heikle Sache – und häufig genug gehen
sie auch schief. Von ein paar Themen lässt sich aber mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit absehen, dass sie unsere
Branche beschäftigen werden.
Da ist als erstes – natürlich – die Politik zu nennen, denn
da wird, wie schon gesagt, etwas auf uns zukommen. Der Zeitpunkt
ist momentan allerdings ungewiss, sodass 2015 ein Jahr des
Übergangs werden könnte. Der BAP wird auf jeden Fall weiterhin
– wie schon im ganzen letzten Jahr – das intensive Gespräch
mit der Politik suchen. Dabei, das muss uns allen klar sein, kann
es nur darum gehen, das Schlimmste zu verhindern. Was denn nun
schlimmer ist, Equal Pay nach neun Monaten oder eine
Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, wird jeder
Personaldienstleister etwas anders beurteilen – je nach
Geschäftsmodell. Dass beide geplanten Eingriffe nicht ohne Folgen
bleiben werden, ist aber unstrittig. Deswegen wird der BAP alles
daran setzen, der Politik immer und immer wieder vor Augen zu
führen, dass eine Einschränkung der Zeitarbeit keine gute Idee
ist. Ob und was dabei herauskommen wird, ist genauso ungewiss, wie
Prognosen unsicher sind. Aber – „kämpfen“ werden wir mit
Sicherheit!
Ein weiteres Thema, das seine Schatten allerdings schon länger
vorauswirft, wird der Fachkräftemangel sein. Dieses Problem wird
sich im Zweifelsfall aufgrund des demografischen Wandels und –
politisch verursacht – der Rente mit 63 eher noch verschärfen.
Wir haben zwar unsere Branche für Fachkräfte mit
Tariferhöhungen und Branchenzuschlägen sehr attraktiv gemacht,
aber der sogenannte „War of Talents“ ist schon längst im
Gange. Wir Personaldienstleister spüren das extrem daran, dass
die Übernahmequoten unserer Mitarbeiter steigen und steigen.
Positiv gewendet zeigt dieser Trend, dass die Kundenunternehmen
erkannt haben, wie gut unsere Mitarbeiter sind, und dass wir
Personaldienstleister das beste Rekrutierungsinstrument auf einem
leergefegten Arbeitsmarkt sind. Aber wir verlieren damit wichtige
Fachkräfte, die inzwischen nur noch sehr schwer zu ersetzen sind.
Doch wer, wenn nicht wir als Personalexperten, sollte Lösungen
für diese Situation finden?
Deswegen sollte unsere Branche das nächste Jahr nutzen, um
Modelle zu entwickeln, wie wir dem Fachkräftemangel – nicht nur
für uns, sondern auch für unsere Kunden – begegnen können.
Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie sich das
Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse
vereinfachen lässt, damit hier lebende Fachkräfte aus dem
Ausland so schnell wie möglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, welche Möglichkeiten
der Kooperation es gibt, damit auch die kleinen und
mittelständischen Unternehmen unserer Branche in die Lage
versetzt werden, im Ausland Fachkräfte zu rekrutieren und in
Deutschland zu integrieren. Und lassen Sie uns schauen, was wir in
Sachen Qualifizierung von Menschen ohne Berufsabschluss tun
können, um auch im Inland vorhandene Potentiale zu aktivieren.
Mit dem letzten Punkt hat der BAP jedenfalls schon angefangen:
Unser Arbeitskreis Bildung hat letztes Jahr ein Modell entwickelt,
mit dem Geringqualifizierte in drei Stufen an einen
Berufsabschluss herangeführt werden. Die ersten beiden Stufen,
mit denen Ungelernte erst zum Fachhelfer und dann zum
Fachassistenten qualifiziert werden, laufen über
Personenzertifizierungen. Hier arbeitet der BAP mit einem
externen, akkreditierten Anbieter zusammen, der die Prüfungen
abnimmt und den Qualifikationszuwachs der Zeitarbeitnehmer mit
einem entsprechenden Zertifikat dokumentiert. So haben
Zeitarbeitskräfte schon nach der ersten Stufe etwas
Substanzielles in der Hand, mit dem sie ihre gestiegenen
Fähigkeiten nachweisen können. Die dritte Stufe baut auf den
ersten beiden auf und führt zur sogenannten Externenprüfung,
also einem anerkannten Berufsabschluss ohne entsprechende
Ausbildung, die zum Beispiel von der IHK oder den Handwerkskammern
abgenommen wird. Aus geringqualifizierten Zeitarbeitnehmern werden
so stufenweise Fachkräfte. Im Frühjahr 2015 wird der BAP mit
ausgewählten Mitgliedsunternehmen in die Pilotphase einsteigen
und unter anderem die eigens von unserem Verband entwickelte
ELearning- Plattform testen. Mit Hilfe dieser Plattform werden
Zeitarbeitnehmer ganz bequem – zum Beispiel auf dem Weg zur
Arbeit – auf die Lerninhalte zugreifen und sich so neben den im
Job erworbenen Fertigkeiten auch das theoretische Wissen aneignen
können. Das dreistufige BAP-Qualifizierungsmodell wird erst
einmal den Mitgliedsunternehmen vorbehalten sein, eine spätere
Öffnung für alle Personaldienstleister ist jedoch vorgesehen.
Das dritte – und letzte – Thema für das kommende Jahr, das
ich kurz anschneiden will, betrifft die oben schon angesprochene
These von Dr. Stettes, dass der Zeitarbeitsmarkt in Deutschland an
den Rand der Sättigung gekommen ist. Selbst wenn wir diese
Sättigungsgrenze noch nicht vollständig erreicht haben sollten,
weisen die Daten der Bundesagentur für Arbeit und des
IW-Zeitarbeitsindexes darauf hin, dass die Jahre der großen
Zuwächse vorbei sind. Jedenfalls was die Quantität betrifft. Mit
anderen Worten: Wachstum wird sich in unserer Branche künftig
hauptsächlich über die Qualität und innovative Angebote
generieren lassen. Damit steht jeder Personaldienstleister vor der
gewiss nicht leichten Aufgabe, sein Geschäftsmodell zu
überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren. Aber auch die
ganze Branche sollte sich fragen, welche zusätzlichen Angebote
wir entwickeln können, um unsere Kunden zu unterstützen. Der BAP
ist jedenfalls sehr gerne bereit, die Moderation für ein solches
branchenweites Brainstorming zu übernehmen.
Volker Enkerts
|