Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Unzuverlässigkeit
eines Personaldienstleisters – die BA schlägt (erneut) zu!
Eine
Arbeitnehmerüberlassung kann grundsätzlich nur legal betrieben
werden, wenn das Zeitarbeitsunternehmen über eine Erlaubnis gem.
§ 1 Abs. 1 S. 1, § 2 AÜG verfügt, es sei denn, es liegt ein
Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 3, § 1a AÜG vor. Diese ist bei
der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu beantragen, die auch nach
deren Erteilung überprüft, ob sich der Personaldienstleister
insbesondere als "zuverlässig" erweist und in diesem
Zusammenhang u.a. die maßgeblichen gesetzlichen und
tarifvertraglichen Bestimmungen beachtet. Ist dies nicht der Fall,
kann die beantragte Verlängerung der befristeten Erlaubnis
versagt (§ 3 AÜG) oder die bereits unbefristet erteilte
Erlaubnis widerrufen werden (§ 5 AÜG). Da Rechtsmittel gegen den
entsprechenden Bescheid (hier: Widerspruch und Klage) keine
aufschiebende Wirkung haben (§ 86a Abs. 4 SGG), bleibt dem
Personaldienstleister nur die Inanspruchnahme von einstweiligem
Rechtsschutz vor den Sozialgerichten übrig, wenn er – wie
regelmäßig – beabsichtigt, den Überlassungsbetrieb weiter
aufrechterhalten will. Wird nämlich nur in der Hauptsache ein
Widerspruch eingelegt und im Anschluss eine Klage erhoben, ist dem
Zeitarbeitsunternehmen im Rahmen der Abwicklungsfrist des § 2
Abs. 4 S. 3 (i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 2) AÜG der Abschluss von
Neugeschäften untersagt; lediglich die bereits abgeschlossenen
Arbeitnehmerüberlassungsverträge können fortgeführt werden,
längstens aber für einen Zeitraum von 12 Monaten.
Durch
die AÜG-Reform 2017 haben sich die "gesetzlichen
Spielregeln" zur Durchführung einer Arbeitnehmerüberlassung
bekanntermaßen mit Wirkung zum 01.04.2017 maßgeblich geändert.
Neben einer Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b
AÜG) wurden Offenlegungsund Konkretisierungspflichten (§ 1 Abs.
1 S. 5, 6 AÜG) eingeführt; der equal pay-Anspruch ist durch die
Anwendung der Tarifwerke der Zeitarbeit aufgrund einer beidseitig
übereinstimmenden Tarifbindung oder einer arbeitsvertragliche
Bezugnahme auf diese grundsätzlich nur noch bis zum vollendeten
9. Monat eines Kundeneinsatzes abdingbar (§ 8 Abs. 4 AÜG).
Gefühlt hat die BA den Rechtsanwendern ein gutes Jahr
eingeräumt, sich an die gesetzlichen Neuerungen "zu
gewöhnen", deren maßgebliche Dokumente (u.a.
Arbeitnehmerüberlassungs- und Arbeitsverträge) und Prozesse zu
ändern und die notwendigen Anpassungen in der täglichen Praxis
gegenüber den Kunden und den Zeitarbeitnehmern umzusetzen.
Inzwischen scheint die Behörde die Zügel straffer zu ziehen; die
ursprüngliche ückhaltung der BA ist – wie sich in der
täglichen Beratungspraxis zeigt – nun eher einer "Zero-Tolerance-Politik"
gewichen. Für diesen Befund spricht auch, dass die gerichtlichen
Auseinandersetzungen über die verweigerte Verlängerung der Ar -
bei tnehmerüberlassungser - laubnis bzw. deren Widerruf in der
jüngeren Vergangenheit – zumindest unter Berücksichtigung der
jüngst veröffentlichten Entscheidungen dazu – zugenommen zu
haben scheinen (vgl. zuletzt: LSG Niedersachsen-Bremen v.
27.06.2018 – L 7 AL 22/18 B ER; LSG Berlin-Brandenburg v.
22.01.2018 – L 18 AL 209/17 B ER; dazu: Bissels/Falter,
jurisPR-ArbR 23/2018 Anm. 4; LSG Sachsen- Anhalt v. 10.11.2017 –
L 2 AL 75/17 B ER; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 6/2018 Anm.
6).
In diesem Zusammenhang hat sich das LSG Niedersachsen-Bremen in
der hiesig besprochenen Entscheidung mit dem Widerruf einer
unbefristet erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis befassen
müssen. Das Gericht hat im Ergebnis bestätigt, dass der
Personaldienstleister im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes
nicht verlangen kann, dass die aufschiebende Wirkung des
seinerseits eingelegten Rechtsmittels angeordnet wird (Beschl. v.
21.12.2018 – L 7 AL 163/18 B ER; so auch die Vorinstanz: SG
Hannover v. 18.10.2018 – S 9 AL 302/18 ER).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Dem
Beschluss lag zusammengefasst folgender Sachverhalt
zugrunde:
Die Antragstellerin betreibt auf der Grundlage einer ab dem
30.06.1998 erstmals erhaltenen, jeweils antragsgemäß
verlängerten und ab dem 30.06.2007 unbefristet erteilten
Erlaubnis die Überlassung von Arbeitnehmern.
Am 27.04.2011 stellte die BA eine Vielzahl von
Versagungstatbeständen i.S.v. § 3 AÜG fest, u.a. die falsche
Vergütung von Freizeitstunden, die nicht erfolgte bzw. nicht
korrekte Zahlung von einsatzbezogenen Zulagen sowie von
tarifvertraglichen Sonderzahlungen, Verstöße gegen das EFZG, das
BUrlG, das NachwG und das TzBfG. Die Antragsgegnerin beanstandete
diese Verstöße ausdrücklich unter Hinweis auf einen möglichen
Widerruf der Erlaubnis und behielt sich eine weitere Prüfung vor.
Am 16.05.2018 führte die Antragsgegnerin eine erneute, vorab
angekündigte örtliche Prüfung durch. Diese ergab eine Vielzahl
gerügter und der Antragstellerin mitgeteilter Mängel im Rahmen
der Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern, u.a. Verstöße gegen
das equal pay- Gebot nach einer neunmonatigen Überlassung, gegen
das NachwG, gegen das ArbZG, gegen den sog. Garantielohn gem.
§615 Abs.1 S. 1 BGB, unzulässige Auftragskündigungen,
Verstöße gegen den MTV iGZ/DGB (u.a. durch Vorenthaltung von
Jahressonderzahlungen sowie durch die falsche Berechnung des
Urlaubsentgelts, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und von
Mehrarbeitszuschlägen) und das EFZG an Feiertagen, rechtswidrige
Probezeitvereinbarungen und Vertragsstrafen, Verstöße gegen das
ArbSchG und gegen die Auskunftsverpflichtung gem. §7 Abs.2 AÜG
wegen Nichtvorlage vollständiger Unterlagen aus allen
Niederlassungen. Vor diesem Hintergrund sei – so die BA
schriftlich gegenüber dem Personaldienstleister – ein Widerruf
der Erlaubnis gem. § 5 AÜG aufgrund einer anzunehmenden
Unzuverlässigkeit beabsichtigt. Dieser erfolgte schließlich mit
Bescheid vom 10.08.2018. Hiergegen legte die Antragstellerin
Widerspruch ein und beantragte im einstweiligen Rechtsschutz die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
SGG.
Das LSG Niedersachsen-Bremen bestätigte im Ergebnis die
erstinstanzliche Entscheidung, den Antrag abzulehnen. Die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung komme nicht in Betracht, da
der Bescheid der BA mit einer weit überwiegenden
Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sei; die Erfolgsaussichten von
Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin
seien nur als sehr gering einzuschätzen.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG könne eine erteilte Erlaubnis mit
Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die BA aufgrund
nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die
Erlaubnis zu versagen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG sei dies der
Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der
Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG
erforderliche Zuverlässigkeit nicht besäße, weil er u.a. die
arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhalte. Wann die
Voraussetzungen des Versagungsgrundes verwirklicht seien, ergebe
sich nicht abschließend aus dem AÜG. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG
beschränke sich auf die Aufzählung von Beispielsfällen. Zur
Auslegung könne aber der Zweck der Vorschrift herangezogen
werden. Dieser bestehe darin, im Interesse der Sicherheit des
sozialen Schutzes der Zeitarbeitnehmer unzuverlässige
Personaldienstleister aus dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung
auszuschalten. Als unzuverlässig sei danach derjenige anzusehen,
wenn in seiner Person Tatsachen vorlägen, denen zufolge zu
besorgen sei, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den
bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben werde. Zwar werde es
sich in der Regel um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich,
z.B. Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige
geldwerte Leistungen o.ä., handeln. Die Unzuverlässigkeit könne
sich aber auch aus einer Summierung von Umständen und kleinen
Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für
sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten. Dabei
sei eine Prognose für die Zukunft anzustellen. Maßgebend sei ein
aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit
und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches
zukünftiges Verhalten des Antragstellers. Im Rahmen der im
pflichtgemäßen Ermessen stehenden Widerrufsentscheidung seien
aufgrund der Aufhebung einer ursprünglich rechtmäßigen
Erlaubnis im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Schwere
und Häufigkeit der Verstöße zu gewichten und mildere Mittel,
z.B. der Erlass einer Auflage, in Erwägung zu ziehen.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen
Prüfung sei davon auszugehen, dass die Prognose zur
Zuverlässigkeit der Antragstellerin negativ ausfalle. Maßgeblich
dafür sei bereits ihr Verhalten nach der Kenntniserlangung und
der Einräumung von Verstößen seit Mai 2018. Die Antragstellerin
habe danach nicht nur keine auch nur ansatzweise hinreichenden
Maßnahmen zur Sicherstellung der zukünftigen Einhaltung der ihr
gesetzlich und tarifvertraglich obliegenden Verpflichtungen
getroffen, sondern – im Gegenteil – derartige Maßnahmen sogar
für gar nicht erforderlich erachtet. Da die eingeräumten
Verstöße, die hinsichtlich der Vergütung, der vertraglich
vereinbarten Arbeitszeit und des (...)
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