Heft 05/2022

Heft Mai 2022

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 05/22 - Inhalt

  • "Arbeiterlosigkeit" Herausforderung der Zukunft

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven Rechtliche Fallstricke bei der Nutzung von digitalen Lösungen bei dem Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen

  • Hays-Fachkräfte-Index Q1/2022: Fachkräftelücke wächst – Nachfrage nach Personalern explodiert

  • Ein Jahrzehnt Wogen glättenKontakt- und Schlichtungsstelle vor zehn Jahren gegründet

  • Bundestag verabschiedet Pflegebonusgesetz - Corona-Pflegebonus auch für Zeitarbeitskräfte

  • European Labour Market Barometer: trotz des Ukraine-Kriegs bleibt der europäische Arbeitsmarkt auf Erholungskurs

  • Lünendonk-Liste und -Studie 2022 "Führende Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland" Zeitarbeitsunternehmen wieder nahezu auf dem Umsatzniveau von 2019

  • Zeitarbeitgeberverbände verhandeln über Verbandsneugründung

  • 15. ES-Unternehmerforum für Personaldienstleister Zeitenwende in der Zeitarbeit?

  • 89 Prozent der Unternehmen bieten weiterhin Homeoffice an

  • Ergebnisse der IAB-Stellenerhebung für das erste Quartal 2022: Offene Stellen erreichen mit 1,74 Millionen einen neuen Rekordwert

  • BAP Job-Navigator 5/2022: " Bundesländerranking" Aktuelle Analyse: Hamburg und Berlin kurbeln deutschen Jobmotor an

  • Fachgespräch zum Thema „Arbeitskräftebedarf"

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

Rechtliche Fallstricke bei der Nutzung von digitalen Lösungen bei dem Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen

Der durch die Coronapandemie bedingte „Digitalisierungsschub“ hat auch vor dem Arbeitsrecht keinen Halt gemacht – dies gilt insbesondere mit Blick auf ein räumlich entgrenztes Arbeiten im Home-Office oder auf die Flexibilisierung der Lage der Arbeitszeit. Gerade bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen sind jedoch gewisse formelle Anforderungen zu beachten, die im Zweifel als „old fashioned“ zu bezeichnen sind, aber – gerade aus Arbeitgebersicht – durchaus „unangenehme“ Konsequenzen nach sich ziehen können, wenn diese nicht beachtet werden.

Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg deutlich auf, in der – entgegen dem ursprünglichen Willen bzw. Wunsch des beklagten Personaldienstleisters – statt eines befristeten Arbeitsvertrages ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist, weil Formvorschriften nicht eingehalten worden sind (Urt. v. 16.03.2022 – 23 Sa 1133/21).

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Die Klägerin war laut der vorliegenden Presserklärung für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig. Bei Aufträgen von Kundenbetrieben und Einverständnis der Klägerin mit einer angeforderten Tätigkeit schlossen der beklagte Personaldienstleister und die Klägerin über mehrere Jahre mehr als 20 kurzzeitig befristete Arbeitsverträge. Diese bezogen sich jeweils auf die anstehende ein- oder mehrtätige Tätigkeit, zuletzt auf eine Beschäftigung als Messehostess. Hierzu erhielt die Klägerin jeweils einen auf diese Tage des geplanten Einsatzes befristeten Arbeitsvertrag mit einer eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers des Personaldienstleisters. Die Klägerin unterschrieb diesen Vertrag und schickte ihn per Post an das Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber zurück.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung mangels Einhaltung der Schriftform geltend. Der Personaldienstleister meint, es sei dafür nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmerin vor Arbeitsaufnahme eine im Original unterschriebene Annahmeerklärung des Arbeitgebers zugehe. Zudem verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, wenn sie sich gegen eine Praxis wende, die sie lange Zeit unbeanstandet mitgetragen habe.

Im Ergebnis hat das LAG Berlin- Brandenburg der Klage – wie bereits die Vorinstanz – stattgegeben. Die vereinbarte Befristung sei mangels Einhaltung der gem. § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend vorgeschriebenen Schriftform unwirksam. Die Schriftform im Sinne des § 126 BGB erfordere eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur.

Der vorliegende Scan einer Unterschrift genüge diesen Anforderungen nicht. Bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift – auch durch datenmäßige Reproduktion durch Computereinblendung in Form eines Scans – liege keine Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur genüge ein Scan ebenfalls nicht.

Eine etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten Vertrages auch durch den Personaldienstleister führe nicht zur Wirksamkeit der Befristung. Vielmehr müsse die eigenhändig unterzeichnete Befristungsabrede bei der Klägerin als Erklärungsempfängerin vor Vertragsbeginn vorliegen.

Dass die Klägerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen habe, stehe der jetzt innerhalb der dreiwöchigen Frist nach dem vorgesehenen Befristungsablauf gem. § 17 TzBfG erhobenen Klage nicht entgegen. Die Klägerin verhalte sich mit ihrer Klage nicht treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht schützenswert.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Befristungsabrede bestehe das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung durch die zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung fort.

II. Bewertung

Die Entscheidung des LAG Berlin- Brandenburg ist wenig überraschend. Zwar existiert keine (gesetzliche) Vorschrift, die für den wirksamen Abschluss eines Arbeitsvertrags die Einhaltung der strengen Schriftform verlangt. Soll dieser allerdings (wirksam) befristet abgeschlossen werden, gilt § 14 Abs. 4 TzBfG, der für die Befristungsabrede die Schriftform vorsieht. Da diese regelmäßig in einen Arbeitsvertrag „eingebettet“ wird, ist für diesen – zumindest im Ergebnis – die Schriftform zu beachten, damit wirksam eine Befristung vereinbart werden kann. Schriftform meint grundsätzlich eine Originalunterschrift von beiden Parteien – und gerade keinen Scan einer Unterschrift. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitsvertrag nur für einige wenige Tage geschlossen worden ist. Das LAG Berlin- Brandenburg weist zu Recht darauf hin, dass zwar digitale Lösungen möglich sind. Dann ist es aber nach herrschender Meinung erforderlich, dass zumindest eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB verwendet wird (vgl. Rennpferdt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 14 TzBfG Rn. 201; Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, 6. Aufl. 2021, § 14 TzBfG Rn. 694), da diese – anders als in § 623 BGB – in § 14 Abs. 4 TzBfG gerade nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird; ein schlichter Scan der Unterschrift (des Arbeitgebers) ist (offensichtlich) nicht hinreichend. Eine einfache oder fortgeschrittene Signatur erfüllt die Anforderungen des § 126a BGB ebenfalls nicht; diese reicht folglich nicht aus, um die gesetzlich verlangte Schriftform zu substituieren. Dies gilt im Übrigen nicht nur bei dem Abschluss von befristeten Arbeits-, sondern auch bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen.

Dass es in der Praxis in diesem Zusammenhang oftmals – sei es aus Unkenntnis, sei es aus Gründen der Praktikabilität und der Vereinfachung (unter bewusster Hinnahme von dadurch entstehenden rechtlichen Risiken) – „Fehler“ gemacht werden, zeigt auch eine andere aktuelle Entscheidung – diesmal vom ArbG Berlin (Urt. v. 28.09.2021 – 36 Ca 15296/20):

Laut der Pressemitteilung vom 26.10.2021 genügt ein von beiden Seiten nur in elektronischer Form unterzeichneter befristeter Arbeitsvertrag den Formvorschriften für eine wirksame Vereinbarung einer Befristung nicht.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall haben der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin einen befristeten Arbeitsvertrag als Mechatroniker nicht durch eigenhändige Namensunterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen, sondern unter Verwendung einer elektronischen Signatur. Das ArbG Berlin entschied, dass jedenfalls die hier verwendete Form der Signatur dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Auch wenn man annehme, dass eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126a BGB zur wirksamen Vereinbarung einer Befristung ausreiche, liege in diesem Fall keine solche vor. Für eine qualifizierte elektronische Signatur sei eine Zertifizierung des genutzten Systems gem. der Verordnung (EU) vom 23.07.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-VO) erforderlich. Eine solche Zertifizierung durch die zuständige Bundesnetzagentur biete das verwendete System nicht. Entsprechend sei die Vereinbarung der Befristung mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam, der Arbeitsvertrag gelte gem. § 16 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Beide Urteile zeigen, dass die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften bei dem Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen von essenzieller Bedeutung ist, möchte der Personaldienstleister Risiken vermeiden, die daraus erwachsen können, dass sich eine Befristung im Nachhinein als unwirksam herausstellt und damit ungewollt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Die rechtssicherste Variante stellt weiterhin die Originalunterschrift unter die Befristung bzw. den Vertrag dar. Gerade aufgrund der der Zeitarbeit immanent anhaftenden Schnelllebigkeit mag man auf elektronische oder digitale Lösungen „umstellen“ wollen, dann aber bitte auch in rechtskonformer Art und Weise, nämlich unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur und nicht auf „halbgare“ Prozesse, bei denen insbesondere mit gescannten Unterschriften gearbeitet wird. Dies kann – wie die Fälle eindrucksvoll zeigen – dazu führen, dass sich Arbeitgeber schnell ein blaues Auge bei den Arbeitsgerichten abholen, wenn und soweit die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich die Unwirksamkeit der Befristung rügen und auf den Fortbestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses klagen.

Selbst wenn eine qualifizierte elektronische Signatur bei dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages verwendet wird, sind damit (bedauerlicherweise) noch nicht alle daraus erwachsenden Rechtsrisiken eliminiert, denn das BAG hat dieses Vorgehen bislang (noch) nicht höchstrichterlich „abgesegnet“. Auch bei diesem Prozess verbleiben also (Rest-)Zweifel, die von den betroffenen Arbeitnehmer fruchtbar gemacht werden können, um zu versuchen, sich (unbefristet) bei dem Arbeitgeber einzuklagen. Diese dürften aber – zumindest aus arbeitsrechtlicher Sicht mit der herrschenden Auffassung (vgl. auch: (...)



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