Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
Rechtliche
Fallstricke bei der Nutzung von digitalen Lösungen bei dem
Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen
Der
durch die Coronapandemie bedingte „Digitalisierungsschub“ hat
auch vor dem Arbeitsrecht keinen Halt gemacht – dies gilt
insbesondere mit Blick auf ein räumlich entgrenztes Arbeiten im
Home-Office oder auf die Flexibilisierung der Lage der
Arbeitszeit. Gerade bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen sind
jedoch gewisse formelle Anforderungen zu beachten, die im Zweifel
als „old fashioned“ zu bezeichnen sind, aber – gerade aus
Arbeitgebersicht – durchaus „unangenehme“ Konsequenzen nach
sich ziehen können, wenn diese nicht beachtet werden.
Dies
zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
deutlich auf, in der – entgegen dem ursprünglichen Willen bzw.
Wunsch des beklagten Personaldienstleisters – statt eines
befristeten Arbeitsvertrages ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
entstanden ist, weil Formvorschriften nicht eingehalten worden
sind (Urt. v. 16.03.2022 – 23 Sa 1133/21).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Die
Klägerin war laut der vorliegenden Presserklärung für ein
Zeitarbeitsunternehmen tätig. Bei Aufträgen von Kundenbetrieben
und Einverständnis der Klägerin mit einer angeforderten
Tätigkeit schlossen der beklagte Personaldienstleister und die
Klägerin über mehrere Jahre mehr als 20 kurzzeitig befristete
Arbeitsverträge. Diese bezogen sich jeweils auf die anstehende
ein- oder mehrtätige Tätigkeit, zuletzt auf eine Beschäftigung
als Messehostess. Hierzu erhielt die Klägerin jeweils einen auf
diese Tage des geplanten Einsatzes befristeten Arbeitsvertrag mit
einer eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers des
Personaldienstleisters. Die Klägerin unterschrieb diesen Vertrag
und schickte ihn per Post an das Zeitarbeitsunternehmen als
Arbeitgeber zurück.
Mit
ihrer Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit der zuletzt
vereinbarten Befristung mangels Einhaltung der Schriftform
geltend. Der Personaldienstleister meint, es sei dafür nicht
erforderlich, dass der Arbeitnehmerin vor Arbeitsaufnahme eine im
Original unterschriebene Annahmeerklärung des Arbeitgebers
zugehe. Zudem verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, wenn
sie sich gegen eine Praxis wende, die sie lange Zeit unbeanstandet
mitgetragen habe.
Im
Ergebnis hat das LAG Berlin- Brandenburg der Klage – wie bereits
die Vorinstanz – stattgegeben. Die vereinbarte Befristung sei
mangels Einhaltung der gem. § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend
vorgeschriebenen Schriftform unwirksam. Die Schriftform im Sinne
des § 126 BGB erfordere eine eigenhändige Unterschrift oder eine
qualifizierte elektronische Signatur.
Der
vorliegende Scan einer Unterschrift genüge diesen Anforderungen
nicht. Bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift
– auch durch datenmäßige Reproduktion durch
Computereinblendung in Form eines Scans – liege keine
Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte
elektronische Signatur genüge ein Scan ebenfalls nicht.
Eine
etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten
Vertrages auch durch den Personaldienstleister führe nicht zur
Wirksamkeit der Befristung. Vielmehr müsse die eigenhändig
unterzeichnete Befristungsabrede bei der Klägerin als
Erklärungsempfängerin vor Vertragsbeginn vorliegen.
Dass
die Klägerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen habe,
stehe der jetzt innerhalb der dreiwöchigen Frist nach dem
vorgesehenen Befristungsablauf gem. § 17 TzBfG erhobenen Klage
nicht entgegen. Die Klägerin verhalte sich mit ihrer Klage nicht
treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges
Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht
schützenswert.
Aufgrund
der Unwirksamkeit der Befristungsabrede bestehe das
Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung durch die zwischenzeitlich
ausgesprochene Kündigung fort.
II.
Bewertung
Die
Entscheidung des LAG Berlin- Brandenburg ist wenig überraschend.
Zwar existiert keine (gesetzliche) Vorschrift, die für den
wirksamen Abschluss eines Arbeitsvertrags die Einhaltung der
strengen Schriftform verlangt. Soll dieser allerdings (wirksam)
befristet abgeschlossen werden, gilt § 14 Abs. 4 TzBfG, der für
die Befristungsabrede die Schriftform vorsieht. Da diese
regelmäßig in einen Arbeitsvertrag „eingebettet“ wird, ist
für diesen – zumindest im Ergebnis – die Schriftform zu
beachten, damit wirksam eine Befristung vereinbart werden kann.
Schriftform meint grundsätzlich eine Originalunterschrift von
beiden Parteien – und gerade keinen Scan einer Unterschrift.
Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitsvertrag nur für einige
wenige Tage geschlossen worden ist. Das LAG Berlin- Brandenburg
weist zu Recht darauf hin, dass zwar digitale Lösungen möglich
sind. Dann ist es aber nach herrschender Meinung erforderlich,
dass zumindest eine qualifizierte elektronische Signatur nach §
126a BGB verwendet wird (vgl. Rennpferdt in: Henssler/Willemsen/Kalb,
Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 14 TzBfG Rn. 201;
Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, 6. Aufl. 2021, § 14 TzBfG Rn.
694), da diese – anders als in § 623 BGB – in § 14 Abs. 4
TzBfG gerade nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird; ein
schlichter Scan der Unterschrift (des Arbeitgebers) ist
(offensichtlich) nicht hinreichend. Eine einfache oder
fortgeschrittene Signatur erfüllt die Anforderungen des § 126a
BGB ebenfalls nicht; diese reicht folglich nicht aus, um die
gesetzlich verlangte Schriftform zu substituieren. Dies gilt im
Übrigen nicht nur bei dem Abschluss von befristeten Arbeits-,
sondern auch bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen.
Dass
es in der Praxis in diesem Zusammenhang oftmals – sei es aus
Unkenntnis, sei es aus Gründen der Praktikabilität und der
Vereinfachung (unter bewusster Hinnahme von dadurch entstehenden
rechtlichen Risiken) – „Fehler“ gemacht werden, zeigt auch
eine andere aktuelle Entscheidung – diesmal vom ArbG Berlin
(Urt. v. 28.09.2021 – 36 Ca 15296/20):
Laut
der Pressemitteilung vom 26.10.2021 genügt ein von beiden Seiten
nur in elektronischer Form unterzeichneter befristeter
Arbeitsvertrag den Formvorschriften für eine wirksame
Vereinbarung einer Befristung nicht.
In
dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall haben der
Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin einen befristeten
Arbeitsvertrag als Mechatroniker nicht durch eigenhändige
Namensunterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen, sondern unter
Verwendung einer elektronischen Signatur. Das ArbG Berlin
entschied, dass jedenfalls die hier verwendete Form der Signatur
dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Auch wenn man annehme,
dass eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des §
126a BGB zur wirksamen Vereinbarung einer Befristung ausreiche,
liege in diesem Fall keine solche vor. Für eine qualifizierte
elektronische Signatur sei eine Zertifizierung des genutzten
Systems gem. der Verordnung (EU) vom 23.07.2014 über
elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für
elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-VO)
erforderlich. Eine solche Zertifizierung durch die zuständige
Bundesnetzagentur biete das verwendete System nicht. Entsprechend
sei die Vereinbarung der Befristung mangels Einhaltung der
Schriftform unwirksam, der Arbeitsvertrag gelte gem. § 16 TzBfG
als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Beide
Urteile zeigen, dass die Einhaltung der gesetzlichen
Formvorschriften bei dem Abschluss von befristeten
Arbeitsverträgen von essenzieller Bedeutung ist, möchte der
Personaldienstleister Risiken vermeiden, die daraus erwachsen
können, dass sich eine Befristung im Nachhinein als unwirksam
herausstellt und damit ungewollt ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis entsteht. Die rechtssicherste Variante stellt
weiterhin die Originalunterschrift unter die Befristung bzw. den
Vertrag dar. Gerade aufgrund der der Zeitarbeit immanent
anhaftenden Schnelllebigkeit mag man auf elektronische oder
digitale Lösungen „umstellen“ wollen, dann aber bitte auch in
rechtskonformer Art und Weise, nämlich unter Nutzung einer
qualifizierten elektronischen Signatur und nicht auf
„halbgare“ Prozesse, bei denen insbesondere mit gescannten
Unterschriften gearbeitet wird. Dies kann – wie die Fälle
eindrucksvoll zeigen – dazu führen, dass sich Arbeitgeber
schnell ein blaues Auge bei den Arbeitsgerichten abholen, wenn und
soweit die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich die Unwirksamkeit
der Befristung rügen und auf den Fortbestand eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses klagen.
Selbst
wenn eine qualifizierte elektronische Signatur bei dem Abschluss
eines befristeten Arbeitsvertrages verwendet wird, sind damit
(bedauerlicherweise) noch nicht alle daraus erwachsenden
Rechtsrisiken eliminiert, denn das BAG hat dieses Vorgehen bislang
(noch) nicht höchstrichterlich „abgesegnet“. Auch bei diesem
Prozess verbleiben also (Rest-)Zweifel, die von den betroffenen
Arbeitnehmer fruchtbar gemacht werden können, um zu versuchen,
sich (unbefristet) bei dem Arbeitgeber einzuklagen. Diese dürften
aber – zumindest aus arbeitsrechtlicher Sicht mit der
herrschenden Auffassung (vgl. auch: (...)
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