Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Gericht
bestätigt Unzuverlässigkeit eines Personaldienstleisters –
Punkt für die BA!
Mit
einem spannenden Fall musste sich jüngst das LSG
Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen eines von dem betroffenen
Personaldienstleister angestrengten erlaubnisrechtlichen
Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz befassen, nachdem die
Behörde die beantragte Verlängerung der befristeten
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unter Hinweis auf die fehlende
Zuverlässigkeit des Zeitarbeitsunternehmens abgelehnt hatte (Beschl.
v. 25.05.2020 - L 2 AL 37/19 B ER; so auch die Vorinstanz: SG
Rostock v. 26.09.2019 – S 2 AL 58/19 ER). Die Entscheidung ist
insbesondere vor dem Hintergrund interessant, da sich diese mit
einem durchaus verbreiteten Modell in der Überlassungsbranche mit
einem Schwerpunkt in der Veranstaltungs- und Gastronomiebrache
befasst, indem insbesondere mit Studenten – auf Grundlage eines
Rahmenvertrages – jeweils einsatzbezogene sachgrundbefristete
Arbeitsverträge (in der Regel nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG:
auf Wunsch des Arbeitnehmers) abgeschlossen werden. Oftmals wird
dieses Modell in einer Zeitgeringfügigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2
SGB IV kombiniert. Die BA steht diesem – wie der Verfasser aus
der eigenen Beratungspraxis zu berichten weiß – wegen der
(vermeintlichen) Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf den
Zeitarbeitnehmer und damit verbundener Verstöße gegen das
Garantielohprinzip kritisch gegenüber.
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Dem
Beschluss liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt
zugrunde:
Die
Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig
und beschäftigt durchschnittlich etwa 186 Arbeitnehmer. Dabei
handelt es sich ausschließlich um Studenten, die auf
geringfügiger Basis tätig werden. Der Einsatz erfolgt
insbesondere in den Bereichen Housekeeping, Gepäckverladung,
Bürohilfstätigkeiten sowie Aushilfsarbeiten in der Gastronomie
und Eventbetreuung.
1.
Verwaltungsverfahren
Anfang
2016 beantragte die Antragstellerin erstmalig die Erteilung einer
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Im Rahmen der Prüfung
durch die Antragsgegnerin wurden folgende Punkte beanstandet:
Nichtbeachtung des Gleichstellungsgrundsatzes, Fehlen der
Regelungen zum Garantielohnanspruch sowie eindeutiger
Arbeitszeitvereinbarungen. Die Antragstellerin ergänzte die
eingereichten Musterverträge um die fehlenden Bestimmungen, so
dass die Antragsgegnerin die Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung befristet auf ein Jahr erteilte. Diese
wies ausdrücklich darauf hin, dass die Antragstellerin bei einer
Überlassung den Gleichstellungsgrundsatz erfüllen müsse. Dies
bedeute, dass sie die verbindlich eingereichten Leihund
Arbeitnehmerüberlassungsvertragsmuster auch tatsächlich in
dieser Form nutzen, sich von dem Kunden vor Beginn der
Überlassung Auskünfte zu allen wesentlichen Arbeitsbedingungen
für einen vergleichbaren Arbeitnehmer seines Betriebes geben
lassen, diese Arbeitsbedingungen den überlassenen Arbeitnehmern
mindestens gewähren und Nachweis darüber führen müsse. Im
April 2017 beantragte die Antragstellerin eine Verlängerung der
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie reichte dazu die
aktuellen Vertragsmuster ein. Die Antragsgegnerin verlängerte
danach die bestehende Erlaubnis bis zum 25.07.2018.
Im
April 2018 beantragte die Antragstellerin wiederum die
Verlängerung der bestehenden Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung. Schriftlich beanstandete die
Antragsgegnerin im Anschluss an eine erstmals durchgeführte
Stichprobenprüfung u.a., dass mit den Arbeitnehmern
grundsätzlich eine in der Arbeitnehmerüberlassung unzulässige
projektbezogene Befristung gem. §14 Abs. 1 TzBfG vereinbart
worden sei. Zudem sei in mehreren Fällen gegen die
Entgeltfortzahlung bei Nichtbeschäftigung, den sog.
Garantielohnanspruch, verstoßen worden, da nur die erarbeiteten
Stunden vergütet und nicht die vertraglich zugesicherten
Mindeststunden ausgezahlt worden seien. In einer Vielzahl von
Fällen sei zu beanstanden gewesen, dass bei den Zeitarbeitnehmern
die jeweils vertraglich vereinbarten monatlichen
Arbeitszeitvolumina teilweise erheblich von den tatsächlich
geleisteten Stunden abgewichen seien.
Die
Antragstellerin erklärte, dass sie Versäumnisse in der
Vertragsgestaltung einräume. Sie habe den Willen, sich zukünftig
rechtskonform zu verhalten. Es sei eine komplette Umgestaltung der
Arbeitsverträge erfolgt. Alle in der Anhörung geltend gemachten
Beanstandungen seien behoben worden. Da es sich bei sämtlichen
Mitarbeitern um Studenten handele, die hauptberuflich ihrem
Studium nachgehen würden, sei der Wunsch nach einer Befristung
anzunehmen. Um dies jedoch zu verdeutlichen, werde die
Antragstellerin zukünftig mit einer Anlage zum Arbeitsvertrag
arbeiten, die die Mitarbeiter zu genau dieser Tatsache
ausdrücklich befrage und nach der diese handschriftlich Auskunft
zu den Beweggründen der gewünschten Befristung geben müssten.
Die beanstandete Nichtzahlung einzelner Tage ergebe sich daraus,
dass die Antragstellerin ihren Arbeitnehmern teilweise Einsätze
angeboten habe, die diese dann aber aus zeitlichen Gründen nicht
angenommen hätten. Lehne ein Mitarbeiter einen Einsatz ab, sei
der Arbeitgeber auch in der Zeitarbeit nicht verpflichtet, daraus
resultierende Zeiten des Nichteinsatzes zu vergüten. Darin sei
kein Garantielohnverstoß zu sehen. Aus Kulanzgründen sei
allerdings eine Nachzahlung erfolgt. Dem Schreiben der
Antragstellerin war ein Musterarbeitsvertrag beigefügt. Auf
dieser Grundlage verlängerte die Antragsgegnerin daraufhin die
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 25.07.2019.
In
der Folgezeit änderte die Antragstellerin die
Arbeitsvertragsgestaltung und schloss mit den Studenten jeweils
formularmäßige befristete Rahmenvereinbarungen, in denen sie
sich verpflichtete, den Mitarbeiter in eine Liste der
Interessenten für Arbeitseinsätze in einer
Arbeitnehmerüberlassung aufzunehmen. Laut Rahmenvereinbarung war
die Antragstellerin nicht verpflichtet, Beschäftigungsangebote zu
machen, die Arbeitnehmer nicht verpflichtet,
Beschäftigungsangebote anzunehmen. Die Rahmenvereinbarung endete
vor dem vereinbarten Ablaufdatum, sobald die Grenze von 70
Arbeitstagen erreicht bzw. wenn an mindestens fünf Tagen pro
Woche gearbeitet wurde. Ergänzend wurde vorgesehen, dass
wunschgemäß ein befristetes Arbeitsverhältnis gem. § 14 Abs. 1
S. 2 Nr. 6 TzBfG zu Stande kommt, soweit tatsächlich
Arbeitseinsätze geleistet werden, und dass der Mitarbeiter der
Antragstellerin vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt
habe, dass er keine Anstellung im Rahmen eines unbefristeten
Vertrages mit regelmäßigen, fest definierten Arbeitszeiten
wolle. In einem ebenfalls formularmäßig gefassten Fragebogen zur
gewünschten Beschäftigung erklärten die Studenten jeweils, für
welche Arbeitstätigkeiten, zu welchen Zeiten und in welchem
Umfang sie einen Arbeitseinsatz wünschen. Weiter sieht der
Fragebogen die Option zwischen einem „ununterbrochenen,
unbefristeten“ Einsatz und einem befristeten Arbeitsvertrag vor,
wobei die Studenten regelmäßig den befristeten Arbeitsvertrag
wählten und in diesem Zusammenhang formularmäßig vorformuliert
erklärten, sich offenhalten zu wollen, den Vertrag z.B. aus
bestimmten studienbedingten Gründen (u.a. Prüfungszeiten,
Pflichtpraktika, Auslandsaufenthalte) auszusetzen. Zur Dauer der
Beschäftigung gaben die Studenten jeweils einen mehrmonatigen
Zeitraum an. Für die einzelnen Arbeitseinsätze wurden gesonderte
Arbeitsverträge mit den Studenten geschlossen, die jeweils auf
einen Tag befristet waren.
Im
April 2019 beantragte die Antragstellerin erneut die Verlängerung
der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie reichte dafür den
o.g. Mustervertrag „Rahmenvereinbarung für kurzfristige
Beschäftigte“ ein und führte aus, sie habe sich auf die
Überlassung studentischer Kräfte spezialisiert und arbeite
ausschließlich mit Mitarbeitern auf Minijob- Basis oder in einer
sehr geringer Teilzeitbeschäftigung zusammen. Weiter wies die
Antragstellerin darauf hin, dass die prägende Eigenschaft in der
Arbeit mit Studierenden sei, dass diese völlig frei entscheiden
wollten, wann und wie viel sie – auch nur entsprechend ihren
Bedürfnissen – arbeiten würden. Ein Einwirken auf diese
Mitarbeiter, mehr oder häufiger tätig zu werden, fruchte nicht
oder nur sehr selten. Die Antragstellerin habe selbst ein eigenes
großes Interesse daran, wenn die Arbeitnehmer mehr arbeiten
würden. Dies sei aber schlichtweg nicht zu erreichen. Aus diesem
Grunde arbeite sie mit Rahmenvereinbarungen, die den Studierenden
die von diesen selbst gewünschte größtmögliche Flexibilität
biete. Dies basiere ausschließlich auf dem Wunsch der
Mitarbeiter. Jeder Arbeitnehmer gebe bei seiner Anstellung an,
dass ihm ein unbefristeter Vertrag angeboten worden sei, er diesen
aber nicht annehme.
Mit
Schreiben vom 25.06.2019 hörte die Antragsgegnerin die
Antragstellerin nach einer durchgeführten Prüfung zur
beabsichtigten Versagung der Verlängerung der Erlaubnis an. Mit
Bescheid vom 22.07.2019 lehnte die Antragsgegnerin schließlich
den Antrag auf Verlängerung einer Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung ab. Diese könne nicht erteilt werden, da
Mängel festgestellt worden seien, die auf eine Unzuverlässigkeit
hinweisen würden. (...)
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