Dr.
Alexander Bissels
TV BZ ME: Neues "Altes"
zur Deckelung des tariflichen Branchenzuschlags
Durch die in der Überlassungsbranche geltenden tariflichen
Branchenzuschläge soll das den Zeitarbeitnehmern gewährte
Entgelt – in Abhängigkeit zur Einsatzdauer in einem bestimmten
Kundenbetrieb – an die Vergütung der dort beschäftigten
Stammmitarbeiter herangeführt werden. Die entsprechenden
tariflichen Bestimmungen sind insbesondere aufgrund der
"Neuartigkeit" dieses Vehikels zur Erreichung eines
equal pay streitbefangen. Jüngst hat ein Rechtsstreit zum
Tarifvertrag über Branchenzuschläge für
Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie vom
22.05.2012 (nachfolgend: "TV BZ ME") das LAG
Baden-Württemberg erreicht (Urt. v. 29.03.2016 – 8 Sa 55/15)
– soweit bekannt, die erste in diesem Zusammenhang
veröffentlichte Entscheidung aus dem Süden der Republik.
Zusammenfassung des Urteils
Der Zeitarbeitnehmer macht u.a. die Zahlung von ergänzenden
Branchenzuschlägen nach dem TV BZ ME geltend. In dem
Arbeitsvertrag wird auf die iGZ/DGB-Tarifverträge in der jeweils
gültigen Fassung Bezug genommen.
Das ArbG Karlsruhe hat die Klage – soweit die Ansprüche nicht
verfallen waren – hinsichtlich des Zahlungsanspruchs unter
Verweis auf die wirksame Deckelung der Branchenzuschläge nach §
2 Abs. 4 TV BZ ME abgewiesen (Urt. v. 21.08.2015 - 10 Ca 116/15).
Dabei handle es sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift, die die
individuelle Ermittlung des laufenden regelmäßigen gezahlten
Stundenentgelts eines vergleichbaren Arbeitnehmers des
Kundenbetriebs erfordere. Sie ermögliche im Einzelfall eine
Beschränkung des Branchenzuschlags, wenn der Kundenbetrieb eine
entsprechende Deckelung geltend mache. Zwar habe der Kundenbetrieb
die Deckelung nicht ausdrücklich verlangt; aus der Mitteilung von
Vergleichslöhnen (Übersichten über Verdienstabrechnungen von
mehreren Mitarbeitern der X-GmbH) folge jedoch eine konkludente
Berufung auf die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 4 TV BZ ME. Die
Angaben zu den Stundenentgelten seien nur dann sinnvoll und
erforderlich, wenn die Regelung zur Deckelung Anwendung finden
solle. Es sei daher das Stundenentgelt eines vergleichbaren
Arbeitnehmers zu ermitteln. Für die Vergleichbarkeit sei darauf
abzustellen, ob sich die Tätigkeiten entsprächen, sich also
ähnelten. Das sei der Fall, wenn sie auf einer Hierarchieebene
angesiedelt seien und vergleichbare Anforderungen stellten. Der
Kläger führe bei der X-GmbH einfache Maschinenbedienungen aus,
das entspräche klassischen Produktionshelfertätigkeiten. Nach
dem Vortrag der Beklagten erhielten Mitarbeiter mit vergleichbaren
Tätigkeiten bei der X-GmbH auf Grundlage der Übersichten der
Verdienstabrechnungen ein Entgelt zwischen 9,00 € und 9,50 €
brutto/Stunde. Weiter ergebe sich aus der Auskunft des
Kundenbetriebes, dass solche Produktionsmitarbeiter höhere Löhne
verdienten, die ihre Maschinen selbst einrichteten und dafür eine
Schulung erhalten hätten.
Hinsichtlich der Darlegung- und Beweislast schloss sich das ArbG
Karlsruhe u.a. einer Entscheidung des LAG Hamm (Urt. v. 23.07.2014
- 17 Sa 1479/13) an, nach der die Grundsätze, die das BAG zur
Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines Anspruchs des
Zeitarbeitnehmers auf equal pay nach § 10 Abs. 4 AÜG entwickelt
habe, spiegelbildlich auf den hier streitgegenständlichen
Anspruch zu übertragen seien. Danach trage zunächst der
Arbeitgeber für die Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 4 TV BZ ME
die Darlegungs- und Beweislast, könne sich hierfür aber auf die
Auskunft des Kundenbetriebs berufen. Dem sei die Beklagte
nachgekommen. Der Kläger habe darauf nichts erwidert. Nachdem es
an einem erheblichen Bestreiten des Klägers hinsichtlich des
Vergleichsentgelts fehle, sei von den von der Beklagten
angegebenen Beträgen auszugehen. Die Beklagte zahle (im nicht
verfallenen Zeitraum) einen Bruttostundenlohn in Höhe von 8,50
€ zuzüglich eines (gedeckelten) Branchenzuschlags in Höhe von
1,00 €, insgesamt also 9,50 € brutto/Stunde. Ein weiterer
Zuschlag stehe dem Kläger nicht zu.
Die gegen das Urteil von dem Zeitarbeitnehmer gerichtete Berufung
blieb vor dem LAG Baden-Württemberg ohne Erfolg. Soweit der
Kläger (...)
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