Dr.
Alexander Bissels
"Vorübergehend":
K.O. in der zweiten Runde!
Das BAG hat zwar bereits am
10.12.2013 entschieden, dass ein Verstoß gegen das Gebot der
vorübergehenden Überlassung (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG) zumindest
nicht zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem
Zeitarbeitnehmer und dem Kundenunternehmen führt. Der 9. Senat
hat letztlich den Ball an den Gesetzgeber zurückgespielt: dieser
müsse selbst tätig werden und das AÜG entsprechend anpassen,
wenn eine dauerhafte Überlassung tatsächlich ein
Arbeitsverhältnis mit dem Kunden begründen soll (Az. 9 AZR
51/13). Die Rechtsprechung ist eindeutig und auch richtig (vgl.
dazu: Bissels, BD 11/2013, 3 ff.; Bissels, AIP 1/2014, 3 f.).
Dennoch sind inzwischen weitere zweitinstanzliche Entscheidungen
des LAG Berlin-Brandenburg in Erfurt angelandet. Diese betreffen
ein Unternehmen, das über eine konzerninterne
Personalgestellungsgesellschaft eine nach Ansicht der betroffenen
Mitarbeiter eine nicht mehr nur vorübergehende
Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Die Zeitarbeitnehmer machen
geltend, dass mit dem "Kunden" der
Personalgestellungsgesellschaft ein Arbeitsverhältnis zustande
gekommen sein soll, und berufen sich u.a. auf die Verletzung von
europäischen Rechtsvorschriften. Darüber hinaus verlangen sie
eine Vorlage an den EuGH.
Im Ergebnis hat der 9. Senat seine Rechtsprechung unter Verweis
auf seine erste Entscheidung in diesem Zusammenhang vom 10.12.2013
(Az. 9 AZR 51/13) bestätigt: die betreffenden Zeitarbeitnehmer
könnten sich auf Grundlage der gegenwärtigen Rechtslage nicht
darauf berufen, dass selbst bei einem (unterstellten) Verstoß
gegen das Gebot der vorübergehenden Überlassung ein
Arbeitsverhältnis zu dem Kundenunternehmen entstehe. Der 9. Senat
formuliert dabei – kurz, knackig und überzeugend – wie folgt
(Urt. v. 03.06.2014 – Az. 9 AZR 111/13; 9 AZR 665/13; 9 AZR
666/13; 9 AZR 829/13):
"Der Senat hat in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Az. 9 AZR
51/13) eingehend begründet, dass der Gesetzgeber bis zum
30.11.2011 bewusst darauf verzichtete, die Dauer der
Arbeitnehmerüberlassung zeitlich zu begrenzen, und dass ein
Verstoß gegen das ab dem 01.12.2011 geltende Verbot der nicht nur
vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG
nicht gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zum Zustandekommen eines
Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem
Leiharbeitnehmer führt, wenn der Verleiher - wie hier die G GmbH
- die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat,
seine Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung zu überlassen. Er
hat ferner ausgeführt, aus welchen Gründen eine analoge
Anwendung des § 10 Abs. 1 AÜG nicht in Betracht kommt und
weshalb auch die Leiharbeitsrichtlinie bei einem nicht nur
vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher das
Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem
Leiharbeitnehmer und dem Entleiher nicht vorgibt. Schließlich hat
der Senat Ausführungen dazu gemacht, dass auch unter dem
Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs kein Arbeitsverhältnis
zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher begründet wird,
wenn gegen das Verbot eines nicht nur vorübergehenden Einsatzes
des Leiharbeitnehmers verstoßen wird. An dieser Rechtsprechung
hält der Senat fest."
Weiter heißt es in der Entscheidung, dass der klagende
Zeitarbeitnehmer keine Argumente vorgebracht habe, die die
tragenden Ausführungen des 9. Senats im Urteil vom 10.12.2013
infrage stellen könnten. Dieser habe insbesondere keine Umstände
aufgezeigt, aus denen entgegen der Annahme des BAG folge, der
Gesetzgeber habe unbewusst davon abgesehen anzuordnen, dass bei
einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kunden
begründet werde. Argumente dafür habe die Klägerin nicht
vorgetragen.
Das BAG stellt zudem klar, dass der Hinweis des Zeitarbeitnehmers
zur Ableitung der seinerseits gewünschten Rechtsfolge auf den
zwischen CDU, CSU und SPD am 16.12.2013 unterzeichneten
Koalitionsvertrag in mehrfacher Hinsicht fehl gehe.
Absichtserklärungen von Parteien in einer Koalitionsvereinbarung
berechtigten Gerichte nicht, die geltende Rechtslage außer Acht
zu lassen. Im Übrigen hätten die Koalitionsparteien unter Ziff.
2.2 des Koalitionsvertrags nicht vereinbart, dass eine nicht mehr
vorübergehende Überlassung eines (...)
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