Heft 10/2021

Heft Oktober 2021

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 10/21 - Inhalt

  • Herbstbelebung am Arbeitsmarkt

  • Dr. Alexander Bissels und Kira Falter Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs als Gestaltungsoption zum Ausschluss einer Arbeitnehmerüberlassung

  • Recruiting-Studie "Barometer Personalvermittlung 2021" zu aktuellen Arbeitsmarkttrends veröffentlicht - 50 Prozent der Angestellten halten Ausschau nach neuem Job

  • BAP Job-Navigator 10/2021: "Top 10 Branchen" Aktuelle Analyse: Personaldienstleister schreiben die meisten Jobs aus

  • IAB-Arbeitsmarktbarometer: Zweiter Rückgang in Folge, aber noch immer auf sehr hohem Niveau

  • Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland: Fachkräftemangel führt zu mehr Nachfrage nach Personalvermittlung

  • 200 Teilnehmer beim Potsdamer Rechtsforum des iGZ – Viele Baustellen für die Zeitarbeit

  • Hays Studie: Zwischen Vertrauen und Kontrolle – Was Führungskräfte aus der Krise gelernt haben

  • Branchentreff der OÖ Personaldienstleister 2021 mit Stakeholdern – Die Arbeitskräfteüberlasser in der WKOÖ sind auf sehr gutem Weg: Zeitarbeit um ein Fünftel gesteigert!

  • Bundesregierung muss Lohnvergleiche in der Zeitarbeitsbranche korrigieren

  • Videoüberwachung am Arbeitsplatz: nur das allerletzte Mittel

  • IAB-Prognose für 2021/2022: Arbeitsmarkt auf Erholungskurs

  • September 2021: Erwerbstätigkeit steigt um 0,1 % gegenüber dem Vormonat

  • Bundesarbeitsgericht: Betriebsrisiko und Lockdown

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Kira Falter

Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs als Gestaltungsoption zum Ausschluss einer Arbeitnehmerüberlassung

Vor dem Hintergrund der erheblichen gesetzlichen Regulierung der Zeitarbeit, insbesondere durch die (Wieder-)Einführung einer gesetzlichen Überlassungshöchstdauer und der zwingenden Gewährung von equal pay nach neun Monaten eines Einsatzes bei einem Kunden stellt sich in der Praxis immer wieder verstärkt die Frage, wie die Arbeitnehmerüberlassung von einem im Rahmen eines unternehmensübergreifenden, aber gesetzlich nicht nach Maßgabe des AÜG regulierten Personaleinsatzes in einem Gemeinschaftsbetrieb abgegrenzt oder wie dieser (bewusst) genutzt werden kann, um eine Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden; dies gilt gerade in Konstellationen, in denen ein längerfristiger oder gar dauerhafter Arbeitskräftebedarf besteht.

I. Einleitung

Unterscheidungskriterium ist insoweit der – im Gegensatz zur Arbeitnehmerüberlassung – bei einem Gemeinschaftsbetrieb bestehende gemeinsame Betriebszweck. Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Vertragsarbeitgeber des Arbeitnehmers dem Kunden den Mitarbeiter überlässt, um diesen zur Verfolgung des betrieblichen Zwecks des Kunden einzusetzen. Ein Gemeinschaftsbetrieb von Vertragsarbeitgeber und dem Dritten liegt dagegen vor, wenn ein gemeinsamer Betriebszweck beider Unternehmen besteht. Der Arbeitnehmer wird somit nicht zur Verfolgung eines "fremden" Betriebszwecks, sondern zu dem Betriebszweck "auch seines Arbeitgebers" eingesetzt. Um eine Arbeitnehmerüberlassung zu verneinen, ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Arbeitsleistung u.a. auch für seinen Vertragsarbeitgeber bei der Erfüllung von dessen Aufgaben tätig wird. Entgegen der Definition der Arbeitnehmerüberlassung wird der Arbeitnehmer ferner nicht im Betrieb eines Dritten tätig, wenn der Beschäftigungsbetrieb ein Gemeinschaftsbetrieb von Vertragsarbeitgeber und Drittem ist. Es handelt es sich gerade nicht um einen "fremden", sondern um einen "gemeinsamen" Betrieb der beteiligten Unternehmen.

Dass mehrere rechtlich selbstständige Arbeitgeber einen Betrieb gemeinsam führen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG anzunehmen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird (vgl. BAG v. 10.11.2011 - 8 AZR 538/10; BAG v. 11.12.2007 - 1 AZR 824/06). Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Hierbei muss sich die einheitliche Leitung auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Entscheidend ist insoweit, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der für den normalen Betriebsablauf charakteristisch ist. So genügt die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes nicht, um das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn das herrschende Unternehmen einem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebs. Es fehlt an der hierzu erforderlichen Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern. Eine gemeinsame Personalabteilung indiziert einen Gemeinschaftsbetrieb noch nicht, wenn sich ihre Tätigkeit im Wesentlichen auf Unterstützungs- und Beratungsleistungen beschränkt. Entscheidend für einen gemeinsamen Betrieb ist, dass für die maßgeblichen Personalfragen, wie Einstellung, Versetzung, Kündigung oder Lage der Arbeitszeit bzw. Gewährung von Urlaub, eine einheitliche Leitung zuständig ist, die diese Fragen – unabhängig von der Unternehmenszugehörigkeit der in dem Betrieb tätigen Mitarbeiter – entscheidet. Ein Beispiel:

Unternehmen A und B betreiben zusammen einen großen Hotelbetrieb. Als Küchenpersonal sind Arbeitnehmer des Unternehmens A eingesetzt, während die Bedienung der Restaurantgäste ebenso wie den Service im Hotelbetrieb Arbeitnehmer des Unternehmens B leisten. Sämtliche im Hotel tätigen Arbeitnehmer unterliegen der Weisungsbefugnis einer einheitlichen Hotelleitung. In diesem Fall besteht ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen A und B.

Anders als im Fall der Arbeitnehmerüberlassung unterliegt der Arbeitnehmer im Gemeinschaftsbetrieb nicht dem Weisungsrecht eines anderen Arbeitgebers. Das Weisungsrecht wird vom einheitlichen Leitungsapparat der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen ausgeübt. Dass eine Arbeitnehmerüberlassung und ein Gemeinschaftsbetrieb sich ausschließen, haben in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Instanzgerichte unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG – auch in Konzernstrukturen – immer wieder bestätigt (vgl. LAG Köln v. 24.02.2021 - 5 Sa 820/20; LAG Bremen v. 06.05.2020 - 3 Sa 47/19). In diesem Sinne hat jüngst auch das Hess. LAG entschieden (Urt. v. 15.01.2021 - 3 Sa 1115/19).

II. Zusammenfassung der Entscheidung

Die Beklagte zu 1) betreibt den Flughafen A. Seit dem Jahr 2012 bildet die Beklagte zu 1) zusammen mit der B GmbH einen gemeinsamen Betrieb mit knapp 10.000 Arbeitnehmern. Die Beklagte zu 2) ist ein 100%iges Tochterunternehmen der Beklagten zu 1). Gegenstand des Unternehmens der Beklagten zu 2) ist nach der Eintragung im Handelsregister zunächst gewesen: "Personaldienstleistungen aller Art, u.A. Personalgestellung auf Grund des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die Durchführung von Werk- und Dienstverträgen und die Personalvermittlung, sowie alle hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte". Entsprechend hatte die Beklagte zu 2) ursprünglich die bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte zu 1) überlassen; diese hat die Zeitarbeitnehmer im Bereich ihrer Bodenverkehrsdienste (im Folgenden: BVD) eingesetzt. Unstreitig war, dass bis Juni 2017 jeweils 3.500 Arbeitnehmer der Beklagten zu 2) als Zeitarbeitnehmer und ebenso viele Mitarbeiter der Beklagten zu 1) im Bereich BVD eingesetzt worden sind. Sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) sind im Besitz einer unbefristeten Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.

Nach einem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.12.2016 hat die Beklagte zu 2) ihren Unternehmensgegenstand geändert. Nach der Eintragung im Handelsregister ist ihr Unternehmensgegenstand nunmehr u.a. "die Erbringung von Dienstleistungen im Luftverkehr, insbesondere im Rahmen der Bodenverkehrsdienstleistungen sowie die Durchführung aller hiermit im Zusammenhang stehender Geschäfte". Unter dem 20.06.2017 haben die Beklagte zu 1), die B GmbH und die Beklagte zu 2) eine "Vereinbarung über die Führung eines gemeinsamen Betriebs" (im Folgenden: Führungsvereinbarung) getroffen. Danach sollten zum 01.07.2017 die in den Betriebsstätten der Unternehmen in A vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel in einem gemeinsamen Betrieb eingesetzt und von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Am selben Tag haben die drei Unternehmen auch eine "Kooperationsvereinbarung zum Gemeinschaftsbetrieb" (im Folgenden: Kooperationsvereinbarung) geschlossen, in der es u.a. heißt:

  "§ 1 Gegenstand der Vereinbarung

  (1) Gegenstand der Vereinbarung ist die gemeinsame Leistungserbringung im Gemeinschaftsbetrieb 
  von A, B und C.

  […]

  (2) Dabei wird durch arbeitsorganisatorische Regelungen sichergestellt, dass jedes Unternehmen im
  Gemeinschaftsbetrieb weiterhin in die Steuerung der eigenen Arbeitnehmer eingebunden bleibt.

  (3) Die gemeinsame Leistungserbringung spiegelt sich in der Abbildung der arbeitsorganisatorischen
  Steuerungsstruktur des Gemeinschaftsbetriebs wider (Anlage zu dieser Kooperationsvereinbarung)."

In der Anlage 3 zur Kooperationsvereinbarung finden sich Regelungen zur gemeinsamen Steuerung von Betriebsmitteln und eine Übersicht über die Betriebsmittel der Beklagten. Für die einzelnen zu erbringenden Leistungen haben die beteiligten Unternehmen sog. leistungsbezogene Kooperationsverträge geschlossen. Darin sind die Details der Leistungserbringung, der gegenseitig zu erfüllenden Anforderungen, der gemeinsamen Steuerung des Personals und sonstiger Betriebsmittel, der Vergütung, der Haftung, der Laufzeit und Kündigung (...)



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