Dr.
Alexander Bissels
Verfassungsbeschwerde
gegen die rückwirkende Feststellung der Tarifunfähigkeit der
CGZP
Nachdem das BAG zunächst festgestellt hat, dass die CGZP nicht
tariffähig ist (für die Zukunft; vgl. Beschl. v. 14.12.2010 - 1
ABR 19/10), und sodann später nachlegte, dass eine
Tariffähigkeit auch für die Vergangenheit nicht bestehen soll
(vgl. BAG v. 22.05.2012 – 1 ABR 27/12; BAG v. 23.05.2012 – 1
AZB 58/11), war das Kind (scheinbar) schon in den Brunnen
gefallen. Da die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge ohne
Tariffähigkeit nicht wirksam waren, konnten sowohl
Zeitarbeitnehmer als auch die DRV Nachforderungen geltend machen:
durch die Anwendung der "Tarifverträge" oder eine
Bezugnahme darauf konnte nämlich nicht von dem an sich gesetzlich
vorgesehenen equal pay-Grundsatz abgewichen werden. Gegen den
Beschluss des BAG vom 14.12.2010 wurde bereits erfolglos eine
Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG v. 10.03.2013 - 1 BvR
1104/11). Inzwischen hat sich Karlsruhe nochmals unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit der CGZP befassen
müssen: es wurde von 18 Zeitarbeitsunternehmen eine weitere
Verfassungsbeschwerde eingereicht, die sich gegen die
rückwirkende Feststellung der Tariffähigkeit der CGZP durch das
BAG im Jahr 2012 richtete. Diese wurde nicht zur Entscheidung
angenommen (Beschl. v. 25.04.2015 - 1 BvR 2314/12).
Inhalt der Entscheidung
In dem Beschluss stellt das Gericht fest, dass sich die
rückwirkende Feststellung der Arbeitsgerichte, dass die CGZP
nicht tariffähig sei und daher keine wirksamen Tarifverträge
abschließen könne, mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) vereinbar sei. Die Gesetzesauslegung durch die Gerichte
unterliege nur ausnahmsweise dem Vertrauensschutz, etwa bei einer
nicht vorhersehbaren Änderung der langjährigen ständigen
Rechtsprechung. Eine solche Konstellation sei hier nicht gegeben.
Die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch die
Arbeitsgerichte mit Wirkung für die Vergangenheit genüge den
Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG. In
diesem seien die Gebote der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes verankert. Daher sei eine echte Rückwirkung
von Gesetzen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie
liege vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte,
der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreife.
Höchstrichterliche Rechtsprechung sei jedoch kein Gesetzesrecht
und erzeuge keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den
Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher
Gesetzesauslegung beruhe allein auf der Überzeugungskraft ihrer
Gründe, der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die
Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei
unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann
unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet sei und sich im
Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte. Schutzwürdiges
Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund
höchstrichterlicher Rechtsprechung könne daher in der Regel nur
bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer
gefestigten und langjährigen Judikatur entstehen. Davon ausgehend
hätten die Gerichte für Arbeitssachen die Tarifunfähigkeit der
CGZP mit Wirkung für die Vergangenheit feststellen können, ohne
gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes
zu verstoßen. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen
ausnahmsweise auch eine Änderung der Rechtsprechung den im
Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten
Vertrauensschutz verletzen könne, lägen nicht vor. Die
Unternehmen hätten nämlich nicht auf höchstrichterliche
Rechtsprechung vertrauen können, denn eine solche habe zum
Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen nicht vorgelegen. Das
BAG habe die Tarifunfähigkeit der CGZP erstmals im Beschluss vom
14.12.2010 festgestellt. Das habe nicht dem entsprochen, was die
Beschwerdeführerinnen für richtig hielten. Die bloße Erwartung,
ein oberstes Bundesgericht werde eine ungeklärte Rechtsfrage in
einem bestimmten Sinne beantworten, begründe jedoch kein
verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen.
An der Tariffähigkeit der CGZP hätten von Anfang an erhebliche
Zweifel bestanden. Gleichwohl hätten die
(...)
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