Dr.
Robert Bauer
Der
EuGH und die zulässige Überlassungsdauer
Am
9. September 2021 wurde über etliche Nachrichtenportale eine
Meldung der dpa wiedergegeben, wonach ein Gutachter des EuGH zu
dem Ergebnis gekommen sei, dass es eine „objektive Erklärung“
brauche, wenn Zeitarbeitnehmer mehrmals in Folge an das gleiche
Unternehmen überlassen werden würden. Dabei sei zum Beispiel zu
berücksichtigen, welche Art von Arbeit jemand erledigt und ob ein
Arbeitsplatz dauerhaft vorhanden sei. Anlass für den EuGH, sich
mit solchen Fragen zu befassen, ist ein Zeitarbeitnehmer, der
insgesamt fünf Jahre an die Daimler AG überlassen war und sich
nunmehr dort in ein Stammarbeitsverhältnis klagen möchte. Um die
Rechtmäßigkeit der zu Grunde liegenden Überlassung zu klären,
empfiehlt das Gutachten dem vorlegenden Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg zu prüfen, ob eine Überlassungsdauer gegeben
sei, die nicht mehr als „vorübergehend“ bezeichnet werden
könne.
Abgesehen
von dieser Pressemitteilung fällt es jedoch schwer, weitere
Informationen zu den Hintergründen und weitere Details über das
Gutachten in Erfahrung zu bringen. Allerdings hat der EuGH bereits
am 14. Oktober 2020 (Az.: C-681/18 (JH/KG)) ein Urteil erlassen,
welches Kontext für die nunmehr veröffentlichte Pressemitteilung
liefert. Da der Inhalt der Pressemitteilung auf einer Linie mit
dem damaligen Urteil liegt, dürfte davon auszugehen sein, dass es
sich bei den dortigen Ausführungen nunmehr tatsächlich um die
neue Rechtsprechungslinie des EuGH handelt.
In
dem Urteil aus Oktober 2020 hatte der EuGH über die Anforderungen
zu entscheiden, die lokale Gesetze erfülle müssen, um den
Anforderungen der europäischen Richtlinien zur Zeitarbeit zu
entsprechen. Konkret ging es um die Frage, ob Vorgaben gemacht
werden müssen, wie oft hintereinander derselbe Arbeitnehmer an
dasselbe Unternehmen überlassen werden darf und ob Gründe für
den jeweiligen Einsatz angegeben werden müssen. Der EuGH
entschied seinerzeit, dass die lokalen Gesetze weder strikte
Vorgaben zur maximal zulässigen Anzahl aufeinander folgender
Einsätze machen müssen, noch entsprechende Begründungen für
den (wiederholten) Einsatz von Zeitarbeitnehmern zu fordern haben.
Diese liberale Haltung bezog sich jedoch ausdrücklich nur auf die
Vorgabe bestimmter Maßnahmen. Der EuGH hat hingegen durchaus
festgelegt, dass der lokale Gesetzgeber irgendwelche Maßnahmen
ergreifen muss, um aufeinanderfolgende Überlassungen desselben
Zeitarbeitnehmers an dasselbe Unternehmen verhindern, sofern mit
diesen Überlassungen die Bestimmungen der entsprechenden
europäischen Richtlinien umgangen werden. Das bedeutet konkret,
dass Überlassungen, die nicht „vorübergehend“ sind, von der
lokalen Rechtsordnung nicht erlaubt werden dürfen.
Die
Reform des AÜG im Jahr 2017 hat eine konkrete
Höchstüberlassungsdauer von (in der Regel) 18 Monaten
eingeführt, zusammen mit der Regelung, dass nach einer
Unterbrechung von mehr als drei Monaten eine erneute Überlassung
zulässig ist. Gleichzeitig wurde aber nicht die Formulierung der
vorherigen Rechtslage geändert, wonach die Überlassung von
Arbeitnehmern nur „vorübergehend“ zulässig ist. Derzeit sind
demnach beide Punkte im AÜG enthalten, so dass dort sinngemäß
geregelt wird, dass Arbeitnehmer nur „vorübergehend bis zu
einer Höchstdauer von 18 Monaten“ überlassen werden dürfen.
Spätestens seit der erwähnten Entscheidung des EuGH dürfte
nunmehr feststehen, dass die allgemeine Anforderung des „Vorübergehens“
der Überlassung auch neben der konkreten
Höchstüberlassungsdauer weiterhin einen eigenen
Anwendungsbereich hat. Denn so erlaubt es das AÜG zwar, einen
Arbeitnehmer für 18 Monate zu überlassen, dann drei Monate und
einen Tag zu pausieren und ihn anschließend erneut zu
überlassen. Und zumindest ausdrücklich festgelegt gibt es im
AÜG auch keine (...)
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