Bundesvorsitzender
des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Christian
Baumann
Wir
starten mit einer neuen Bundesregierung und einer neuen Virus-
Variante in das Jahr 2022. Beides könnte für die Branche nach
einem weiteren schwierigen Jahr besorgniserregend werden. Immerhin
hat die Corona-Pandemie jetzt bereits zu starken Einbußen für
Zeitarbeitsunternehmen geführt. Wir sprechen hier nicht von
kleineren Ausfällen, sondern von Marktverlusten bis zu 50
Prozent.
Ähnlich
besorgniserregend muteten die Wahlprogramme der SPD, Grünen und
Linken an: Verbot der Zeitarbeit bis zu Equal Pay ab dem ersten
Tag plus einer Flexibilitätsprämie. Der Beschluss gegen die
Tarifautonomie zu arbeiten, schien bereits gefasst. Doch der
Koalitionsvertrag schlägt glücklicherweise andere Töne an. Von
einer Stärkung der Tarifpartner und Tarifbindung ist die Rede –
Zeitarbeit erhält das Prädikat „notwendiges Instrument“.
Hier zeigt sich, dass die politische Kommunikation des Verbandes
auch im Vorfeld der Bundestagswahl Erfolg hatte. Und das zurecht,
denn wie notwendig Personaldienstleistung ist, hat nicht nur die
Gesundheitskrise, sondern auch der Kräftemangel deutlich gemacht.
Einen
Schritt zur Gleichstellung mit anderen Arbeitsverhältnissen
konnte die Branche bereits nehmen, indem auch für sie das
überlebenswichtige Kurzarbeitergeld zur Sicherung von
Arbeitsplätzen zugesichert wurde. Warum die Hilfsmittel nur auf
diese Krise begrenzt genehmigt werden, obwohl Unwetterkatastrophen
und andere Ausnahmesituationen natürlich auch Zeitarbeitsfirmen
treffen können, bleibt eine schmerzhafte Erinnerung, wie weit wir
noch von einer Anerkennung seitens der Politik entfernt sind.
Das
zeigte sich auch, als ein Sündenbock für die schlechten
Arbeitsbedingungen im Fleischsektor nötig war. Unter dem Vorwand
der Schutzbedürftigkeit führte die Regierung massive
Einschränkungen für die Zeitarbeit ein. Da wir die Eingriffe
für unverhältnismäßig, nicht zielgerichtet und wahrscheinlich
verfassungswidrig halten, haben wir betroffene
Zeitarbeitsunternehmen unterstützt, die in Karlsruhe Klage
eingereicht haben.
Unsere
Branche hat auch ohne zusätzliche Verbote in dieser Zeit genug zu
kämpfen. Dabei wäre mehr Freiheit für die Zeitarbeit auch ein
Plus für die Gesamtwirtschaft. In einem Land, in dem kaum genug
Lastwagenfahrer oder Logistikkräfte gefunden werden können, ist
es unvernünftig, der Personaldienstleistungsbranche noch mehr
Regulierung aufzuzwingen. Umso erstaunlicher und trauriger, dass
es der Branche weiterhin verboten ist, Fachkräfte aus dem Ausland
anzuwerben. Letztendlich wird die Verfügbarkeit von Flexibilität
über Sieg oder Niederlage der deutschen Wirtschaft entscheiden
– und wir sind diese Flexibilität und eine der wenigen Chancen,
mit dem Fachwissen der Branche aktiv gegen den Fachkräftemangel
vorzugehen. Doch damit das geschehen kann und die Gesamtwirtschaft
genug Flexibilität hat, benötigt die Personaldienstleistung vor
allem Planungssicherheit, und die bleibt ihr seit Jahren verwehrt.
Auch deswegen müssen sich Personaldienstleister breiter
aufstellen, neue Branchen erschließen und sich mehrere Standbeine
für ihre Stabilität sichern. Der wichtigste Zukunftstrend ist,
dass die Personalgewinnung immer schneller und teurer wird. Es
lohnt sich also immer mehr, die Fluktuation im eigenen Betrieb
gering zu halten. Investiert nicht nur in die Gewinnung neuer
Arbeitskräfte, sondern auch in die Erhaltung und Motivation der
Belegschaft. Unsere wertvollste Ressource sind unsere Mitarbeiter.
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