Dr.
Alexander Bissels
Hess. LAG bestätigt
Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften!
Neben der Frage, ob die arbeitsvertragliche Verweisung auf die
BAP- bzw. iGZ-DGB-Tarifverträge AGB-rechtlich wirksam ist,
existiert eine zweite arbeitsrechtliche
"Großbaustelle", die sich für die gesamte Branche als
Gefahr darstellen kann. Bislang ist nämlich höchstrichterlich
nicht geklärt, ob die DGB-Gewerkschaften für sich eine
Tarifzuständigkeit für die Zeitarbeit in Anspruch nehmen
können/konnten. Nur wenn dies der Fall ist, sind die von BAP und
iGZ abgeschlossenen Tarifverträge überhaupt wirksam; umgekehrt
bedeutet dies, dass die tariflichen Vereinbarungen bei einer
fehlender Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften unwirksam
sind, und auch entsprechende arbeitsvertragliche
Bezugnahmeklauseln auf diese ins Leere gehen mit der Folge, dass
der equal pay-Grundsatz nicht abbedungen worden wäre (Konsequenz:
Nachforderungen der Zeitarbeitnehmer sowie der DRV).
Vor diesem Hintergrund verdient eine jüngst veröffentlichte
Entscheidung des Hess. LAG Aufmerksamkeit. Das Gericht bestätigt
darin, dass zum Zeitpunkt des Tarifvertragsschlusses am 09.03.2010
die IG Metall innerhalb ihres satzungsgemäßen
Organisationsbereichs für die Zeitarbeit zuständig ist; ver.di
soll allgemein für Zeitarbeitsunternehmen tarifzuständig sein (Beschl.
v. 04.09.2014 – 9 TaBV 91/14).
Ausgangspunkt des Verfahrens vor dem Hess. LAG ist ein
Rechts-streit eines Zeitarbeitnehmers, der das Kundenunternehmen
gem. § 13 AÜG auf Auskunft in Anspruch genommen hat, welche
Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Stammmitarbeiter
gelten. Das mit dieser Frage befasste ArbG Berlin hatte Zweifel an
der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften und setzte das
Verfahren gem. § 97 Abs. 5 ArbGG zu einer entsprechenden Klärung
aus.
Gesamtbetrachtend sind die vom Hess. LAG gesendeten Signale
grundsätzlich gleichermaßen erfreulich wie auch beruhigend, da
auf dieser Grundlage zumindest die am 09.03.2010 geschlossenen
Tarifverträge – jedenfalls soweit diese von der IG Metall bzw.
von ver.di abgeschlossen wurden – wirksam sind. Bereits mit
Entscheidung vom 16.01.2014 (Az. 9 TaBV 127/13) hat das Gericht
die Tarifzuständigkeit von ver.di für die am 22.12.2004 und am
30.06.2006 geschlossenen Tarifverträge bestätigt, so dass der
hiesige Beschluss die konsequente Fortführung dieser
Rechtsprechung ist. Das letzte Wort wird allerdings Erfurt
hinsichtlich der Frage der Tarifzuständigkeit haben.
Entsprechende Verfahren sind dort inzwischen anhängig und
dürften voraussichtlich – zumindest teilweise – noch in
diesem Jahr entschieden werden (Az. 1 ABR 62/14; 1 ABR 13/13).
Darüber hinaus soll folgender Aspekt nicht unerwähnt bleiben,
der im Rahmen des vor dem Hess. LAG geführten Rechtsstreits
ebenfalls diskutiert wurde: von den an diesem beteiligten
DGB-Gewerkschaften und auch vom DGB selbst wurde gerügt, dass es
auf die Frage der Tarifzuständigkeit nicht ankommen solle, da
bereits die von dem Personaldienstleister in dem ausgesetzten
Verfahren des ArbG Berlin verwendete Bezugnahmeklausel auf die
BZA/DGB-Tarifverträge intransparent und folglich unwirksam sei.
Eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 ArbGG hätte nicht erfolgen
dürfen, da die Tarifzuständigkeit der am Tarifvertrag
beteiligten DGB-Gewerkschaften nicht entscheidungserheblich sei.
Das Hess. LAG lehnt diese Ansicht ab; zumindest fehle die
Vorgreiflichkeit der Frage der Tarifzuständigkeit nicht
offensichtlich, so dass das Verfahren sehr wohl hätte ausgesetzt
werden können, um diese Frage einer Klärung zuzuführen. In
diesem Zusammenhang geht das Hess. LAG davon aus, dass es sich bei
dem BZA/DGB-Tarifwerk um acht eigenständige Tarifverträge
handeln soll. Ausdrücklich bezeichnet das Gericht diese als
mehrgliedrig (a.A. zuletzt: LAG Düsseldorf v. 29.10.2014 - 7 Sa
1053/13: Einheitstarifvertrag mit Verweis auf die ausführliche
Begründung des LAG Nürnberg v. 11.10.2013 - 3 Sa 699/10). Diese
Feststellung kann Personaldienstleistern und letztlich der
gesamten Branche – selbst wenn die Tarifzuständigkeit der
DGB-Gewerkschaften höchstrichterlich bestätigt werden sollte –
an anderer Stelle "auf die Füße fallen". Das BAG hat
nämlich bzgl. der mehrgliedrigen CGB-Tarifverträge festgestellt,
dass die AGB-rechtliche Wirksamkeit einer Verweisungsklausel auf
diese voraussetzt, dass eine Kollisionsregelung vereinbart worden
sein muss, damit für den Zeitarbeitnehmer von vornherein klar
ersichtlich ist, welcher Tarifvertrag von welcher am
Tarifvertragsschluss beteiligten (...)
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