Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Anpassung
der Branchenzuschlagstarifverträge: Handlungsbedarf für
Personaldienstleister!
Jüngst
sind drei zwischen der VGZ und der IG Metall abgeschlossene
Branchenzuschlagstarifverträge angepasst worden; dabei handelt es
sich um den in der Praxis wichtigen TV BZ ME sowie den TV BZ HK
und den TV BZ TB.
1.
Kriterium der Tarifbindung maßgeblich
Die
vorgenommenen Änderungen betreffen den (betrieblichen)
Geltungsbereich, indem folgende Bestimmung – exemplarisch für
den TV BZ ME – in den Text des Tarifvertrages aufgenommen wurde:
„Als
Kundenbetriebe der Metallund Elektrobranche in diesem Sinne gelten
auch Betriebe, die (durch Mitgliedschaft oder Bezugnahmen in einem
Haustarifvertrag) an ein regionales Tarifwerk der Metall- und
Elektroindustrie gebunden sind.“
Gestrichen
wurden hingegen der in der Praxis ohnehin wenig bedeutsame Satz in
den o.g. Tarifverträgen, nach dem „ohne eindeutige Angabe
des Kundenbetriebs zum angewendeten Tarifvertrag das
Zeitarbeitsunternehmen den TV BZ ME anwenden kann.“
Die
Formulierung im TV BZ HK und TV BZ TB ist mit der des TV BZ ME –
(natürlich) unter Berücksichtigung des jeweils abweichenden
Branchenfokus – identisch. Die nachfolgenden Ausführungen
orientieren sich am TV BZ ME, können aber auf die beiden weiteren
Tarifverträge grundsätzlich übertragen werden.
2.
Hintergrund für die Anpassung der Tarifverträge
Die
Tarifvertragsparteien reagierten damit auf die Rechtsprechung des
BAG zur Bestimmung, ob ein branchenzuschlagspflichtiger
Unterstützungsbetrieb vorliegt. Die Abgrenzung ist auf Grundlage
dieser Judikatur in der Praxis regelmäßig herausfordernd und mit
einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit verbunden. Zunächst
hat der 5. Senat entschieden, dass als Unterstützungsbetriebe
solche Betriebe zu qualifizieren sind, die nicht originär einem
der in § 1 Abs. 2 S. 2, HS. 1 TV BZ ME genannten
Wirtschaftszweige unterfallen, aber nach ihren ausschließlichen
oder überwiegenden betrieblichen Tätigkeiten den
Fertigungsprozess eines Katalogbetriebs unterstützen und deshalb
zum entsprechenden Wirtschaftszweig in dem Sinne „gehören“,
dass sie ihm zuzuordnen sind (vgl. BAG v. 22.02.2017 - 5 AZR
552/14; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 32/2017 Anm. 2). Nach Ansicht
des BAG ist es nicht erforderlich, dass Katalog- und
Unterstützungsbetrieb denselben Inhaber haben. Für eine solche
– ungeschriebene – Voraussetzung bietet die Tarifnorm, so der
5. Senat, keinen Anhaltspunkt (BAG v. 22.02.2017 - 5 AZR 252/16;
BAG v. 22.02.2017 - 5 AZR 453/15; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR
27/2017 Anm. 4).
Für
die Bestimmung, ob ein Unterstützungsbetrieb vorliegt oder nicht,
ist entsprechend diesem Zweck zu fragen, ob die unterstützende
Tätigkeit des Einsatzbetriebs dem Fertigungsprozess eines
Katalogbetriebs dient. Ein Unterstützungsbetrieb i.S.d. § 1 Abs.
2 S. 2, HS. 2 TV BZ ME liegt somit nur dann vor, wenn dort
Tätigkeiten am Produkt eines Betriebs der genannten
Wirtschaftszweige zum Zwecke seiner Herstellung, Verbesserung,
Reparatur, Ergänzung oder Zusammenfügung vorgenommen werden.
Insoweit ist nach der Rechtsprechung des BAG erforderlich, dass
der Einsatzbetrieb nach seinen ausschließlichen oder
überwiegenden betrieblichen Tätigkeiten dem entsprechenden
Wirtschaftszweig zuzuordnen ist. Konkret stellt das BAG sodann
fest, dass sich die im Betrieb der Kunden überwiegend ausgeübten
Tätigkeiten im Vertrieb nicht als eine solche
Unterstützungstätigkeit begreifen lassen. Eine überwiegend
ausgeübte Tätigkeit an einem Produkt, das der Metall- und
Elektroindustrie zuzuordnen ist, lässt sich bei
Vertriebstätigkeiten nicht feststellen. Der Vertrieb ist auch
nicht unter den Begriff des Dienstleistungsbetriebs zu fassen. Die
Auflistung der Unterstützungsbetriebe in § 1 Abs. 2 S. 2, HS. 2
TV BZ ME zeigt, dass auch der Dienstleistungsbetrieb – ebenso
wie der Reparatur-, Zubehör- und Montagebetrieb – zumindest
überwiegende Tätigkeiten an einem Produkt der Metall- und
Elektroindustrie selbst ausführen muss (vgl. BAG v. 18.03.2020 -
5 AZR 430/18; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 29/2020 Anm. 7).
Auf
Grundlage der Rechtsprechung des BAG könnten
Dienstleistungsbetriebe nur als Unterstützungsbetrieb
branchenzuschlagspflichtig sein, wenn diese ausschließlich oder
überwiegend Tätigkeiten mit einem unmittelbaren Produktionsbezug
für einen Hauptbetrieb verrichten, wie z.B. im Bereich der
Logistik (hier: Ein- und Auslagerungsvorgänge im Lager,
Leerguthandling und die Abwicklung der Produktionsversorgung für
den Kunden und dessen Hauptbetrieb, in dem Frontscheinwerfer für
Pkw herstellt werden, vgl. BAG v. 22.02.2017 - 5 AZR 453/15; dazu:
Bissels, jurisPRArbR 27/2017 Anm. 4). Diese (einschränkende)
Auslegung des BAG verhinderte, dass über den Begriff des
Unterstützungsbetriebs nahezu jeder Hilfs- oder Nebenbetrieb
eines (branchenzuschlagspflichtigen) Hauptbetriebs ebenfalls als
branchenzuschlagspflichtig anzusehen ist. Dies hätte zu einer
vollkommenen Verwässerung des Begriffs des
Unterstützungsbetriebs und durch die damit verbundene
Konturlosigkeit in der Praxis zu einer erheblichen
Rechtsunsicherheit geführt, da – streng genommen – auch ein
Kantinenbetrieb zumindest mittelbar die Produktion des
Hauptbetriebs unterstützt. Einem derart uferlosen Verständnis
eines Unterstützungsbetriebs war nach der Entscheidung des BAG
die Grundlage entzogen, da zumindest keine
Branchenzuschlagspflicht bestand, wenn in dem Betrieb Tätigkeiten
verrichtet worden sind, die erst nach der Produktion anfielen,
insbesondere – wie in dem vom BAG entschiedenen Fall – der
Vertrieb oder der Versand. Gleiches gilt für Tätigkeiten, die
der Produktion ohne direkten Bezug vorgelagert sind, z.B. die
Forschung und Entwicklung, sowie die letztlich mittelbar
unterstützend, aber ohne direkten Bezug zur Fertigung erbracht
werden, z.B. Reinigungsarbeiten, allgemeine Verwaltungsaufgaben,
Personalwirtschaft etc.
Die
auf dem Papier einfach anmutende, in der Praxis doch im Einzelfall
durchaus schwierige Abgrenzung über das Bestehen einer
Branchenzuschlagspflicht kann sich durch die neu eingeführte
tarifliche Bestimmung erledigen und auch gewisse „Störgefühle“
beseitigen, die oftmals aufgetreten sind, wenn ein an die
M+E-Tarifverträge gebundener produzierender Hauptbetrieb
(Herstellung von Kfz) unzweifelhaft dem betrieblichen
Anwendungsbereich des TV BZ ME unterworfen wird, jedoch nicht der
entleihende (Unterstützungs-)Betrieb einer konzernangehörigen
Gesellschaft, die (ebenfalls) Mitglied im Arbeitgeberverband
Metall ist und folglich für die dort tätigen Stammbeschäftigten
die M+E-Flächentarifverträge anwendet, wenn in dem
Einsatzbetrieb – ohne „Fertigungsbezug“ – ausschließlich
für den Hauptbetrieb die gesamte Personalwirtschaft abgewickelt
wird, insbesondere Dienstleistungen bei der Gehaltsabrechnung,
Verwaltung des Fuhrparks etc. Auf Grundlage der bisherigen Fassung
der o.g. Tarifverträge wäre die Überlassung in den Hauptbetrieb
branchenzuschlagspflichtig, in den Unterstützungsbetrieb jedoch
nicht, obwohl dies – zumindest nach einem „Bauchgefühl“ –
angezeigt gewesen wäre, besteht doch – konkret vermittelt durch
die Anwendung der entsprechenden Flächentarifverträge –
unzweifelhaft eine (offensichtliche) Nähe zum M+E-Bereich.
Mit
der tariflichen Regelung wird dieses „Störgefühl“ beseitigt
und der Anwendungsbereich der o.g. drei
Branchentarifzuschlagstarifverträge angepasst bzw. der Begriff
des „Kundenbetriebs“ erweitert.
3.
Inhaltliche Anforderungen an eine Tarifbindung Voraussetzung
für eine Branchenzuschlagspflicht ist dabei, dass eine
Tarifbindung für den Einsatzbetrieb vorliegen muss. Der Kunde
muss folglich Mitglied in dem jeweils zuständigen
Arbeitgeberverband Metall sein, die dazu führt, dass die mit der
IG Metall abgeschlossenen Flächentarifverträge im Einsatzbetrieb
zur Anwendung kommen; eine sog. OT-Mitgliedschaft, d.h. eine
solche ohne Tarifbindung, ist nicht ausreichend. Alternativ ist
auch der Abschluss eines Hausvertrages ausreichend, der von dem
Kunden mit der IG Metall geschlossen und in dem auf die
Flächentarifverträge verwiesen wird. Unklar ist dabei aber, ob
es sich bei diesem Haustarifvertrag um einen schlichten
Anerkenntnistarifvertrag handeln muss, in dem die Regelungen im
Flächentarifvertrag 1:1 übernommen werden, oder ob – wie in
der Praxis häufig – der Haustarifvertrag zwar auf die
Flächentarifverträge verweist, jedoch die dort vorgesehenen
Bestimmungen – ggf. für eine festgelegte Zeit – modifiziert
werden, da sich der Kunde in einer wirtschaftlich herausfordernden
Situation befindet (Beispiel: Aussetzung von tariflichen
Sonderzahlungen oder zeitlich verzögerte Weitergabe von
tariflichen Entgelterhöhungen bei Abgabe einer
Beschäftigungssicherung oder einer Standortgarantie). Der
schlichte Wortlaut der Neuregelung in den
Branchenzuschlagstarifverträgen könnte zunächst so verstanden
werden, dass der Firmentarifvertrag uneingeschränkt zur Anwendung
kommen muss („Bindung an ein regionales Tarifwerk der Metall-
und Elektroindustrie durch Bezugnahme in einem Haustarifvertrag“).
Dies ist aber weder von Sinn und Zweck der Bestimmung gedeckt
(dazu s. oben), noch dürfte der Wortlaut der tariflichen Regelung
eine derart enge Auslegung rechtfertigen, wird doch durch einen
modifizierenden Haustarifvertrag regelmäßig – über ein
Anerkenntnis – eine Bindung an den M+E-Flächentarifvertrag
hergestellt, der dann nur modifiziert wird. Es besteht auch in
diesen Fällen zunächst eine Bindung an ein regionales Tarifwerk
der Metall- und Elektroindustrie, die hinreichend sein dürfte, um (...)
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