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Präsident
des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP)
Sebastian
Lazay
Aktuelle
Herausforderungen erfordern gemeinsame Branchenstimme
Der
derzeitige Zustand der Welt und die Rahmenbedingungen für
jegliches Handeln sind alles andere als erfreulich. 2022 ist das
Jahr der multiplen Krisen: Der furchtbare Krieg Russlands gegen
die Ukraine mit seinen unzähligen unschuldigen Opfern
erschüttert uns alle. Die Folgen dieses Krieges, wie die
explodierenden Energiepreise und die hohe Inflation, sowie die
anhaltenden Begleiterscheinungen der Corona- Pandemie und
schließlich der Klimawandel tun ihr übriges. All diese Faktoren
belasten nicht nur unsere Wirtschaft, sondern jeden einzelnen
Menschen in Deutschland. Und was 2023 noch auf uns zukommt,
darüber können wir derzeit nur spekulieren. Zudem droht die
Personalnot über alle Branchen hinweg zu einer weiteren, schweren
Belastung der Wirtschaft hierzulande zu werden – und das noch
für einen langen Zeitraum. Für uns Personaldienstleister ist die
derzeitige Lage bereits durch all diese Faktoren höchst
volatil.
Doch die Lage der Zeitarbeitsbranche wird zusätzlich durch
weitere aktuelle Entwicklungen erschwert. So werden die seit
Jahren schwelenden Stimmen aus der Politik und den Lobbyverbänden
des Gesundheitswesens zunehmend wieder lauter und rufen nach einer
Begrenzung der Zeitarbeit in der Pflege, teilweise sogar nach
einem vollständigen Verbot. Doch statt sich mit dem zahlenmäßig
kleinen Phänomen der Zeitarbeit zu befassen – und schlimmer
noch: diese zum Sündenbock für die jahrelangen Versäumnisse in
der Gesundheitsbranche zu machen – wäre die Steigerung der
Arbeitgeberattraktivität in Medizin und Pflege der nachweislich
vielversprechendere Ansatz. Denn nicht eine Pflegekraft und nicht
ein Arzt mehr würden durch die Einschränkung der Zeitarbeit im
Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, ganz im Gegenteil.
Stattdessen würden sich viele Beschäftigte ganz aus der Branche
verabschieden und für die Patientenversorgung dauerhaft verloren
gehen. Personaldienstleister sind auch in der Pflege nicht das
Problem, sondern der Problemlöser. Ohne sie würde der
Personalmangel noch stärker ausfallen.
Mit
dem im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)
erarbeiteten und Mitte November 2022 vorgestellten Berichts über
die Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)
dürfte die Zeitarbeit insgesamt im kommenden Jahr noch stärker
in den politischen Fokus rücken. Dabei klaffen im Bericht die
empirische Befundlage und die politische Bewertung teilweise
deutlich auseinander. So wird die derzeitige
Höchstüberlassungsdauer als „zahnloser Tiger“ bezeichnet.
Gleichzeitig wird aber belegt, dass Überlassungsdauern von über
18 Monaten seit der AÜG-Reform 2017 deutlich zurückgegangen
sind. Auch beim Thema „Equal Pay“ attestiert der Bericht
selbst, dass die Lohnlücke signifikant kleiner geworden ist.
Trotzdem gibt es den Vorschlag eines strikten Equal Pay vom ersten
Tag an. Das passt alles nicht zusammen! Und doch steht zu
befürchten, dass das BMAS den Bericht als Steilvorlage nutzen
könnte, um noch stärkere Restriktionen gegen die Zeitarbeit zu
fordern.
Weiteres
Ungemach könnte unserer Branche in Kürze aus Luxemburg drohen.
Denn beim dortigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist derzeit
ein Verfahren zum Gesamtschutz von Beschäftigten in der
Zeitarbeit anhängig. Dieses hat Sprengkraft, denn es könnte das
Modell der Zeitarbeit in Deutschland in Frage stellen.
Entscheidend ist die Klärung der Frage, ob das deutsche System
der Arbeitnehmerüberlassung den Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer
gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie wahrt. Am 15. Dezember,
also nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe, rechnen wir mit
dem Urteil und werden das weitere Vorgehen je nach Ausgang
sorgfältig abwägen. Und nur einen Tag zuvor wird der neue
Tarifabschluss erwartet. Es werden Mitte Dezember also spannende
Tage für unsere Branche.
Dagegen
ist es eigentlich ein Grund zur Freude, dass das Bundeskabinett
kürzlich die Eckpunkte eines „Migrationspakets“ für die
Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten beschlossen hat und Anfang
des nächsten Jahres einen Gesetzesentwurf vorlegen will. Doch es
gibt hier einen Wermutstropfen: Ich vermisse darin schmerzlich die
Erlaubnis für die Zeitarbeit, qualifizierte Fachkräfte aus
Drittstaaten zu rekrutieren und zu beschäftigen. Nicht erst seit
Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2020 setzt sich
der BAP dafür ein, dass das Verbot für die Zeitarbeit endlich
fällt. Die Chance zur nachhaltigen Fachkräftesicherung mit Hilfe
der Personaldienstleister und ihren internationalen
Recruiting-Erfahrungen darf von der Bundesregierung nicht erneut
vertan werden.
Es
zeigt sich, dass enorme Herausforderungen vor uns liegen. Doch bei
allen berechtigten Sorgen über die derzeitige Lage: Solch
schwierige Situationen sind kein Neuland für die
Zeitarbeitsbranche. Die Personaldienstleister können Krise! Und:
Die Branche wird auch 2023 unter Beweis stellen, dass sie
ungeachtet aller widrigen Rahmenbedingungen mit Innovationskraft
und unternehmerischen Eifer die notwendige Flexibilität in den
Arbeitsmarkt bringt. Dabei wird es darauf ankommen, statt wie
bisher mit zwei Stimmen künftig mit nur einer, noch stärkeren
gemeinsamen Stimme sprechen zu können. Gerade gegenüber der
Politik kann ein gemeinsamer Verband für die Branche die
Schlagkraft bündeln und spürbar erhöhen. BAP und iGZ sind auf
ihrem Weg zur Verbandsneugründung bereits wesentliche Schritte
vorangekommen. Die richtigen, entscheidenden Weichen dafür sind
gestellt, der Fahrplan abgestimmt – bringen wir es gemeinsam
aufs Gleis!
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Bundesvorsitzender
des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Christian
Baumann
Auch
wenn das ablaufende Jahr nach Corona-Pandemie und Lockdown eine
leichte Erholung für die Zeitarbeitsbranche brachte, ist es doch
– wieder einmal – geprägt vom Kampf um Anerkennung und faire,
gleichberechtigte Behandlung der ach so oft und vollkommen zu
Unrecht gescholtenen Personaldienstleistung. Wie oft die
Branchenvertreter allein insistieren mussten, um beim
Kurzarbeitergeld die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen zu
bekommen, wie der Rest der deutschen Wirtschaft lässt sich
mittlerweile kaum noch zählen. Immer wieder wird die Zeitarbeit
herbeizitiert, wenn irgendwo Missstände aufgedeckt werden, die
mit der Arbeitnehmerüberlassung nichts zu tun haben – und das
meist nur aus mangelnder Sachkenntnis. Bestes Beispiel dafür ist
das sektorale Verbot von Zeitarbeit in der Fleischindustrie, wo
eigentlich Werkverträge an der Tagesordnung waren. Mal davon
abgesehen, dass – auch nach Auffassung zahlreicher Juristen –
das sektorale Verbot unserer Meinung nach auch gegen die im
Grundgesetz verankerte freie Berufswahl verstößt, sollte der
Gesetzgeber in solchen Fällen doch eher intensiv das
Expertenwissen der Fachleute in Anspruch nehmen, um zu gerechteren
Einschätzungen und Ergebnissen zu kommen. Wir arbeiten daran.
Insgesamt
gesehen war es aus juristischer Sicht denn auch kein gutes Jahr
für die Zeitarbeit – EuGHund BAG-Entscheidungen werden der
Branche gleichermaßen nicht nur erneut Paragraphenknüppel
zwischen die Beine werfen, sondern auch einmal mehr die
bürokratischen Hürden weiter erhöhen, statt sie abzubauen und
der Zeitarbeitsbranche den Raum zu geben, den sie für ihr
wesentliches Merkmal – Flexibilität – in der täglichen
Arbeit so dringend braucht. Arbeitszeiterfassungspflicht, die
Berücksichtigung von Urlaubsstunden bei Mehrarbeitszuschlagen
oder auch das Schriftformgebot, um nur einige Normen zu nennen,
bilden im Gesamtkonstrukt zusammen mit dem Tarifvertragswerk einen
umfangreichen Gesamtschutz für die Zeitarbeitskräfte. Leider
misstraut Generalanwalt Collins, EuGH, offenbar dem deutschen
Procedere – oder er weiß es einfach nicht, jedenfalls hat er es
in seinem Schlussplädoyer negiert. Bislang ist es den Unternehmen
gelungen, diese Hürden mehr oder weniger zu meistern – auch
wenn sie sich dabei oftmals am absoluten Rand der Schmerzgrenze
bewegten und bewegen. Es erinnert schon ein wenig an Willkür,
wenn der Gesetzgeber sowohl die Tarifautonomie als auch die eigene
Tarifkommission völlig ignoriert, um ohne jegliche Beachtung der
wirtschaftlichen Situation und auch noch in Zeiten einer sich
ankündigenden Rezession einen gesetzlichen Mindestlohn
festzulegen. Die Tarifgemeinschaft Zeitarbeit hat rechtzeitig
reagiert und gemeinsam mit dem Sozialpartner einen tariflichen
Mindestlohn ausgearbeitet, der wieder über dem gesetzlichen
liegt. Es bleibt also nach wie vor attraktiver, sich einen Job in
der Zeitarbeit zu suchen. Das wird – ein kleiner Lichtblick in
diesen Zeiten – offenbar laut jüngster Lünendonk-Studie
zunehmend interessanter für Beschäftigte.
Mit
Blick auf den zunehmenden Regulierungswahn sind die
Zeitarbeitsunternehmen gut beraten, wenn sie neben Klassiker
Arbeitnehmerüberlassung auch neue Wege beschreiten,
zukunftsorientierte Strategien entwickeln und Personalservice
einfach einmal ganz neu denken. Die ersten Zeitarbeitsunternehmen
haben bereits damit begonnen umzustrukturieren und sich neue
Geschäftsfelder im Bereich Human Ressources zu erschließen. Und
auch die Zeitarbeitgeberverbände beschreiten ungewohntes Terrain:
Mit einer Neugründung aus beiden Institutionen unter
Zusammenführung bisheriger Ressourcen und Kompetenzen kann die
Branche mit einer Stimme sprechen. Der neue Zeitarbeitgeberverband
ist dann zudem einer der größten Arbeitgeberverbände
Deutschlands und hätte dementsprechend Gewicht in Politik und
Wirtschaft. Das lässt hoffen und den Blick optimistisch nach vorn
richten.
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Hauptgeschäftsführer
des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Werner
Stolz
Große
Branchenherausforderungen vereint meistern
Seit
seiner Gründung 1998 hat sich der Interessenverband Deutscher
Zeitarbeitsunternehmen auch das Wort des Philosophen Heraklit, „Nichts
ist so beständig wie der Wandel“ auf die Fahne geschrieben –
und damit, vom iGZ-DGB-Tarifvertragswerk über die PDK-Ausbildung
bis hin zum Ethikkodex, immer wieder wichtige Bausteine für ein
solides Fundament der Zeitarbeitsbranche gesetzt. Doch die Branche
sieht sich auch mit immer wieder neuen Herausforderungen
konfrontiert, die es zu meistern gilt. Sektorale Berufsverbote
für die Zeitarbeit, die Folgen der Reform des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die ständig zunehmende
Bürokratisierung oder der dauernde Kampf um Kurzarbeitergeld sind
nur einige immer wiederkehrende Hürden, die es zu überwinden
gilt.
Bislang
sprach und spricht die Zeitarbeitsbranche mit zwei Stimmen: Das
Beständige ist indes der Wandel – und deshalb haben sich die
beiden großen Zeitarbeitgeberverbände, iGZ und der
Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP), nach
Zustimmung ihrer jeweiligen Mitgliedsunternehmen zusammengesetzt
und sind aktuell dabei, aus zwei Stimmen eine werden zu lassen.
Gute Gründe für eine Verschmelzung beider Verbände gibt es
viele – unter anderem hätte eine große, starke Stimme ein ganz
anderes politisches Gewicht in Berlin, mit der kreativen Kraft
beider Verbandsteams könnten größere Aufgaben und
Herausforderungen in Angriff genommen werden und bislang
parallellaufende Projekte könnten zu einem gemeinsamen
Unterfangen zusammenwachsen.
Kein
Zweifel: Mit der geplanten Verschmelzung zu einem neuen Verband
und dann rund 6.500 Mitgliedern würde dieser Schritt ein großer
Meilenstein in der Branche darstellen. Hierdurch würden auch
Synergieeffekte generiert, die sinnvoller beispielsweise für
einen besseren Mitgliederservice oder effektive Marketingkampagnen
eingesetzt werden könnten. Hinzu kommt, die
Personaldienstleistungsbranche wird auch weiterhin mit großen
Herausforderungen konfrontiert: Digitalisierung, Dekarbonisierung
und Demografie. Ein starker Verband hätte noch mehr fachliche
Kapazitäten, die Branche bei der notwendigen Transformation aktiv
zu unterstützen und Knowhow für diese Prozesse zu vermitteln.
Insbesondere die mittelständischen Zeitarbeitsunternehmen würden
von diesem Mehrwert im Betriebsalltag profitieren.
Erste
Schritte wurden in der Vergangenheit bereits gemacht. In den
vergangenen Jahren, insbesondere seit Gründung der gemeinsamen
„Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit“, haben beide
Branchenverbände ihre Kooperation in der Tarifarbeit weiter
ausgebaut. Die großen Branchenaufgaben der Zukunft wie eine
nachhaltige Imageverbesserung, aktive Mitarbeit in übergeordneten
Verbänden und Institutionen sowie die Entwicklung von
praxistauglichen Weiterbildungskonzepten lassen sich in
gemeinsamen Anstrengungen noch nachhaltiger realisieren.
Wenn
bei diesem innovativen Vorhaben allein der Wille im Vordergrund
steht, die Personaldienstleistungsbranche insgesamt besser zu
positionieren und ihr als Verband ein wertvoller Partner bei der
Gestaltung der Zukunft zu sein, wird dieser anspruchsvoller
Prozess auch gelingen – mit Mehrwert für alle Beteiligten.
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