Heft 12/2022

Heft Dezember 2022

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 12/22 - Inhalt

Die Beiträge von:

  • Sebastian Lazay

  • Christian Baumann

  • Werner Stolz

  • Dr. jur. Adrian Hurst

  • Arnd Schumacher

  • Dr. Robert Bauer

  • Hartmut Lüerßen

  • Ingrid Hofmann

  • Christian Andorfer

  • Horst Thurau

  • Thomas Ball und Lena Singer

  • Dr. Alexander Bissels

  • Erwerbstätigkeit im Oktober 2022 weiter gestiegen – Erwerbstätigenzahl 0,1 % höher als im Vormonat

  • Neues Jahr, neue Rechte: Das ändert sich 2023 im Arbeitsrecht

  • Erwerbstätige arbeiteten im dritten Quartal 2022 15,6 Milliarden Stunden

  • Unternehmen im Krisenmodus: Drei Viertel der Unternehmen spüren starke Auswirkungen auf die Personalsituation

  • BAP Job-Navigator 12/2022: » Top 10 Branchen« – Handel ist die Branche mit dem größten Personalbedarf

  • „Bundesarbeitsgericht muss sich jetzt schützend vor die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie stellen“.

Leseprobe

Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP)

Sebastian Lazay

Aktuelle Herausforderungen erfordern gemeinsame Branchenstimme

Der derzeitige Zustand der Welt und die Rahmenbedingungen für jegliches Handeln sind alles andere als erfreulich. 2022 ist das Jahr der multiplen Krisen: Der furchtbare Krieg Russlands gegen die Ukraine mit seinen unzähligen unschuldigen Opfern erschüttert uns alle. Die Folgen dieses Krieges, wie die explodierenden Energiepreise und die hohe Inflation, sowie die anhaltenden Begleiterscheinungen der Corona- Pandemie und schließlich der Klimawandel tun ihr übriges. All diese Faktoren belasten nicht nur unsere Wirtschaft, sondern jeden einzelnen Menschen in Deutschland. Und was 2023 noch auf uns zukommt, darüber können wir derzeit nur spekulieren. Zudem droht die Personalnot über alle Branchen hinweg zu einer weiteren, schweren Belastung der Wirtschaft hierzulande zu werden – und das noch für einen langen Zeitraum. Für uns Personaldienstleister ist die derzeitige Lage bereits durch all diese Faktoren höchst volatil. 

Doch die Lage der Zeitarbeitsbranche wird zusätzlich durch weitere aktuelle Entwicklungen erschwert. So werden die seit Jahren schwelenden Stimmen aus der Politik und den Lobbyverbänden des Gesundheitswesens zunehmend wieder lauter und rufen nach einer Begrenzung der Zeitarbeit in der Pflege, teilweise sogar nach einem vollständigen Verbot. Doch statt sich mit dem zahlenmäßig kleinen Phänomen der Zeitarbeit zu befassen – und schlimmer noch: diese zum Sündenbock für die jahrelangen Versäumnisse in der Gesundheitsbranche zu machen – wäre die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität in Medizin und Pflege der nachweislich vielversprechendere Ansatz. Denn nicht eine Pflegekraft und nicht ein Arzt mehr würden durch die Einschränkung der Zeitarbeit im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, ganz im Gegenteil. Stattdessen würden sich viele Beschäftigte ganz aus der Branche verabschieden und für die Patientenversorgung dauerhaft verloren gehen. Personaldienstleister sind auch in der Pflege nicht das Problem, sondern der Problemlöser. Ohne sie würde der Personalmangel noch stärker ausfallen.

Mit dem im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeiteten und Mitte November 2022 vorgestellten Berichts über die Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) dürfte die Zeitarbeit insgesamt im kommenden Jahr noch stärker in den politischen Fokus rücken. Dabei klaffen im Bericht die empirische Befundlage und die politische Bewertung teilweise deutlich auseinander. So wird die derzeitige Höchstüberlassungsdauer als „zahnloser Tiger“ bezeichnet. Gleichzeitig wird aber belegt, dass Überlassungsdauern von über 18 Monaten seit der AÜG-Reform 2017 deutlich zurückgegangen sind. Auch beim Thema „Equal Pay“ attestiert der Bericht selbst, dass die Lohnlücke signifikant kleiner geworden ist. Trotzdem gibt es den Vorschlag eines strikten Equal Pay vom ersten Tag an. Das passt alles nicht zusammen! Und doch steht zu befürchten, dass das BMAS den Bericht als Steilvorlage nutzen könnte, um noch stärkere Restriktionen gegen die Zeitarbeit zu fordern.

Weiteres Ungemach könnte unserer Branche in Kürze aus Luxemburg drohen. Denn beim dortigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist derzeit ein Verfahren zum Gesamtschutz von Beschäftigten in der Zeitarbeit anhängig. Dieses hat Sprengkraft, denn es könnte das Modell der Zeitarbeit in Deutschland in Frage stellen. Entscheidend ist die Klärung der Frage, ob das deutsche System der Arbeitnehmerüberlassung den Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie wahrt. Am 15. Dezember, also nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe, rechnen wir mit dem Urteil und werden das weitere Vorgehen je nach Ausgang sorgfältig abwägen. Und nur einen Tag zuvor wird der neue Tarifabschluss erwartet. Es werden Mitte Dezember also spannende Tage für unsere Branche.

Dagegen ist es eigentlich ein Grund zur Freude, dass das Bundeskabinett kürzlich die Eckpunkte eines „Migrationspakets“ für die Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten beschlossen hat und Anfang des nächsten Jahres einen Gesetzesentwurf vorlegen will. Doch es gibt hier einen Wermutstropfen: Ich vermisse darin schmerzlich die Erlaubnis für die Zeitarbeit, qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren und zu beschäftigen. Nicht erst seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2020 setzt sich der BAP dafür ein, dass das Verbot für die Zeitarbeit endlich fällt. Die Chance zur nachhaltigen Fachkräftesicherung mit Hilfe der Personaldienstleister und ihren internationalen Recruiting-Erfahrungen darf von der Bundesregierung nicht erneut vertan werden.

Es zeigt sich, dass enorme Herausforderungen vor uns liegen. Doch bei allen berechtigten Sorgen über die derzeitige Lage: Solch schwierige Situationen sind kein Neuland für die Zeitarbeitsbranche. Die Personaldienstleister können Krise! Und: Die Branche wird auch 2023 unter Beweis stellen, dass sie ungeachtet aller widrigen Rahmenbedingungen mit Innovationskraft und unternehmerischen Eifer die notwendige Flexibilität in den Arbeitsmarkt bringt. Dabei wird es darauf ankommen, statt wie bisher mit zwei Stimmen künftig mit nur einer, noch stärkeren gemeinsamen Stimme sprechen zu können. Gerade gegenüber der Politik kann ein gemeinsamer Verband für die Branche die Schlagkraft bündeln und spürbar erhöhen. BAP und iGZ sind auf ihrem Weg zur Verbandsneugründung bereits wesentliche Schritte vorangekommen. Die richtigen, entscheidenden Weichen dafür sind gestellt, der Fahrplan abgestimmt – bringen wir es gemeinsam aufs Gleis!

Bundesvorsitzender des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.

Christian Baumann

Auch wenn das ablaufende Jahr nach Corona-Pandemie und Lockdown eine leichte Erholung für die Zeitarbeitsbranche brachte, ist es doch – wieder einmal – geprägt vom Kampf um Anerkennung und faire, gleichberechtigte Behandlung der ach so oft und vollkommen zu Unrecht gescholtenen Personaldienstleistung. Wie oft die Branchenvertreter allein insistieren mussten, um beim Kurzarbeitergeld die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen zu bekommen, wie der Rest der deutschen Wirtschaft lässt sich mittlerweile kaum noch zählen. Immer wieder wird die Zeitarbeit herbeizitiert, wenn irgendwo Missstände aufgedeckt werden, die mit der Arbeitnehmerüberlassung nichts zu tun haben – und das meist nur aus mangelnder Sachkenntnis. Bestes Beispiel dafür ist das sektorale Verbot von Zeitarbeit in der Fleischindustrie, wo eigentlich Werkverträge an der Tagesordnung waren. Mal davon abgesehen, dass – auch nach Auffassung zahlreicher Juristen – das sektorale Verbot unserer Meinung nach auch gegen die im Grundgesetz verankerte freie Berufswahl verstößt, sollte der Gesetzgeber in solchen Fällen doch eher intensiv das Expertenwissen der Fachleute in Anspruch nehmen, um zu gerechteren Einschätzungen und Ergebnissen zu kommen. Wir arbeiten daran.

Insgesamt gesehen war es aus juristischer Sicht denn auch kein gutes Jahr für die Zeitarbeit – EuGHund BAG-Entscheidungen werden der Branche gleichermaßen nicht nur erneut Paragraphenknüppel zwischen die Beine werfen, sondern auch einmal mehr die bürokratischen Hürden weiter erhöhen, statt sie abzubauen und der Zeitarbeitsbranche den Raum zu geben, den sie für ihr wesentliches Merkmal – Flexibilität – in der täglichen Arbeit so dringend braucht. Arbeitszeiterfassungspflicht, die Berücksichtigung von Urlaubsstunden bei Mehrarbeitszuschlagen oder auch das Schriftformgebot, um nur einige Normen zu nennen, bilden im Gesamtkonstrukt zusammen mit dem Tarifvertragswerk einen umfangreichen Gesamtschutz für die Zeitarbeitskräfte. Leider misstraut Generalanwalt Collins, EuGH, offenbar dem deutschen Procedere – oder er weiß es einfach nicht, jedenfalls hat er es in seinem Schlussplädoyer negiert. Bislang ist es den Unternehmen gelungen, diese Hürden mehr oder weniger zu meistern – auch wenn sie sich dabei oftmals am absoluten Rand der Schmerzgrenze bewegten und bewegen. Es erinnert schon ein wenig an Willkür, wenn der Gesetzgeber sowohl die Tarifautonomie als auch die eigene Tarifkommission völlig ignoriert, um ohne jegliche Beachtung der wirtschaftlichen Situation und auch noch in Zeiten einer sich ankündigenden Rezession einen gesetzlichen Mindestlohn festzulegen. Die Tarifgemeinschaft Zeitarbeit hat rechtzeitig reagiert und gemeinsam mit dem Sozialpartner einen tariflichen Mindestlohn ausgearbeitet, der wieder über dem gesetzlichen liegt. Es bleibt also nach wie vor attraktiver, sich einen Job in der Zeitarbeit zu suchen. Das wird – ein kleiner Lichtblick in diesen Zeiten – offenbar laut jüngster Lünendonk-Studie zunehmend interessanter für Beschäftigte.

Mit Blick auf den zunehmenden Regulierungswahn sind die Zeitarbeitsunternehmen gut beraten, wenn sie neben Klassiker Arbeitnehmerüberlassung auch neue Wege beschreiten, zukunftsorientierte Strategien entwickeln und Personalservice einfach einmal ganz neu denken. Die ersten Zeitarbeitsunternehmen haben bereits damit begonnen umzustrukturieren und sich neue Geschäftsfelder im Bereich Human Ressources zu erschließen. Und auch die Zeitarbeitgeberverbände beschreiten ungewohntes Terrain: Mit einer Neugründung aus beiden Institutionen unter Zusammenführung bisheriger Ressourcen und Kompetenzen kann die Branche mit einer Stimme sprechen. Der neue Zeitarbeitgeberverband ist dann zudem einer der größten Arbeitgeberverbände Deutschlands und hätte dementsprechend Gewicht in Politik und Wirtschaft. Das lässt hoffen und den Blick optimistisch nach vorn richten.

Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.

Werner Stolz

Große Branchenherausforderungen vereint meistern

Seit seiner Gründung 1998 hat sich der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen auch das Wort des Philosophen Heraklit, „Nichts ist so beständig wie der Wandel“ auf die Fahne geschrieben – und damit, vom iGZ-DGB-Tarifvertragswerk über die PDK-Ausbildung bis hin zum Ethikkodex, immer wieder wichtige Bausteine für ein solides Fundament der Zeitarbeitsbranche gesetzt. Doch die Branche sieht sich auch mit immer wieder neuen Herausforderungen konfrontiert, die es zu meistern gilt. Sektorale Berufsverbote für die Zeitarbeit, die Folgen der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die ständig zunehmende Bürokratisierung oder der dauernde Kampf um Kurzarbeitergeld sind nur einige immer wiederkehrende Hürden, die es zu überwinden gilt.

Bislang sprach und spricht die Zeitarbeitsbranche mit zwei Stimmen: Das Beständige ist indes der Wandel – und deshalb haben sich die beiden großen Zeitarbeitgeberverbände, iGZ und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP), nach Zustimmung ihrer jeweiligen Mitgliedsunternehmen zusammengesetzt und sind aktuell dabei, aus zwei Stimmen eine werden zu lassen. Gute Gründe für eine Verschmelzung beider Verbände gibt es viele – unter anderem hätte eine große, starke Stimme ein ganz anderes politisches Gewicht in Berlin, mit der kreativen Kraft beider Verbandsteams könnten größere Aufgaben und Herausforderungen in Angriff genommen werden und bislang parallellaufende Projekte könnten zu einem gemeinsamen Unterfangen zusammenwachsen.

Kein Zweifel: Mit der geplanten Verschmelzung zu einem neuen Verband und dann rund 6.500 Mitgliedern würde dieser Schritt ein großer Meilenstein in der Branche darstellen. Hierdurch würden auch Synergieeffekte generiert, die sinnvoller beispielsweise für einen besseren Mitgliederservice oder effektive Marketingkampagnen eingesetzt werden könnten. Hinzu kommt, die Personaldienstleistungsbranche wird auch weiterhin mit großen Herausforderungen konfrontiert: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie. Ein starker Verband hätte noch mehr fachliche Kapazitäten, die Branche bei der notwendigen Transformation aktiv zu unterstützen und Knowhow für diese Prozesse zu vermitteln. Insbesondere die mittelständischen Zeitarbeitsunternehmen würden von diesem Mehrwert im Betriebsalltag profitieren.

Erste Schritte wurden in der Vergangenheit bereits gemacht. In den vergangenen Jahren, insbesondere seit Gründung der gemeinsamen „Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit“, haben beide Branchenverbände ihre Kooperation in der Tarifarbeit weiter ausgebaut. Die großen Branchenaufgaben der Zukunft wie eine nachhaltige Imageverbesserung, aktive Mitarbeit in übergeordneten Verbänden und Institutionen sowie die Entwicklung von praxistauglichen Weiterbildungskonzepten lassen sich in gemeinsamen Anstrengungen noch nachhaltiger realisieren.

Wenn bei diesem innovativen Vorhaben allein der Wille im Vordergrund steht, die Personaldienstleistungsbranche insgesamt besser zu positionieren und ihr als Verband ein wertvoller Partner bei der Gestaltung der Zukunft zu sein, wird dieser anspruchsvoller Prozess auch gelingen – mit Mehrwert für alle Beteiligten.



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