Dr.
Alexander Bissels
TV BZ ME:
"Kontraktlogistik" branchenzuschlagspflichtig?
Die in der Zeitarbeit inzwischen für zahlreiche
Industriezweige geschlossenen Tarifverträge über
Branchenzuschläge, die – in Abhängigkeit zur Einsatzdauer –
eine Annährung der dem Zeitarbeitnehmer von dem
Personaldienstleister gezahlten Vergütung an das Entgelt eines im
Kundenbetrieb eingesetzten Stammbeschäftigten bewirken sollen,
sind streitanfällig. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der
Frage, ob der fachliche Geltungsbereich eines solchen
Tarifvertrages den Einsatz eines Zeitarbeitnehmers bei einem
Kunden tatsächlich erfasst. Deren Beantwortung kann mitunter
schwierig sein, gerade wenn und soweit auf das Einsatzunternehmen
von dessen Kunden Aufgaben und Funktionen übertragen werden, die
in einem "Schnittstellenbereich" anzusiedeln sind. Das
LAG Rheinland- Pfalz musste sich damit befassen, ob der
Anwendungsbereich des Tarifvertrages über Branchenzuschläge für
Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie vom
22.05.2012 (im Folgenden kurz: TV BZ ME) bei einem Kundenbetrieb
eröffnet war, der mit der "Kontraktlogistik" für einen
Automobilhersteller beauftragt wurde (Urt. v. 23.09.2015 - 7 Sa
144/15). Wird diese Frage bejaht, wäre das Zeitarbeitsunternehmen
verpflichtet gewesen, dem überlassenen Mitarbeiter auf den
tariflichen Grundlohn die entsprechenden Zuschläge zu zahlen.
I. Entscheidung
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunden:
Die Klägerin wird von dem beklagten Personaldienstleister im Wege
der Arbeitnehmerüberlassung bei der Z-GmbH eingesetzt. Bei der
ZGmbH gelten mit der IG Metall abgeschlossene Haustarifverträge,
die sich im Wesentlichen an den Tarifverträgen der M+E-Industrie
orientieren. Die U-AG, ein Unternehmen der Automobilindustrie, ist
einzige Geschäftspartnerin der Z-GmbH. Aufgrund einer
beidseitigen Tarifbindung finden auf das mit der Klägerin
bestehende Arbeitsverhältnis die iGZ/DGB-Tarifverträge
Anwendung, zu denen auch der TV BZ ME zu zählen ist. Diese
verlangt die Zahlung von Branchenzuschlägen nach Maßgabe des TV
BZ ME.
Das ArbG Mainz (Urt. v. 14.01.2015 - 10 Ca 1243/14, nv.) hat die
Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte
Berufung war nicht erfolgreich. Diese habe keinen Anspruch auf die
Gewährung von tariflichen Branchenzuschlägen gem. § 2 TV BZ ME,
da dessen fachlicher Geltungsbereich nicht eröffnet sei.
Bei dem Kundenbetrieb der ZGmbH, auf den es nach dem eindeutigen
Tarifwortlautes maßgeblich ankomme (nicht aber auf das
Unternehmen oder den Konzern), handele es sich nicht um einen
Katalogbetrieb der Metall- und Elektroindustrie bzw. der
Automobilindustrie oder des Fahrzeugbaus nach § 1 Ziff. 2 TV BZ
ME. Der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME sei nämlich auf
industrielle Fertigungsbetriebe zugeschnitten. Alle im Katalog des
§ 1 Ziff. 2 TV BZ ME genannten Wirtschaftszweige seien dadurch
gekennzeichnet, dass gegenständlich Werke erstellt oder zumindest
bearbeitet würden (vgl. LAG Hamm v. 06.08.2014 – 3 Sa 202/14).
Genannt seien entweder Industriebetriebe (z.B. Automobilindustrie,
Luftund Raumfahrtindustrie, Elektround Elektrotechnikindustrie,
Uhrenindustrie) oder Betriebe, die bestimmte Produkte „bauten“
(z.B. Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau, Fahrzeugbau,
Schiffbau). Auch Gießereien, Walzwerke, Schlossereien,
Schweißereien etc. gehörten zweifelsohne zum Produktionsbereich.
Hinsichtlich der im Katalog zuletzt genannten Eisen-, Blech- und
Metallwaren, Musikinstrumente, Spiel- und Sportgeräte sowie
Schmuckwaren werde auf das geschaffene Produkt abgestellt.
Aufgrund des vorweggenommenen Bezugs auf die Industrie in der
Bezeichnung des TV BZ ME sei folglich davon auszugehen, dass auch
mit den Katalogtatbeständen ausschließlich Betriebe erfasst
werden sollten, in denen die genannten Produkte angefertigt
würden (Mehnert/ Stubbe/Haber, BB 2013, 1273).
Von dem Kundenbetrieb der ZGmbH würden allerdings keine
"Produkte" hergestellt. Es handele sich vielmehr um
einen Betrieb der Kontraktlogistik, durch die die langfristige
Übernahme komplexer logistischer Dienstleistungspakete durch
[…] sonstige Logistik-Dienstleister erfolge. Dabei würden
mehrere Basisdienstleistungen wie Transport, Lagerung, Umschlag,
(teilweise) Montage und Konfektioniertätigkeiten sowie einfache
(...)
|