Heft 03/2022

Heft März 2022

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 03/22 - Inhalt

  • Krieg in der Ukraine – dramatische Auswirkung auf die Wirtschaft

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven Minenfeld "Vertragsstrafen" - Obacht bei der Gestaltung und der Geltendmachung!

  • IAB-Arbeitsmarktbarometer legt trotz des Ukraine-Kriegs weiter zu

  • IC TEAM Personaldienste: Ein ausgezeichneter Arbeitgeber

  • BAP Job-Navigator 3/2022: "Jobangebote je Studiengang" Größtes Angebot für Abschlüsse in den Studiengängen Ingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften

  • Dr. Robert Bauer Der EuGH und die zulässige Überlassungsdauer - Teil 2

  • Auszeichnung: Bester Ausbildungsbetrieb 2022 - Hofmann Personal auf Platz 1 in der Personaldienstleistungsbranche

  • 15. ES-Unternehmerforum für Personaldienstleister Von aktuellen Entwicklungen bei den Tarifverträgen bis zur Wahrnehmung der Zeitarbeit: Branchenexperten diskutieren die Zukunft

  • Januar 2022: Erwerbstätigkeit mit starkem Jahresbeginn - Zahl der Erwerbstätigen erneut gestiegen und nur noch 0,2 Prozent unter Vorkrisenniveau

  • 120 Teilnehmer bei virtueller PERSONAL.PRAXIS.WEST.DIGITAL. - Mit Flexibilität viele Hürden überwunden

  • ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer für Q2/2022: Optimistische Arbeitsmarktprognosen kennzeichnen das 2. Quartal 2022

  • Ukraine-Hilfe: Trenkwalder richtet Anlaufstelle für Geflüchtete über WhatsApp ein und bietet Support rund um Job, Transport und Unterkunft

  • Mit Foto oder ohne? Was darf in den Text? - So gelingt die diskriminierungsfreie Stellenausschreibung

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

Minenfeld "Vertragsstrafen" – Obacht bei der Gestaltung und der Geltendmachung!

Klauseln über die Zahlung von Vertragsstrafen sind in der Praxis weit verbreitet; diese werden – insbesondere bei Zeitarbeitnehmern – regelmäßig in den Arbeitsverträgen oder entsprechenden Zusatzvereinbarungen vorgesehen, gerade für den Nichtantritt der Arbeit oder für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung derartiger Klauseln sowie bei deren Geltendmachung und damit bei der "Realisierung" sind jedoch gewisse Spielregeln einzuhalten. Erfolgt dies nicht, fällt der Personaldienstleister mit der vereinbarten Vertragsstrafe aus – dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG München (Urt. v. 15.07.2021 – 3 Sa 35/21; Vorinstanz: ArbG Augsburg v. 15.12.2020 – 7 Ca 1343/20).

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Der beklagte Zeitarbeitnehmer war bei dem klagenden Personaldienstleister seit dem 01.08.2017 beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmten sich die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien nach den zwischen dem Arbeitgeberverband iGZ und den DBG-Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträgen. Nach dem damit in Bezug genommenen § 10 MTV iGZ/DGB verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Mit Schreiben vom 09.04.2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.05.2018. Anfang Mai 2018 wurde der Beklagte bei dem Kunden X eingesetzt und lehnte dort den Einsatz am 04.05.2018 aus im Einzelnen streitigen Gründen ab. Mit dem am 04.05.2018 zugegangenen Schreiben kündigte der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin (aufgrund der Eigenkündigung des Beklagten wäre dies der 15.05.2018). Des Weiteren teilte sie in diesem Schreiben mit, den Abzug einer Vertragsstrafe zu prüfen und diese ggf. mit der letzten Abrechnung einzubehalten.

Mit Schreiben vom 19.06.2018 stellte die Klägerin dem Beklagten „aufgrund Ihrer außerordentlichen Kündigung“ eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 30 Bruttoarbeitstagen multipliziert mit 66,44 EUR (7 Std. x 9,49 EUR), d.h. in Höhe von insgesamt 1.992,90 EUR in Rechnung. Gemäß eines handschriftlichen Vermerks auf der beigefügten Rechnung vom 15.05.2018 waren hiervon 301,73 EUR und 79,06 EUR als Lohn für April bzw. Mai 2018 in Abzug zu bringen, so dass sich eine „Restschuld“ in Höhe von 1.612,11 EUR ergab.

Im Protokoll der Güteverhandlung vom 11.08.2020 wurde folgende Erklärung des Beklagten festgehalten

„Der Klägervertreter erklärt, dass die Vertragsstrafe mit Schreiben vom 19.06.2018 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht worden sei. Der Beklagte erklärt, dass er glaube, ein solches Schreiben erhalten zu haben. Er habe es jedoch nicht mehr.“

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Vertragsstrafe wirksam sei, ihre Voraussetzungen vorlägen und die Forderung mit Schreiben vom 19.06.2018 innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wann der Beklagte aus dessen Wohnung in X-Stadt, wohin das Schreiben vom 19.06.2018 gesandt worden sei, ausgezogen sei. Jedenfalls sei der Beklagte an seine Erklärung in der Güteverhandlung gebunden. Der Beklagte hat erstinstanzlich bestritten, das Schreiben zur Geltendmachung der Vertragsstrafe erhalten zu haben. Er sei vom 15.05.2018 bis 31.12.2018 unter der neuen Anschrift Y in X-Stadt wohnhaft gewesen.

Das ArbG Augsburg hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen von dem beklagten Personaldienstleister gerichtete Berufung war unbegründet, da – so zumindest die Ansicht des LAG München – der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe jedenfalls gem. § 10 MTV iGZ/DGB verfallen sei. Eine wirksame Geltendmachung erfordere, dass der Anspruch nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnet werde. Der Anspruch müsse so beschrieben werden, dass der Schuldner erkennen könne, aus welchem Sachverhalt er in Anspruch genommen werde. Darüber hinaus sei die Geltendmachung innerhalb der entsprechenden Frist und in der erforderlichen Form seitens der Klägerin darzulegen, wenn – wie hier – die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist unstreitig sei. Die fristgerechte Geltendmachung sei nämlich materiellrechtliche Voraussetzung des Anspruchs.

Danach habe die Klägerin die rechtzeitige Geltendmachung ihres behaupteten Anspruchs auf die Zahlung einer Vertragsstrafe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Klägerin habe diesen bereits dem Grunde nach nicht hinreichend deutlich bezeichnet. Sie habe vom Beklagten die Zahlung selbiger wegen einer von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung verlangt. Diesen Sachverhalt behaupte sie nicht mehr. Vielmehr stütze sie die Vertragsstrafe im hiesigen Verfahren auf § 14 Abs. 1 Spiegelstrich 1, 3 und 8 des Arbeitsvertrags. Hierzu fehle indessen eine Geltendmachung. Die Klägerin könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Empfangsbestätigung des Beklagten auf dem Kündigungsschreiben vom 04.05.2018 berufen. Im Kündigungsschreiben sei nämlich lediglich die Prüfung der Vertragsstrafe angekündigt worden. Dies stelle keine Geltendmachung im Tarifsinn dar, da einer solchen Erklärung das unmissverständliche Erfüllungsverlangen fehle.

Auch habe die Klägerin den Zugang des Schreibens vom 19.06.2018 weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Sie hat weder vorgetragen, dass der Beklagte nach dem 19.06.2018 noch unter der im Schreiben vom 19.06.2018 genannten Anschrift wohnhaft sei, noch dass ein Postnachsendeantrag bestanden habe. Zudem könne derjenige, der sich auf den Zugang eines abgesandten Schreibens berufe, nicht allein vortragen, normalerweise werde ein der Post anvertrauter Brief auch zugestellt. Sendungen könnten verloren gehen. Der sonst bei typischen Geschehensabläufen geltende Anscheinsbeweis sei nicht einschlägig, weil andernfalls der Nachweis des Zugangs durch den Nachweis der Absendung entgegen der Regelung in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ersetzt werden würde. Schließlich habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass der Zugang des Geltendmachungsschreibens vom 19.06.2018 nicht nachgewiesen werden könne.

Eine andere rechtliche Beurteilung, insbesondere eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, ergebe sich auch nicht aus der Erklärung des Beklagten in der Güteverhandlung, dass er glaube, das Geltendmachungsschreiben erhalten zu haben. Da die Fristeinhaltung materielle Voraussetzung für das Bestehen des behaupteten Anspruchs sei, sei ihre Nichteinhaltung eine Einwendung, die von Amts wegen zu beachten sei. Die Rechtswirkung einer hinreichenden Geltendmachung könne nicht im prozessualen Sinne unstreitig werden. Im Übrigen sei es zulässig, einmal abgegebene Erklärungen zu berichtigen. Dies nehme auch die Klägerin für sich in Anspruch, die zunächst in der Güteverhandlung behauptet habe, den streitgegenständlichen Anspruch mit Schreiben vom 15.05.2018 geltend gemacht zu haben und dies später – sogar ohne weitere Erklärung – auf das Datum des 19.06.2018 korrigiert habe.

II. Bewertung

Die Entscheidung des LAG München zeigt auf, dass bei der Realisierung von Vertragsstrafen – und zwar schon unabhängig von der AGB-rechtlichen Wirksamkeit – zahlreiche formelle Punkte zu beachten sind, die dem Personaldienstleister "auf die Füße fallen können", wenn diese missachtet werden. Der konkrete Fall ist zwar durch einfallspezifische Besonderheiten geprägt, zeigt aber auf, dass es elementar ist:

• den Anspruchsgrund, insbesondere die maßgebliche Vertragsverletzung, die zur Vertragsstrafe führt, gegenüber dem Zeitarbeitnehmer zu dokumentieren und darzustellen sowie

• den Zugang des Schreibens, durch den die Vertragsstrafe geltend gemacht wird, sicherzustellen, um nicht Gefahr zu laufen, dass entsprechende Ansprüche aufgrund der vereinbarten arbeitsoder tarifvertraglichen Ausschluss verfallen.

Letztlich zeigt das Verfahren deutlich auf, dass es oftmals müßig ist, Ansprüche auf Vertragsstrafen tatsächlich zu realisieren bzw. gerichtlich durchzusetzen. Dies gilt erst recht, wenn dies – wie vorliegend – zumindest in einer optimierbaren Art und Weise außergerichtlich vorbereitet und begleitet wird. Die Einhaltung einer gewissen Sorgfalt tut Not, möchte sich der anspruchsstellende Personaldienstleister – wie in dem vorliegenden Fall – vor Gericht nicht eine blutige Nase abholen.

Inhaltlich ist zudem auf eine weitere aktuelle Entscheidung des LAG Sachsen in Zusammenhang mit der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von Vertragsstrafen hinzuweisen (Urt. v. 24.01.2022 – 1 Sa 345/21). Die streitgegenständliche Regelung lautete wie folgt:

"Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, verpflichtet er (...)



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