Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
Rumble
in the Jungle: Erlaubnisrechtliche Streitigkeiten mit der BA!
Erlaubnisrechtliche
Streitigkeiten aufgrund einer von der Bundesagentur für Arbeit
(BA) angenommenen (vorgeblichen) Unzuverlässigkeit, die zu einer
Rücknahme oder einem Widerruf der einem Personaldienstleister
erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (§§ 4, 5 AÜG) bzw.
zu einer Versagung der Verlängerung (§ 3 AÜG) führen kann,
haben zugenommen, zumindest wenn man die dazu in den juristischen
Datenbanken in der jüngeren Vergangenheit veröffentlichten,
zahlreichen Entscheidungen berücksichtigt (vgl. nur: LSG NRW,
Urt. v. 30.10.2023 – L 20 AL 47/22; Sächs. LSG, Beschl. v.
14.09.2023 – L 3 AL 41/20 B ER; LSG Niedersachsen- Bremen,
Beschl. v. 26.05.2023 – L 11 AL 18/23 BER, L 11 AL 18/23 B ER;
dazu: Bissels/Singraven, jurisPR-ArbR 45/2023 Anm. 6; LSG
Niedersachsen- Bremen, Beschl. v. 17.06.2019 – L 11 AL 27/19 B
ER; weitere Nachweise bei: Bissels/ Falter, jurisPR-ArbR 35/2020
Anm. 8) – oftmals mit dem besseren Ende für das sich
gerichtlich gegen die erlaubnisrechtliche Maßnahme zur Wehr
setzenden Zeitarbeitsunternehmen, so auch in dem nachfolgend
besprochenen Beschluss des Thür. LSG vom 30.04.2024 (Az. L 10 AL
249/24 B ER), der – wie in der Praxis häufig – im
einstweiligen Rechtsschutz erging.
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Das
angerufene Gericht hob im Ergebnis die erstinstanzlich noch
abweisende Entscheidung des SG Altenburg auf (Beschl. v.
06.03.2024 – S 16 AL 515/24) und ordnete die aufschiebende
Wirkung der Klage gegen den Bescheid der BA an.
Das
Thür. LSG führt dazu zusammengefasst wie folgt aus:
Nach
§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG könne das Gericht in den Fällen, in
denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung hätten, diese ganz oder teilweise anordnen. Dies sei bei
einem Widerspruch bzw. der Klage gegen den Widerruf der Erlaubnis
zur Arbeitnehmerüberlassung der Fall (§ 86a Abs. 4 S. 1 SGG).
Habe der Gesetzgeber eine solche Anordnung getroffen, müsse es
eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben,
dass das Gericht die Aussetzung des Vollzuges anordne. Bei der
gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer
sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und dem
Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines
Rechtsbehelfs seien die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der
Hauptsache zu berücksichtigen. Je größer diese seien, umso
geringere Anforderungen seien an das Aussetzungsinteresse zu
stellen. Nur wenn die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar seien,
sei eine allgemeine Folgenabwägung vorzunehmen. Sei die Klage
voraussichtlich aussichtslos, werde die aufschiebende Wirkung
nicht angeordnet.
Die
Klage gegen den Widerruf der Erlaubnis gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3
i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG, sei – so das Gericht –
voraussichtlich aussichtsreich, da die Entscheidung der BA mit
hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig sei. Die Erlaubnis
könne widerrufen werden, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigten, dass der Antragsteller die für die
Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Zuverlässigkeit nicht
besitze. Unter Berücksichtigung der Beispielsfälle in § 3 Abs.
1 Nr. 1 AÜG und des Schutzzweckes des AÜG müsse ein
Antragsteller als unzuverlässig angesehen werden, wenn in seiner
Person Tatsachen vorlägen, denen zufolge zu besorgen sei, dass er
sein Gewerbe nicht in Einklang mit den bestehenden rechtlichen
Vorschriften ausüben werde. Insofern sei über die zukünftige
Entwicklung eine Prognose abzugeben.
Hiesig
sei nicht ersichtlich, dass eine solche überhaupt die Annahme
einer Unzuverlässigkeit rechtfertige. Der Antragsteller sei
substantiiert auf die Beanstandungen eingegangen:
•
Gleichbehandlungsgrundsatz: Unter Berücksichtigung
gewährter Zuschläge und sonstiger Leistungen liege kein Verstoß
(betreffend den Mitarbeiter B) vor
•
Abfrage der wesentlichen Arbeitsbedingungen: Auf neue und
nunmehr zum Einsatz kommende Fragebögen werde hingewiesen.
•
Garantielohn: Wegen einer individualvertraglichen Änderung
der Arbeitszeit (betreffend den Mitarbeiter B) lägen die
abgerechneten Stunden nicht unterhalb der vertraglich vereinbarten
Sollzeit.
•
Arbeitszeitnachweise: Das Versäumnis hinsichtlich der
Arbeitszeitnachweise werde eingeräumt. Die geforderten Unterlagen
seien mangels Speicherung tatsächlich nicht vorlegbar; allerdings
sei mit einem Dienstleister nunmehr zukünftig eine dreijährige
Speicherung vereinbart worden.
•
Arbeitsverträge: Diese enthielten bislang tatsächlich
eine erforderliche Bestimmung nicht; durch eine Zusatzvereinbarung
seien diese nunmehr ergänzt worden.
•
Fälligkeit des Entgeltes: Die Auszahlung habe tatsächlich
nicht zur vorgegebenen Fälligkeit stattgefunden; Änderungen bzw.
Zusatzvereinbarungen seien getroffen worden.
•
Arbeitnehmerüberlassungsverträge: Hinsichtlich der
Arbeitnehmerüberlassungsverträge sei irrtümlich eine Bezugnahme
auf den nicht mehr geltenden Rahmenüberlassungsvertrag vom
02.07.2019 erfolgt. Eine inhaltliche Divergenz zu den
nachfolgenden Rahmenüberlassungsverträgen sei damit allerdings
nicht einhergegangen. Soweit die handschriftliche Darstellung des
Datums der Unterschrift des Entleihers problematisiert worden sei,
werde in Zukunft auf eine solche geachtet.
•
Kündigung: Die Kündigung des Mitarbeiters F sei „vorsorglich
zum nächst möglichen Termin“, also zum 16.01.2021, erfolgt und
damit arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden. Zudem habe der
gekündigte Arbeitnehmer wegen eines
Anschlussarbeitsverhältnisses selbst die Kündigung zum
14.01.2021 begehrt.
Der
Antragsteller meint, dass die behaupteten Verstöße nur zu einem
geringen Teil zu Recht festgestellt worden seien. Insbesondere
seien der Gleichstellungsgrundsatz und die Garantielohnansprüche,
die von der BA als Kernbereich der Arbeitnehmerüberlassung
bezeichnet würden, nicht verletzt worden. Darüber hinaus sei
fraglich, ob die von den Kunden eingeholten Auskünfte zu den
vergleichbaren Arbeitsbedingungen der Stammarbeitnehmer so
mangelhaft gewesen seien, dass hieraus eine negative Prognose
abzuleiten gewesen wäre. Was tatsächlich einen Vorwurf
rechtfertige, seien das nicht vollständige Vorliegen der
Arbeitszeitnachweise und die teilweise verspätete Auszahlung des
Entgelts. Die Arbeits- und die Arbeitnehmerüberlassungsverträge
hätten lediglich formale Mängel aufgewiesen; die Nichteinhaltung
der Kündigungsfrist bei F sei begründet und bedeutungslos. Der
Antragsteller habe sämtliche Fehler nachhaltig korrigiert bzw.
beseitigt, so dass nicht von einer negativen Prognose ausgegangen
werden könne. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass
der Antragsteller seit 14 Jahren im Besitz einer Erlaubnis (seit
2013 unbefristet) sei. Er sei ferner im Jahre 2022 dem BAP
beigetreten und nutze seitdem dessen Dienstleistungen.
Diesem
konkreten Vortrag sei die BA – so das Gericht – zunächst nur
rudimentär entgegengetreten. Erstinstanzlich beschränkte sie
sich vielmehr auf knappe Feststellungen, u.a. wie „bisher nicht
prüfbar“ (Gleichstellunggrundsatz), „…wird … noch
geprüft, jedenfalls waren sie zum Zeitpunkt der Prüfung nicht
korrekt“ (Abfrage wesentlicher Arbeitsbedingungen), „…hätte
eine Vereinbarung im Voraus schriftlich erfolgen müssen“
(Garantielohnansprüche) [Anm. der Verfasser: weitere Beispiele
folgen]. Im Beschwerdeverfahren sei inhaltlich kein weiterer
Vortrag, sondern insoweit vor allem ein Verweis auf den
zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid vom 19.04.2024
erfolgt.
Die
dortigen Ausführungen und Würdigungen könnten aber einen
Widerruf nicht rechtfertigen:
•
Gleichstellungsgrundsatz: Soweit der BA Nachweise fehlen
würden, hätte sie diese anfordern können und müssen, bevor sie
eine u.a. hierauf begründete Widerrufsentscheidung
aufrechterhalte. Eine zwischen den Beteiligten divergierende
Rechtsauffassung zur Berücksichtigung von Zuschlägen und
sonstigen Leistungen lasse im Übrigen die Erfolgsaussichten des
Klageverfahrens jedenfalls als offen erscheinen. Zumindest aber
hätte als milderes Mittel eine entsprechende Auflage wenigstens
geprüft werden müssen.
•
Abfrage der wesentlichen Arbeitsbedingungen: Die BA räume
die Verwendung der neuen Vorlage ein. Diese Beanstandung habe sich
erledigt.
•
Garantielohn: Es sei unklar, warum nicht überprüfbar sein
solle, ob Herr B freiwillig weniger Stunden gearbeitet habe. Eine
entsprechende eidesstaatliche Erklärung des Mitarbeiters habe der
Antragsteller vorgelegt. Diese wäre seitens der BA zu würdigen
gewesen bzw. es wären weitere Ermittlungen anzustellen, bevor sie
eine u.a. hierauf begründete Widerrufsentscheidung
aufrechterhalte. Was die BA meine, soweit sie formuliere, „eine
Vereinbarung hätte im Vorfeld erfolgen
(...)
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